Lo imposible (The Impossible) von Juan Antonio Bayona. Spanien, 2012. Naomi Watts, Ewan McGregor, Tom Holland, Samuel Joslin, Oaklee Pendergast, Johan Sundberg, Sönke Möhring, Geraldine Chaplin
Die Bilder der verheerenden Verwüstung durch die Tsunami an Weihnachten 2004 sind noch immer präsent und werden es auch bleiben. Die Ohnmacht angesichts der Zerstörungskraft der Natur, die fast eine Viertelmillion Menschenleben kostete, wird im Gedächtnis haften bleiben. Kein Kinofilm könnte einen wirklich gültigen Eindruck davon vermitteln, was sich damals zutrug, auch nicht unter Einsatz aller heutzutage verfügbaren Technik. Dies versucht Bayona auch gar nicht, er widmet sich ganz konkret und explizit lediglich dem Schicksal einer einzigen Familie, weshalb einer guter Teil der negativen Kritik, der er einstecken musste, von vornherein ins Leere läuft. Hier wird nicht der Anspruch erhoben, ein Panorama der gesamten Katastrophe abzubilden, hier wird auch nicht angestrebt, menschliches Leid gegeneinander aufzuwiegen, und es wird auch nicht so getan, als sei europäisches Leben wertvoller (und deshalb der Verlust desselben beklagenswerter) als asiatisches oder afrikanisches Leben. Es geht tatsächlich nur um eine fünfköpfige Familie, in Wirklichkeit (denn dies ist an eine wahre Geschichte angelehnt) aus Spanien, für den Film in eine britische abgewandelt, sicherlich eine der wenigen Entscheidungen, die man kritisch als blanke Konzession als die bessere Vermarktungsmöglichkeit sehen kann. In der Tat will nicht so recht einleuchten, weshalb der Spanier Bayona nicht einfach bei einer spanischen Familie geblieben ist!
Maria und Henry machen mit ihren drei Jungs Urlaub in Thailand und werden wie viele andere auch von der Flutwelle vollkommen überrascht. Die Familie wird auseinander gerissen – die schwer verletzte Maria versucht, gemeinsam mit dem Ältesten durchzukommen, Henry hat die beiden jüngeren bei sich und sucht verzweifelt nach den beiden anderen. Obwohl es fast unglaublich (bzw. unmöglich, wie der Titel andeutet) erscheint, finden sie tatsächlich in einem der vielen chaotischen und von Toten und Verletzten überfüllten Krankenhäuser wieder zusammen und können nach Singapur ausgeflogen werden.
Bayona hat diesen starken Stoff mit maximaler physischer Intensität erzählt und zwei Stunden extrem mitreißendes, bewegendes und emotional sehr forderndes Kino geschaffen. Für meinen Geschmack – und das wäre auch schon mein zweiter und letzter Kritikpunkt – hat er zum Teil allzu massiv auf Überwältigungsstrategie gesetzt, vor allem was die Verwendung arg gefühliger Musik angeht, und das hätte er absolut nicht nötig gehabt, denn die Bilder, die wahnwitzige Geschichte und die unerhört starken Darsteller hätten für sich genommen schon gereicht, und es kommt streckenweise schon einer Schmälerung ihrer Verdienste gleich, dass viele Szenen mit dieser klebrigen Musiksoße zugepampt wurden. Wahrlich keine gute Entscheidung Bayonas! Aber sonst hat er fast alles richtig gemacht: Die Welle selbst wird nur kurz gezeigt, vielmehr widmet er sich ihren Folgen, dem verzweifelten Überlebenskampf, dem mörderischen Sog, der alles mit sich reißt und ganze Küstenregionen innerhalb weniger Sekunden total vernichtet. Wie Maria endlos lang kämpfen muss, um überhaupt an die Oberfläche zu kommen, wie sie und Lucas trotz ihrer massiven Verletzungen und mit letzter Kraft versuchen, zusammenzubleiben, irgendwo einen sicheren Ort aufzusuchen, wie sie durch die zerstörte, grausam zerfurchte Landschaft waten uns sogar noch einen weiteren Jungen mit sich in Sicherheit nehmen, das sind schon enorm eindrucksvolle Szenen, die man sich so schnell vergessen wird. Auch Henrys entschlossene und zunehmend desperate Versuche, die beiden inmitten des gigantischen Durcheinanders vielleicht doch noch zu finden, werden sehr intensiv gezeigt. Immer wieder fällt der Blick auch nach links und rechts auf Berge und Reihen von Leichen, auf Trauernde oder gleichfalls verzweifelt Suchende. Man kann nicht behaupten, Bayona habe seine Protagonisten ungebührlich exponiert und den Eindruck erwecken wollen, ihr Schicksal sei in irgendeiner Form außergewöhnlich, denn das ist es natürlich nicht, es ist nur eines von vielen hunderttausend. Mehr noch als die Bilder allerdings sorgen wohl die Schauspieler dafür, dass dieser Film so stark wirkt. Vor allem Naomi Watts, Ewan McGregor und Tom Holland scheinen sich buchstäblich die Seele aus dem Leib zu spielen und gestalten ihre Szenen, verdeutlichen den ungeheuren physischen und psychischen Stress ihrer Figuren mit einer Intensität, die wirklich selten ist. Von Watts und McGregor habe ich schon viele sehr gute Darstellungen gesehen, aber auch der junge Tom Holland in der Rolle des Lucas ist wirklich grandios. Hier geht’s um ganz elementare Themen und Gefühle vor dem Hintergrund eines Ereignisses, das die Betroffenen auch zurückwirft auf die ganz elementaren Dinge, denn um mehr kann es nicht gehen als um das schiere Überleben und die Hoffnung, dass die geliebten Menschen ebenfalls überlebt haben. Insofern hält Bayona seine „enge“ Perspektive ganz konsequent durch und bleibt nur bei den Bennetts, was mir wiederum sehr gefallen hat. Wie mir bis auf die oben angesprochenen Einwände dieser Film überhaupt sehr gefallen hat, er hat mich ordentlich durchgeschüttelt und –gerührt, was bei diesem Sujet wohl auch zu erwarten war. Und beim nächsten Mal: Etwas weniger Hollywoodappeal, und alles wäre perfekt! (3.2.)