Gold von Thomas Arslan. BRD/Kanada, 2012. Nina Hoss, Marko Mandic, Uwe Bohm, Lars Rudolph, Peter Kurth, Rosa Enskat, Wolfgang Packhäuser
Soso, der Herr Arslan aus der Berliner Schule macht neuerdings auf Jim Jarmusch: Rau grollende, einsame E-Gitarrenklänge (Mr. Young lässt grüßen...) und dazu eine spröd erzählt Geschichte von Leuten, die zu allem taugen, nur nicht zu echten „Westernhelden“. Jau, mal wieder ein deutscher Western und zwar ein richtig ernsthafter und nicht ein lächerlicher Pappkameradenzirkus wie bei Karl May oder so, und alles in allem eine ganz prima Sache.
Anno 1898 machen sich sieben Deutsche auf den Weg durch British Columbia, um anderthalb tausend Kilometer nach Norden zum Klondike zu ziehen, wo die legendären Goldvorkommen zu bergen sind. Die Gruppe dezimiert sich im Lauf der strapaziösen Reise, bis nur noch Emily übrig bleibt. Sie begräbt ihren letzten Gefährten und macht sich auf den Weg weiter nach Norden.
Erwartungsgemäß ist dies kein Western im gewohnten Stil, sondern eine eher sperrige, wortkarge Angelegenheit. Arslan erzählt nicht üppig und ausladend, sondern knapp, in Andeutungen und Skizzen, und dennoch gelingt es ihm brillant, in wenigen prägnanten Szenen eine Gruppe mitsamt ihrer Dynamik und ihren Konflikten zu umreißen, um selbige fortan mehr und mehr aufzulösen, wobei sich die Machtverhältnisse mehrmals verschieben, bis es am Schluss so ist wie häufig: Die Jungs haben sich aufgeopfert, sind in Bärenfallen getreten, nackt in den Wald gerannt, wurden beim Diebstahl erwischt und fast gehenkt, wurden von rachedurstigen Killern erschossen, oder von ihrer Gattin dazu gebracht, Vernunft anzunehmen, was auch immer - die Frau ist in Wirklichkeit die Stärkste, und sie allein zieht einer ungewissen Zukunft entgegen.
Die Bilder aus der grandiosen Weite Kanadas sind eindrucksvoll, die sämtlich äußerst stark gespielten Personen kommen wunderbar zur Geltung, allesamt Glücksritter, die aus dem einen oder anderen Grund dort oben in der fast unerforschten Wildnis zusammengeklommen sind, manche aus New York, aus Chicago, aus Virginia, woher auch immer, alle mit Vergangenheit, alle aus Deutschland oder Österreich-Ungarn immigriert, und alle fest entschlossen, das Glück in Form des Goldes beim Schopf zu fassen, für viele die einzige und letzte Chance. Wir sehen, wie Leute auf der Jagd nach dem Gold dem Wahnsinn verfallen, andere erhängen sich, weil sie es nicht weiter schaffen, überall am Wegesrand Spuren der zumeist vergeblichen Trecks nach Norden, dazwischen ein paar weit versprengte Siedlungen mit misstrauischen Bewohnern, die nicht an die Möglichkeit glauben, bis rauf nach Dawson zu kommen. Das Land verschlingt die, die es erobern wollen, der Wald frisst Ross und Reiter. Dann immer wieder mysteriöse Indianer, die schon gelernt haben, dass man mit verirrten Weißen Geld machen kann, und auch die gute alte Blutrache schlägt letztlich zu, beim wortlosen, lakonischen Shoot-out, der die Frau allein zurück lässt. Arslan greift sich also schon klassische Westernmotive und widmet sich ihnen völlig ernsthaft, doch gibt es hier weder unnötige Feierlichkeit noch erst recht keine albernen Gags oder Ansätze von Ironie. Im Zentrum die großen Bilder, die sorgsam in Szene gesetzten Milieus aus der Halb- oder Totalwildnis, und natürlich Nina Hoss, dunkel, schroff, geheimnisvoll wie so häufig, nur zum Schluss wird ihr Gesicht tatsächlich von dem einen oder anderen Lächeln aufgehellt, nicht weil es eigentlich einen Anlass gibt, sondern weil sie ganz einfach nichts mehr zu verlieren und auch nichts zu fürchten hat. Immer noch besser als in einer trüben Ehe oder der öden Anstellung als Dienstmädchen back in Chicago. Insgesamt ein herausragend guter Film, der viel spannender ist als er vorgibt, der eine schöne klassische Ballade von der Suche nach dem Glück vorträgt, und mir gerade deshalb so gefällt, weil er dies in vollem Ernst und ohne Schnörkel tut. Jaja, es gäbe da schon noch ein paar Auswanderergeschichten zu erzählen... (20.8.)