Sightseers von Ben Wheatley. England, 2012. Alice Lowe, Steve Oram, Eileen Davies, Monica Dolan, Jonathan Aris, Richard Glover
Tina hat endlich einen Mann – Chris, der sie mit seinem Caravan auf eine Tour durch Yorkshire nehmen, ihr seine Welt zeigen und ordentlich Sex mit ihr haben will. Nachdem sie sich erfolgreich von ihrer Alptraummama losgeeist hat, stürzt Tina sich voll Vorfreude ins Abenteuer, das erste Schönheitsfehler kriegt, als Chris scheinbar versehentlich einen Typen mit dem Caravan rammt und platt fährt. Was zunächst als Unfall durchgehen mag, ist in Wirklichkeit der Auftakt zu einer Reihe deftiger Gewalttaten, die eine zusätzliche Dynamik erfahren, als Tina nach anfänglicher Scheu auch Geschmack am Töten findet und mit einsteigt. Sie tut das mit soviel Verve, dass sogar Chris erschrocken ist. Und außerdem ist sie eine Frau und das wiederum heißt: Sie hat das letzte Wort...
Man muss ein ausgesprochen enges Verhältnis zu Humor der allerdunkelsten Sorte haben, um dieses urbritische Machwerk genießen zu können. Zutiefst makaber ist dabei nicht nur die beiläufige Präsentation grässlicher Sterbefälle, sondern auch ein Personal, das nur mit dem Begriff des white trash halbwegs angemessen beschrieben ist. Wirklich sympathische oder auch nur halbwegs normale Gestalten sucht man hier vergeblich, alles nur schräge, skurrile, nervtötende oder ganz einfach widerliche Zeitgenossen, denen man teilweise sogar schon den Tod wünscht. Einfältige Spießer, eklige Aufschneider, alberne Weibercliquen oder ganz einfach schräge Sonderlinge bevölkern eine Landschaft, die atemberaubend schön und auch wieder düster und regenverhangen daherkommt, randvoll ist mit Ruinen, altem Gemäuer und eigentümlichen Museen (die es wohl auch nur in Britannien geben kann), und in der die beiden Liebesvögel ungestört ihre Blutspur ziehen können, ohne auch nur einmal dafür belangt zu werden.
Wie gesagt, ein sauberer Spaß für Freunde originär britischen Humors, besonders geprägt durch die beiden Hauptsdarsteller, die einfach bemerkenswerte Arbeit geleistet und obendrein ihre Rollen scheinbar selbst geschrieben haben, denn in den Credits sind sie als gleichberechtigte Autoren vertreten. Sie haben sich die Tina und den Chris einverleibt mit einer Mixtur aus bösem Sarkasmus, aufrichtigem Mitgefühl und bürgerlicher Satire, wobei auch die herrlich absurden Dialoge eine gewichtige Rolle spielen. So gesehen sind die beiden schon ein besonderes Erlebnis, das den Film allemal sehenswert macht, auch wenn dem einen oder anderen die ganze Chose ein Stück zu blutig und grimmig sein mag. Neben Lowe und Oram finden sich übrigens auch ein paar recht hübsche Karikaturen (die grässliche Mama, der ordinäre Umweltverschmutzer, der impertinente Umweltschützer, um nur einige zu nennen), die das gruselig-spießige Panoptikum vervollständigen.
Ben Wheatley und seine Mitstreiter haben sich genüsslich an allerhand Grenzen herangearbeitet und diese gern auch ein wenig strapaziert. Schwer auszumachen, ob sie dabei einen tieferen Sinn verfolgt haben, als rabenschwarze Groteske mit heftigen Seitenhieben auf den British way of life jedenfalls funktioniert das Ganze bestens. Und wenn ich nicht mutterseelenallein im Kino gewesen wäre, hätte ich bestimmt noch viel mehr Spaß gehabt...(4.3.)