Stoker von Park Chan-wook. USA/England, 2013. Mia Wasikowska, Matthew Goode, Nicole Kidman, Dermot Mulroney, Jacki Weaver, Phyllis Somerville, Ralph Brown

   Wenn ein wilder Koreaner daran geht, seine extremen Phantasien auf Hollywoodverhältnisse zu übertragen und sie in eine den westlichen Gepflogenheiten kompatible Form zu gießen, dann sind mindestens Zweifel angebracht. Oder? Und ob! Man merkt diesem Film in fast jeder Minute an, dass hier jemand bemüht ist, einerseits so suggestiv und andererseits so mainstreamtauglich wie möglich vorzugehen, ohne gleichzeitig sein eigenes Gesicht zu verlieren. Der Sinn des ganzen Unternehmens? Ist mir nicht klar geworden. Freunde dieser besonderen Spielart des Horrors werden sowieso seine koreanischen Filme bevorzugen, Freunde gepflegter, aber eben nicht allzu extremer Gruselware werden ohne Probleme bessere Exemplare ausfindig machen. Herausgekommen ist ein Hybrid, nicht Fisch, nicht Fleisch, nicht reizlos und im Ansatz ohnehin vielversprechend, doch irgendwie ohne Nachklang und Wirkung. Sehr stylish und ein bisschen tot.

   Mia Wasikowska ist sehr eindrucksvoll als junges Mädchen India, das seinen Vater verliert und sich damit konfrontiert sieht, dass plötzlich dessen jüngerer Bruder ins Haus zieht und die Mama mit Beschlag belegt. Bald jedoch zeigt sich, dass Onkel Charlie weniger an der Mama, als vielmehr an ihr selbst interessiert ist, dass Onkel Charlie eine Vergangenheit hat, die so gar nicht zu seinem smarten Äußeren passt und dass dieser Onkel Charlie weiterhin dafür verantwortlich ist, dass ein paar unliebsame Figuren aus den unmittelbaren familiären Umgebung plötzlich verschwinden. Nun ist India ihrerseits alles andere als ein normaler Teenie, und das muss auch Charlieboy einsehen, der im Finale schließlich den kürzeren gegen sie zieht. India, die schon früher gern mit Paps auf die Jagd ging, schießt ihm eine Kugel durch den Wanst und ist so auf den Geschmack gekommen, dass kurz darauf auch noch der doofe Dorfsheriff dran glauben muss, als er sie auf der Straße wegen Geschwindigkeitsübertretung anhält.

   Alles hübsch schräg und nett auf ominöse Atmosphäre hin inszeniert, alles aber auch ziemlich vorhersehbar und gegen Ende schlicht und ergreifend unspannend. Die Konstellation verspricht grundsätzlich so einiges, und wer auch nur einen Film von Park gesehen hat, weiß, wie gut er sich auf die Kunst der Eskalation versteht. Dass er hier und jetzt so handzahm daherkommt, hätte ich nicht erwartet, wobei ich nun wirklich kein Freund blutspritzender Effektorgien bin, aber man hätte diese Story auch ohne Blutvergießen sehr viel nervenaufreibender gestalten können. Das spätpubertierende, abgründige und geheimnisvolle junge Mädchen mit einer fast erotischen Affinität zur Gewalt hat allerhand mit dem völlig durchgedrehten Onkel gemeinsam, was er frühzeitig erkennt und was ihn dazu verleitet, sie als seine Komplizin zu erwählen. Als es dann aber der eiskalten, divenhaften Mama ans Leder geht, spielt sie nicht mit und geht lieber ihren eigenen Weg. Die beiden Protagonisten zelebrieren ihre jeweilige Spielart der Abgedrehtheit sehr kunstvoll, doch bleiben uns die übrigen Personen allzu fern, bleiben reduziert auf schemenhafte Funktionsträger, sogar die Mama gewinnt kaum an Profil. Das Ganze ist nicht mehr als ein etwas lebloses, gekonnt arrangiertes Spiel mit dem Bösen unter der glatten bürgerlichen Oberfläche, ohne sich aber wirklich auf irgendetwas richtig einzulassen. Wir waren gekommen in der Erwartung, wenigstens ab und zu mal woanders hinsehen zu müssen – mussten wir aber nicht, waren aber auch sonst irgendwie nicht bewegt oder gefesselt. Schon ein bisschen enttäuschend.

 

   Und eins ist sowieso klar: Der größte Horror weit und breit ist der traurige Anblick der verzerrten, grotesken, aufgespritzten Gummifratze von Nicole Kidman. Wer mag begreifen, was diese einst so hübsche Frau bewogen hat, aus ihrem Gesicht eine Puppenmaske zu machen, die zu keiner Regung mehr fähig ist? (13.5.)