Elle s’en va von Emmanuelle Bercot. Frankreich, 2013. Catherine Deneuve, Nemo Schiffman, Camille, Gérard Garouste, Paul Hamy
Berlinale, die 2.:
Der letzte Film des offiziellen Wettbewerbs, und schon währenddessen spürte jeder deutlich, diese Film kriegt den Preis nicht. Er hat ihn auch nicht gekriegt, gottseidank, dass noch irgendwas sicher ist vor dem französischen Wohlfühlfilm. Denn in diese Kategorie muss der Film wohl oder übel gepackt werden, obwohl er mir gar nicht mal schlecht gefallen hat, doch gerade gegen Ende steuert er zielsicher auf die alles einlullende Universalharmonie hin und lässt zwischendurch die eine oder andere Möglichkeit aus, einen anderen Weg einzuschlagen.
Ein Roadmovie und zugleich ein Frauenfilm, ein Aussteigerfilm: Bettie hat die Nase voll, setzt sich rein ins Auto und fährt einfach los. Das sprichwörtliche Zigarettenholen wird auch für sie zu einem Neuanfang, und den hat sie bitter nötig: Das Restaurant, das sie noch immer zusammen mit der Mama in der Bretagne führt, läuft schlecht, ein solider Partner ist weit und breit nicht in Sicht, die Tochter macht ihr mit Vorliebe psychotisch-vorwurfsvolle Hassszenen am Telefon, und als sie ihren Enkel Charly abholen und beim Großpapa irgendwo im Süden abliefern soll, merkt sie erst, wie stark sie sich von ihrer eigenen Familie entfremdet hat. Und dann ist da auch noch eine Einladung einem Jubiläumstreffen für ehemaligen Schönheitsköniginnen in Annecy. Eine Veranstaltungen mit bestenfalls gemischtem Unterhaltungswert. Mehr schon bringt ihr dann das Zusammentreffen mit Charlys Opa väterlicherseits ein, der zunächst äußerst ungalant daherkommt, später dann aber auch andere Seiten offenbart. Und spätestens hier biegt der Film dann auf die genreübliche Hauptstraße ein...
Einerseits schade, wie gesagt, weil Bettie und ihre Familie an sich eine erfreulich struppige, sperrige Truppe sind, und weil Bettie auf ihrer Reise von Nordwest nach Südost auch sonst einiges Merkwürdige widerfährt. Trockener Witz, viel Gefühl fürs Milieu und ein paar hübsch auf den Punkt inszenierte Begegnungen machen die erste Hälfte des Films eindeutig zu der vergnüglicheren, wohingegen die zweite dann wieder eher was „für’s Herz“ ist, so wie man es heutzutage gern hat.erzH
Sogar die umwerfend aggressive, neurotische Tochter muss sich am Schluss dieser Weichspülmanie fügen und plötzlich gute Miene zum bösen Spiel machen, obwohl ihre Auftritte zuvor dazu keinerlei Hinweis gegeben hatten. Am Ende versammelt sich die französische Großfamilie im weichen, sonnigen Licht des Südens unter schattigen Gartenbäumen und steuert unmissverständliche auf harmonische Zeiten hin, und da geht gewiss jeder Versuch unter, dieser Familie mal ein paar mehr Ecken und Kanten angedeihen zu lassen.
Na was soll’s – frankophile Doofköppe wie ich erfreuen sich an hübschen Bildern aus dem Land, allgemein ist der Film schön und liebevoll inszeniert und wartet immerhin mit einigen erinnerungswürdigen Darstellungen auf, und als Vehikel für Catherine Deneuve ist er natürlich eine prima Show, da er ihr unter anderem Gelegenheit gibt, mit ihrem eigenen Image ein wenig zu kokettieren. Mit all den Schwergewichten im Wettbewerb kann er natürlich nicht konkurrieren, und so recht kapiere ich auch nicht, weshalb die Franzosen diesmal nicht mehr zu bieten hatten – aber vielleicht sollte es auch genau so sein. Bei der intellektuellen Filmkritik ist man so natürlich nicht wettbewerbsfähig... (15.2.)