The place beyond the pines von Derek Cianfrance. USA, 2012. Ryan Gosling, Bradley Cooper, Eva Mendes, Rose Byrne, Dane DeHaan, Emory Cohen, Ray Liotta, Bruce Greenwood, Ben Mendelsohn
Eine sehr amerikanische Geschichte, die Verstrickung zweier Familien in einer Kleinstadt in Upstate New York, viel Schicksal, viel Gewalt, Schuld und Sühne, Rache und Vergebung, natürlich auch Vater-Sohn in vielen Varianten – also so richtig viiiel Amerika. Viel in jeder Beziehung, denn knapp zweieinhalb Stunden dauert dieses Drama, und ich kann nicht behaupten, dass man dies nicht merkt.
Eigentlich ist dies auch nicht nur ein Film, sondern gleich drei, und wer nicht darauf vorbereitet ist, wird sicherlich ziemlich überrascht sein, wie kühn und unvermittelt die Erzählung zweimal springt. Die ersten beiden Episoden empfinde ich dabei als sehr überzeugend und zwingend, die dritte nicht ganz so, denn erstens war ich innerlich schon auf das Filmende gefasst und zunächst nicht bereit, noch eine weitere halbe Stunde auszuharren, und zum zweiten bemüht sich Cianfrance hier allzu sehr, die offenen Fäden aus den ersten beiden Teilen zusammenzubinden und rund zu machen. Das wirkt auf mich nur übermäßig konstruiert und auch unnötig, denn zuvor haben wir zuviel Disharmonie und Konflikt erlebt, um an so was auch nur ansatzweise glauben zu können.
Ein Stuntfahrer erfährt, dass er aus einer flüchtigen Beziehung einen Sohn hat. In dem Bemühen, für Mutter und Kind zu sorgen, wird er zum Bankräuber, eines Tages gestellt und von einem Polizisten erschossen. Dieser Polizist, selbst Vater eines Sohnes, ist Hauptfigur des zweiten Teils. Als Held gefeiert, verstrickt er sich in dubiose Händel und Korruption innerhalb der lokalen Polizeibehörde, verrät schließlich seien Kollegen und steigt zum Justizpolitiker auf. Im dritten Teil treffen die beiden oben erwähnten Söhne nach fünfzehn Jahren zufällig (!) aufeinander, und der Sohn des Stuntfahrers erfährt so, wer sein Vater war und wer ihn getötet hat. Er stellt den Schützen von damals, verzichtet aber auf Rache, kauft sich stattdessen (wie einst sein Vater) ein Motorrad und braust davon.
Cianfrance erzählt ausufernd, zugleich aber auch sehr spannend und dramatisch, er häuft sehr viel Schicksal aufeinander, was in den beiden ersten Teilen noch ganz gut zu verkraften ist, weil es sich besser aufteilt, was dann im letzten Teil aber ein bisschen zuviel wird, eben weil hier alles zusammenkommt. Ryan Gosling (in einer jener typischen Rollen, auf die er mittlerweile festgelegt zu sein scheint) gibt den Außenseiter, den Einzelgänger, unzugänglich, etwas schüchtern, doch mit einem unheilvoll abgründigen Innenleben, das sich schließlich seine Bahn bricht und zu einigen selbstmörderischen Aktionen führt, die früher oder später übel enden müssen. Ursprünglich ein Mann guter Absichten, leider aber auch ein hoffnungsloser Adrenalinjunkie, der, als er erst mal auf den Geschmack gekommen ist, den Kick immer wieder braucht und der sich, so scheint’s jedenfalls, fast freiwillig erschießen lässt. Bradley Cooper als der Polizist gibt den US-Durchschnittsjungen, sauber, freundlich, mit breitem Blick, der sich mehr aus Naivität und Höflichkeit beinahe in eine schmutzige Sache hineinziehen lässt und der sich schließlich als knallharter Karrierist entpuppt und dafür alles andere drangibt, seine Familie eingeschlossen. Im dritten Film sieht man ihn von Frau und Sohn getrennt und unwillig reagierend, als seine Frau ihn ersucht, sich jetzt mal um den Filius zu kümmern, der kurz vor dem Totalabsturz steht. Die beiden Söhne schließlich werden am wenigsten differenziert gezeichnet – normale Vertreter der Spaßgeneration, Feiern, Drogen, wenig Lust auf Zukunft und so weiter, und anders als die beiden Väter wirken sie in diesem Film ein wenig oberflächlich und hart gezeichnet, für mich einer der Hauptgründe dafür, dass dieser letzte Teil am wenigsten überzeugt und damit den Gesamteindruck des Films doch schädigt.
Im Mittelpunkt stehen hier eindeutig die Männer, Frauen kommen bestenfalls am Rande vor und können kaum Profil entwickeln, was auch bedeutet, dass es kaum ein Gegengewicht zu dem archaisch-rauen Gehabe gibt. Klar, in der amerikanischen Mythologie waren es immer die Männer, die alles vorangetrieben haben, während sich die Frauen darum kümmern mussten, Heim und Familie zusammen zu halten. So ist es auch in dieser Geschichte, also wem’s gefällt.. Dazu darf Bruce Springsteen im Soundtrack natürlich nicht fehlen, völlig klar, und am Ende muss der verlorene und wiedergefundene Sohn im Gedenken an seinen Vater quasi in den Sonnenuntergang reiten, vor allem weg von dem, was war, und voran in eine ungewisse Zukunft, zugleich ein moderner und ganz archaischer Held.
So könnte man noch ein bisschen weiter machen und all die hinlänglich bekannten Motive und Klischees aufzählen, derer sich Cianfrance hier bedient. Er tut dies teilweise durchaus gekonnt und mit viel Sinn für Dramatik und Wirkung, er hat starke Schauspieler und starke Bilder zur Verfügung, und wenn er nach zwei Dritteln aufgehört hätte, wer weiß, vielleicht wäre sogar ein richtig guter Film draus geworden. Hat er aber leider nicht... (2.7.)