Ende der Schonzeit von Franziska Schlotterer. BRD, 2012. Brigitte Hobmeier, Hans-Jochen Wagner, Christian Friedel, Max Mauff, Thomas Loibl, Rami Heuberger
1970 in Israel: Ein junger Mann sucht einen anderen Mann, findet ihn und bringt ihn dazu, seine Geschichte zu erzählen. Die beginnt 1942 bei seinem Versuch, den Rhein zu überqueren und sie sichere Schweiz zu erreichen. Ein Schwarzwaldbauer aber greift ihn auf und bringt ihn bei sich unter. Schon bald macht er ihm einen merkwürdigen Vorschlag: Er soll mit der Bäuerin schlafen, um endlich für den ersehnten Stammhalter zu sorgen. Widerwillig geht Albert auf den Deal ein, doch nach kurzer Zeit merkt er, dass die Bäuerin Emma mit zunehmendem Engagement bei der Sache ist. Bauer Fritz ist davon nicht erbaut, auch nicht von den hämischen Stimmen der reaktionären Männergemeinschaft drunten im Dorf, und auch nicht von der Aussicht darauf, was eventuell passiert, wenn herauskommt, dass er einen Juden bei sich versteckt hält. Die höchst angespannte Situation darf noch ein bisschen weiter eskalieren, bis Emma endlich schwanger ist und Albert plötzlich doch an die Nazis verraten wird und in Auschwitz endet. Doch – er kommt von dort zurück...
Eine Dreiecksgeschichte im Kammerspielformat, inhaltlich früh vorhersehbar, was aber kein Problem sein muss, wenn die Geschichte so glaubhaft und intensiv vorgetragen wird wie in diesem Fall. Die Szenen aus Israel geben dem ganzen eine notwendige dramaturgische Klammer, zumal Albert erst durch seinen leiblichen Sohn erfährt, wer ihn damals wirklich verriet und weshalb. Die ebenso eifrige wie ahnungslose Wissbegier des Jungen wird gekontert von der Haltung seines Vaters, eines Mannes, der Auschwitz überlebt hat, der alles schon gesehen hat und den wohl nichts mehr wirklich tief berühren kann – mit Ausnahme vielleicht von Emmas Brief, der ihn nach fünfundzwanzig Jahren endlich erreicht und ihm vieles erklärt. Die Erzählung im Zentrum des Films lebt von der starken Spannung zwischen den drei Hauptfiguren einerseits sowie zwischen dem Bauernehepaar und der Dorfgemeinschaft andererseits. In die eher wort- und lieblose, routinierte Bauernehe platzt der junge jüdische Flüchtling und setzt natürlich eine starke und für beide Eheleute fremde Dynamik in Gang, von der alle miteinander gänzlich überrumpelt werden. Emma überwindet sie anfängliche Demütigung, entdeckt ganz neue Gefühle, vor allem als Frau, vor allem auch am Sex, was ihr bislang weitgehend verwehrt geblieben war. Fritz, der ich im Dorf ohnehin allerhand Spott gefallen lasen muss, weil er einfach keinen Sohn zustande bringt, sieht seine Position als erster Mann am Platz akut in Gefahr und ist natürlich auch eifersüchtig, da ihm nicht verborgen bleibt, dass seine Frau zunehmend Spaß an der Sache findet. Albert, der sich zwischen allen Fronten findet, versucht nur, halbwegs heil aus der Situation herauszukommen, und als sich Emma ihn mehr und mehr nähert, stößt er sie vehement zurück, weil ihm nur zu klar ist, dass eine Liebe zwischen Emma und ihm keinerlei Zukunft hätte. Dass er gerade durch seine Zurückweisung Emmas Gefühle tief verletzt, und dass diese Verletzung zu dem Verrat führt, kann er natürlich nicht im entferntesten erahnen.
Hobmeier, Wagner und Friedel spielen hervorragend, machen den enormen emotionalen Druck, der auf allen dreien lastet, fast körperlich erfahrbar. Jeder der drei steht dabei auf andere Weise unter Druck, und der Regisseurin Franziska Schlotterer ist es sehr gut gelungen, die daraus resultierende Dynamik in eindrucksvolle Bilder umzusetzen. Begehren, Rivalität, Angst, Verrat und einiges mehr werden hier in die Waagschale geworfen, Zutaten also für ein waschechtes Melodrama, doch verhält sich der Film insgesamt erfreulich dezent, benötigt kein großes Getöse, um spannend und intensiv zu wirken. Die Konstellation, zumal unter den gegebenen historischen Umständen, ist an sich stark genug, und die Darsteller sind es ohnehin, und so tut die Regisseurin gut daran, alles sorgsam in der Balance zu halten, und sich dann die letzte, doch etwas erschütternde Enthüllung, für zuletzt aufzuheben. Damit spannt sie dann den Bogen zurück in ein anderes Land und ein anderes Leben, das dennoch untrennbar mit dem früheren verbunden und von ihm geprägt wurde – ein kurzer Blick in das Gesicht des fünfundzwanzig Jahre älteren Albert erzählt die ganze Geschichte zwischen 1945 und 1970. (19.2.)