Ummah – Unter Freunden von Cüneyt Kaya. BRD, 2012. Frederick Lau, Kida Khodr Ramadan, Burak Yiğit, Mona Pirzad, Sami Nasser, Eray Egilmez, Tamer Arslan, Robert Schupp

   Der doofe Trailer verrät schon viel zu früh, was sich im Film erst nach und nach erschließt. Richtig ärgerlich im nachhinein, dass man all das schon vorher weiß, denn die Hauptfigur Daniel umgibt eigentlich bis ziemlich zum Schluss eine eher mysteriöse, dubiose Aura. Man sieht ihn zu Beginn nach einer blutigen Schießerei mit zwei Toten, sieht, dass wenigstens einer offenbar Nazi ist, hört später im Fernsehen von einer Schießerei im Neonazimilieu, sieht Daniel, wie er selbst angeschossen davon kommt, sieht ihn später zusammen mit einem Anzugträger, den er vehement auffordert, ihn aus der Schusslinie zu ziehen, damit er endlich mal ein normales leben führen kann. Er kriegt eine Wohnung für solche Zwecke zugewiesen, ausgerechnet in Neukölln, was ihm vom Berliner Taxifahrer als schwieriger Kiez schmackhaft gemacht wird. Der Anfang ist erst mal steinig, die Wohnung eine Bruchbude, die nette Nachbarin erst mal nur lästig und der Fernseher, dem er beim Araber nebenan kauft, im Eimer. Mit just jenem Araber aber gerät er zuerst fast widerwillig näher in Kontakt und ziemlich bald hat sich daraus eine nette Freundschaft entwickelt, die dazu führt, dass Daniel erstmals Zugang zu islamischen Kreisen kriegt, was wiederum dazu führt, dass er das eine oder andere Fettnäpfchen trifft (mit Alkohol auf einer Hochzeit auflaufen etwa). Als dann einige Anzugträger von früher auftauchen und Daniel wieder einspannen wollen und als zugleich die Kunde von einer Korruptionsaffäre beim Verfassungsschutz die Runde macht und einige von Daniels neuen Freunden aus dem Kiez von der Polizei bedrängt werden, scheint es an der Zeit, aufzuräumen. Das tut Daniel in der Tat, macht damit den Skandal öffentlich, bezahlt dies aber mit seinem Leben. Tödlicher Unfall auf der A 10 heißt es abschließend – schon klar.

 

   Was sich erst mal liest wie ein echter Polit- und Verschwörungsthriller, ist in dieser interessanten Variante eher ein Milieufilm, der sich mit viel Liebe zum Detail ins Neuköllner Multikultileben stürzt und ganz offenbar sehr darum bemüht ist, einen klaren Akzent für Annäherung, Freundschaft, Toleranz zu setzen. Wir Zuschauer dürfen uns dabei ertappen, unsere Seh- und Denkgewohnheiten auf die Probe zu stellen, denn wer hegte nicht zwischendrin den einen oder anderen Zweifel oder verdacht, ob unsere islamischen Brüder aus der Kommune wirklich alle so harmlos und nett sind, wie es scheint? Selbst wiederholte und wirklich himmelschreiende Polizeischikanen entfachen keinen Hass oder Fanatismus, und selbst als Jamal auf Daniels Rücken ein Tattoo entdeckt, das auf eine sehr dunkle Vergangenheit Daniels schließen lässt, setzen sich Misstrauen und Abwehr nur ganz kurzzeitig durch, um bald darauf von dem überaus offenen und gutgläubigen Abbas wieder zerstreut zu werden. Die Großherzigkeit der Araber ist ebenso einnehmend wie ihr Humor, ihr Zusammenhalt, ihre Langmut, denn allüberall gibt es Berichte von willkürlichen Verhaftungen und Drangsalierungen. Unter einer streckenweise fast komödiantischen Oberfläche schleicht sich immer wieder die traurige bundesdeutsche Realität ein, und das einzige, was ich dem Film vorwerfen würde, ist die eher verwaschene Präsentation des Verfassungsschutzes, der sich in den letzten Jahren so manche Zumutung geleistet hat und durchaus als Zielscheibe für schärfere Attacken geeignet ist. Aus irgendeinem Grund möchte sich der Regisseur scheinbar nicht allzu sehr darauf einlassen, die politische Argumentation zu strapazieren, er setzt eher auf zwischenmenschliche Interaktion im Kiez, erzielt damit auch eine beachtliche Wirkung, unter anderem durch die starken und sehr sympathischen Darsteller und seine sehr angenehm unaufdringliche Erzählweise. Für meinen Geschmack hätt’s ein bisserl mehr Politik sein dürfen, aber auch so ist dies auf jeden Fall ein überaus sehenswerter und eindrucksvoller deutscher Gegenwartsfilm der einfach eine immens wichtige Botschaft zu verkünden hat: Bei allem, was uns vielleicht auf den ersten Blick trennt, gibt es doch mehr, was uns verbindet. Man muss sich nur darum bemühen und gegebenenfalls das eine oder andere Vorurteil aus dem Weg räumen. Und siehe da: Es geht! (18.9.)