Take this waltz von Sarah Polley. Kanada, 2011. Michelle Williams, Luke Kirby, Seth Rogen, Sarah Silverman, Aaron Abrams
Boy meets Girl. Beide verlieben sich sofort, sie aber ist schon in festen Händen und braucht einige Zeit, bis sie sich entscheiden kann. Er stellt ihr hartnäckig nach, und schließlich verlässt sie ihren lieben aber auch etwas schusseligen Ehemann und die beiden Liebenden geben sich erst mal ihrer Liebe hin. Mit der Zeit aber muss sie erfahren, dass alles auf Dauer alt wird, auch die größte Liebe – was ja nicht gleich bedeuten muss, dass sie schlechter wird...
Zwei Stunde nimmt sich Sarah Polley Zeit für diese bunte, reichlich unkonventionelle und skurrile Liebesgeschichte, was zum Teil ein Vorteil ist, zum Teil aber auch ein Nachteil. Nachteil heißt in diesem Fall, dass man mit der einen oder anderen Leerstelle zwischendurch rechnen muss, dass die Dramaturgie immer mal wieder etwas durchhängt. Das heißt auch, dass einige vielversprechende und ursprünglich durchaus charmante oder witzige Szenen durch übertriebene Dehnungen an Wirkung und Wert verlieren, und dass Polley bei aller Lust am verbleibenden Moment und am unkonventionellen Erzählen gut daran getan hätte, hier und da die Zügel ein wenig anzuziehen.
Andererseits punktet der Film mit wirklich originellen, sehr liebevoll gezeichneten Figuren, ausgesprochen schönen, in sehr warme und leuchtende Farben gekleidete Bilder und ein hübsches, stark europäisch geprägtes kanadisches Stadtmilieu, in dem die drei Protagonisten und ihre Familien (jedenfalls teilweise) beheimatet sind. Dazu gibt’s einige schön erotische Momente (auch wenn ich auf die etwas unmotivierten Lenny-Cohen-Orgien hätte verzichten können), etliche sehr wahre Wahrheiten über das Zusammenleben, die Ehe, die ewig unterschiedlichen Ansichten von Kommunikation, an denen Männer und Frauen regelmäßig scheitern oder sich wenigstens lebenslänglich abarbeiten. Margot versucht immer wieder, ihrem gemütlichen Gatten Lou romantische, besondere Momente abzuringen, während er lieber Hühnchen für sein geplantes Kochbuch zubereitet, und auch sonst nicht recht einsieht, weshalb die beiden sich am Hochzeitstag unterhalten sollen, wo sie sich doch jeden Tag sehen und alles übereinander wissen. In Szenen wie dieser geht ein wissendes Raunen durch den weiblichen (den bei weitem überwiegenden!) Teil des Publikums, man kann daher davon ausgehen, dass Polley einen Nerv getroffen hat und den tägliche Miteinander auf ebenso amüsante wie verträumte Art dennoch in der Essenz wahrhaftig abbildet. Und Margot wird es ein zweites Mal so ergehen (jedenfalls habe ich diese Szenen so gedeutet), nachdem nämlich der erste Rausch mit Daniel verklungen ist, schleicht sich auch hier eine gewisse lähmende Alltäglichkeit ein, was Margot fast schon so weit bringt, an ihrer Entscheidung zu zweifeln und sich für kurze Zeit wieder ihrem Exmann zuzuwenden.
Michelle Williams ist die ideale Protagonistin für diesen Film, zwischen kindlich, verspielt und sexy, immer ein wenig unberechenbar und eigen, zwischen Verstand und Gefühl zum Teil hoffnungslos verloren, und außerdem fest entschlossen, ihre Sehnsüchte und Träume nicht zu verraten und aufzugeben. Daniel hat leichtes Spiel, Lou, den unbeholfenen Bär auszustechen, gemeinsam erleben sie zauberhafte, verwunschene und poetische Momente, doch wie gesagt, irgendwann müssen Poesie und Zauber etwas anderem, beständigerem weichen, auch wenn eine Hälfte der Menschheit das nicht so gern einsehen will. Na egal, der Film hat einige wunderschöne und durchaus reizvoll-kitzelige Passagen und zwischendurch auch die bereist erwähnten Hänger, insgesamt hätten ihm fünfzehn, zwanzig Minuten weniger gut getan, finde ich, aber für eine hübsch verspielte Lovestory weit abseits des Mainstream reicht es allemal. Ich hoffe jedenfalls, dass sich Sarah Polley als Autorin/Regisseurin diese eigenwillige Perspektive bewahren kann. (20.3.)