Night train to Lisbon (Nachtzug nach Lissabon) von Bille August. BRD/Schweiz/England, 2012. Jeremy Irons, Mélanie Laurent, Jack Huston, August Diehl, Martina Gedeck, Tom Courtenay, Charlotte Rampling, Burghart Klaußner, Lena Olin, Christopher Lee
Noch’n oller Nordmann, der in seiner Heimat mit hochklassigsten Werken begann (man denke nur an „Pelle der Eroberer“ oder den großartigen „Die besten Absichten“), bevor er dann international, gediegen und irgendwie auch langweilig wurde. Dieser neuer Film tut leider nicht viel, um diesen Eindruck zu revidieren, er bestätigt ihn im Gegenteil: Ein europäisches Literaturstück, gediegen, solide und irgendwie langweilig. Ein Häppchen Liebesdrama, ein Häppchen Politdrama, ein bisschen Zeitgeschichte und obendrauf ein kleines Sahnehäubchen Philosophie (oder was in diesem Fall als solche durchgehen soll...). Ich habe den dazu gehörigen Bestseller nicht gelesen (anders als 90 % des übrigen Publikums) und spüre nach Anschauen des Films auch nicht gerade einen unwiderstehlichen Drang dazu.
Eine Spurensuche zwischen der Jetztzeit und der Zeit der portugiesischen Militärdiktatur in den 70er Jahren. Ein Lehrer in Bern stößt zufällig auf das Buch eines portugiesischen Arztes und selbsternannten Philosophen, ist von seinen Ausführungen so fasziniert, dass er spontan nach Lissabon reist und sich dort auf die Suche nach Menschen macht, die ihn kannten, und rekonstruiert so schrittweise eine komplexe Dreiecksgeschichte im Schatten der Diktatur. Zwei der drei daran Beteiligten leben immerhin noch, sie kann er fragen und damit ein halbwegs rundes Bild erhalten. Am Schluss muss er sich der Frage stellen, ob er sein eigenes, bislang sehr ereignisreiches und monotones Leben weiter leben oder vielleicht doch einfach in Lissabon bleiben will.
Diese Frage bleibt offen im Raum hängen, ich gebe aber gern zu, dass mir ihre Beantwortung als nicht sehr spannend erscheint, so wie überhaupt wenig in dieser Erzählung wirklich spannend ist. Zu eindimensional sind die Personen und ihre Handlungsmotive, zu konventionell ist das Geflecht aus Eifersucht, Konkurrenz und Verrat, das die kleine Widerstandsgruppe schließlich sprengt. An sich mag ich Geschichten, die sich um eine Spurensuche ranken, mag historisch verankerte Geschichten so wie diesem, finde auch eine Verknüpfung zwischen politischem und privatem Drama okay, wenn es vernünftig gewichtet ist. August entgeht diesem Dilemma ganz einfach, indem er gar nix gewichtet, immer brav hin und her springt zwischen Damals und Heute, und es mag ihm auch nicht recht gelingen, einen Nachhall der doch sehr dramatischen Ereignisse in den Überlebenden sichtbar zu machen. Ein paar aufregende Momente ergeben sich aus dem brutalen Terror der Geheimpolizei PIDE und der ständigen Furcht der Widerständler vor Bespitzelung, Verhaftung, Folterung. Nichts davon aber wird präzise genug ausgeführt, alles bleibt hübsch im Rahmen, die unverbindlichen Postkartenbilder aus dem heutigen Lissabon sollen genau so wichtig sein, und so geht der Film einfach immer weiter, wie immer, wenn niemand Prioritäten setzen will. Folglich bleibt uns auch die Faszination von Amadeus Buch verborgen, mir jedenfalls wollten sich die hier zitierten, sehr feierlichen und pathetischen Gedanken nicht recht erschließen, oder vielleicht bin ich einfach nicht empfänglich für so was.
Das größte Problem, das ich mit dem Film hatte, hängt mit alldem aber gar nicht zusammen. Das sind die Schauspieler hier. Oder besser gesagt, die Besetzung der Rollen. Wir sehen eine große Zahl glänzender und überaus verdienter Leute, und jeden von denen sehe ich normalerweise herzlich gern, die Hälfte von ihnen ist hier jedoch fehlbesetzt. Weder August Diehl noch Burghart Klaußner, weder Bruno Ganz noch Martina Gedeck verkörpern auch nur ansatzweise glaubhafte Portugiesen, sie passen ganz einfach nicht, und da können sie sich noch so sehr anstrengen – es ist nicht ihre Schuld. Tom Courtenay geht grad noch so durch, Lena Olin meinetwegen auch (das Alter stimmt teilweise auch total nicht!), und Irons gibt gebeugt und mit Brille einen ziemlich überzeugend schusseligen, leicht neben dem Leben stehenden Gelehrten, aber alles in allem wirkt die Cast allzu willkürlich zusammengewürfelt, so als hätten die an der Produktion beteiligten Länder darauf bestanden, ein paar ihrer heimischen Stars hier eingesetzt zu sehen, und so ist ein im wahrsten Sinne des Wortes europäischer Film herausgekommen, der aber leider primär nur in Portugal und unter Portugiesen spielt. Das mag sich kleinkariert anhören, aber mich hat’s die ganze Zeit über sehr gestört.
August erweist sich hier wie gewohnt als verlässlicher Handwerker, dem das Wort Inspiration nicht allzu viel zu bedeuten scheint. Er spult die Story runter, knipst ein paar nette Bildchen, lässt nette Musik dazu einspielen, alles gediegen und brav, keine Höhen und Tiefen, und als Geschichtenerzähler ist er immerhin routiniert genug, dass er zwei Stunden unfallfrei über die Zeit bringt. Mehr kriegt er aber auch nicht zustande, und das ist mir grundsätzlich nicht genug. Ich warte mal wieder auf was wirkliches Aufregendes von ihm – oder tue ich das schon gar nicht mehr...? (15.3.)