Un heureux événement (Ein freudiges Ereignis) von Rémi Bezançon. Frankreich, 2011. Louise Bourgoin, Pio Marmaï, Josiane Balasko, Thierry Frémont, Gabrielle Lazure, Firmine Richard

   Eine Geschichte mit grässlich hohem Wiedererkennungswert, vor allem für Eltern: Barbara und Nicolas verlieben sich, werden ein Paar, die ganz große Romantik, die totale Freiheit, der tolle Sex, dann der leichtfertig aus dem spontanen Gefühl heraus gesprochene Satz: „Ich will ein Kind mit dir“ – und dann wir alles anders. Die Schwangerschaft wird zu einer hormonellen Achterbahnfahrt, der sich immerhin noch viele komische und turbulente Momente abringen lassen, auch wenn sich so manche Gewitterfront (Schwiegermutter – Schwiegertochter beispielsweise...) bereits bedrohlich am Horizont abzeichnet, doch da Nicolas (wie fast alle Männer, ich weiß) im Grunde auf die Verantwortung, die auf ihn zukommt, absolut nicht vorbereitet ist (und auch nicht sein will) und am liebsten weiterhin in seiner übersichtlichen Kleinejungswelt leben möchte, tut sich urplötzlich ein Graben zwischen den beiden auf, der nie wieder zu schließen sein wird. Dann die Geburt, die ersten Momente mit dem Kind, und von nun an gehen die beiden tatsächlich getrennte Wege, finden nicht mehr so recht zusammen. Barbara hat vor allem erst mal Angst, das Kind nicht lieben zu können und mit ihrer Mutterrolle nicht klar zu kommen. Die dämlichen Glucken von der Stillgruppe und die wunderbar kühl herablassende Schwiegermama sind natürlich keine Hilfe, sondern das genaue Gegenteil. Auch Nicolas ist keine Hilfe, der kennt seine geliebte Frau gar nicht mehr wieder, begreift schon irgendwie, dass sie sich verändert hat, gibt sich aber herzlich wenig Mühe, die Gründe zu erforschen. Natürlich ist auch er überfordert zwischen Berufsstress, ständiger Schlaflosigkeit und einer Beziehung, die auf einmal nichts mehr von dem hat, was sie einst so toll machte. Aber während Barbara mit ihren Ängsten und inneren Dämonen kämpft und zugleich versucht, als Mutter, Partnerin und sogar noch als Doktorantin für Philosophie irgendwie zu funktionieren, was natürlich zwangsläufig in die Hose gehen muss, zieht er sich in seiner Hilflosigkeit langsam aber sicher zurück, schlägt sich des öfteren auf die Seite seiner Mutter (aus Barbaras Sicht natürlich das Allerschlimmste, was er tun kann!), und es kommt zur Entfremdung, zu einigen hässlichen Szenen und schließlich zu einer vorübergehenden Trennung, weil sie Zeit und Raum braucht, um wieder zu sich zu finden. Und wohin wendet sie sich – richtig, zu jener Mama, auf die sie sonst immer so heftig geschimpft hat! Am Schluss sehen wir eine vorsichtige Wiederannäherung, die durchaus das Potential für mehr in sich trägt, ganz sicher ist das aber nicht, wie überhaupt im Leben nichts sicher ist (so jedenfalls lautet in etwa Barbaras abschließendes Fazit).

   Tja, da hockten meine bessere Hälfte und ich im Kino, und jeder von uns hatte wohl so seine eigenen Gedanken, die wir mit Sicherheit nachher auch nicht vollständig austauschten (aus gutem Grund vermutlich...). Vieles, allzu vieles haben wir selbst durchlebt, einiges war auch nach fast sechzehn Jahren noch reichlich frisch im Gedächtnis, anderes bereits in der einen oder anderen gnädigen Verdrängungsschublade verschwunden, aber es ist vielleicht auch egal, wie weit die Identifikation mit Barbara und Nicolas im Detail geht, viel wichtiger ist das Gefühl, beziehungsweise die schon angesprochene Achterbahnfahrt der Gefühle, und die wird in diesem Film, finde ich zumindest, akkurat und ausgesprochen mitreißend nachvollzogen. Die Extreme ebenso wie die Feinheiten, die komischen und auch erotischen Momente genau so wie die tristen Alltäglichkeiten, die zunehmend verbitterten Auseinandersetzungen und die erschrockene Frage: Was ist eigentlich aus uns geworden? Parallel zu diesem Beziehungsdrama spielt sich aber noch ein anderes Drama ab, nämlich das von Barbara, einer jungen, lebenslustigen Studentin, die sich in eine ganz neue Rolle hineinfinden muss und dabei furchtbar zu kämpfen hat. Die Panik, nicht lieben zu können und nicht geliebt zu werden, die Angst, als Mutter nicht „erfolgreich“ zu sein (Stillen als heilige Kuh und Gradmesser für eine „gute“ Mutter zum Beispiel), aber auch die Unsicherheit, was mit ihr selbst passiert und ihrer Beziehung zu Nicolas, auf physischer wie auf psychischer Ebene. Und zwischendurch dann die eher misslungenen Versuche, nebenbei auch noch die angestrebte Unikarriere auf die Reihe zu kriegen und mit der besten Freundinnen einen Mädelsabend wie in der guten alten Zeit zu erleben. Hier können Frauen natürlich viel besser Auskunft geben, mir jedenfalls erschienen diese Szenen sehr überzeugend und vor allem von Louise Bourgoin auch hinreißend gut gespielt.

 

   Rémi Bezançon hält die Balance sehr gut, kippt weder zu stark zur einen noch zur anderen Seite. Soll heißen, hier ist keine seichte Wohlfühlkomödie herkömmlicher Machart entstanden, aber auch kein Beziehungsdrama, das uns den Atem raubt und uns niedergeschlagen und frustriert entlässt. Der Film hat von beidem etwas, alles sozusagen zu seiner Zeit, er verschweigt die schönen Dinge nicht und auch nicht die schweren, strebt wie schob Bezançons „C’est la vie“ offenbar nach eine etwasgrundlegenderen Aussage übe das Leben an sich, doch geht das ohne zuviel Pathos und Kitsch übe die Bühne, sondern viel eher mit Esprit, Temperament und viel Gefühl. Und ob man die Geschichte von Barbara und Nicolas nun als Mutmacher, als warnendes Exempel oder als Solidaritätsbekundung versteht, das mag davon abhängen, mit welcher Disposition man zusieht – als Eltern, vielleicht als werdende Eltern oder vielleicht als solche, die es noch werden wollen oder nicht ganz sicher sind. Ein Abenteuerfilm über Helden des Alltags ist dies aber auf jeden Fall... (12.4.)