A most wanted man von Anton Corbijn. England/BRD, 2013. Philip Seymour Hoffman, Rachel McAdams, Grigori Dobrygin, Nina Hoss, Robin Wright, Rainer Bock, Homayoun Ershadi, Daniel Brühl
Willkommen einmal mehr in John le Carrés Paralleluniversum, eine Welt innerhalb der „realen“ Welt, gleichzeitig aber auch eine Welt, die irgendwie neben der anderen steht, nur eine oberflächliche Bindung zu ihr hat, obwohl die Städte, Straßen, Häuser die gleichen sind. Die Welt der Spione, der Geheimdienste, der Profiparanoiker, Verschwörungsfetischisten, der Menschheitsretter, jener, die sicher sind, auf der richtigen Seite zu stehen. Intrige, Misstrauen, Konkurrenz, Sabotage kennzeichnen ihre Zusammenarbeit, die genau deshalb auch keine ist, weswegen genau deshalb immer wieder größere und kleinere Katastrophen passieren können – auch in Zukunft, soviel wissen wir nach diesem Film, der uns keinerlei Illusionen diesbezüglich lässt. Nur ganz wenige integre Geheimniskrämer sind wirklich an unserer Sicherheit interessiert, allen anderen liegt (Überraschung!) nur am Erhalt ihrer Macht und an einer profitablen Allianz mit anderen Mächtigen.
Mr. Bachmann gehört zu denen, die dieser bitteren, ernüchternden Einsicht teilhaftig werden. Ein Geheimdienstler, ein Konspirativer, ein Terrorbekämpfer alter Schule, unscheinbarer Grottenmolch, aber einer mit der richtigen Nase, einem guten Team im Rücken und einer Hartnäckigkeit, die es ihm am Ende umso schwerer fallen lässt, den Mistkerlen vom BND und CIA den Vortritt lassen zu müssen. So wie im Falle Issas, einem tschetschenischen Flüchtling aus Russland, der in Hamburg Unterschlupf findet und natürlich sofort alle wachsamen Organisationen in Alarmbereitschaft versetzt – Hamburg – Muslime – da war doch was anno 9/11? Bachmann allerdings erkennt schnell, dass von Issa selbst wenig Gefahr ausgeht. Viel interessanter ist ein Deal, den er mit einem wohlhabenden Reeder abzuschließen plant: Issa will das viele schmutzige Geld seines Vaters, eines russischen Kriegsverbrechers loswerden und wohltätigen Zwecken stiften. Just dieses bietet Dr. Abdullah an, in Wahrheit jedoch wird das Geld wohl eher in terroristische Kanäle fließen, die Abdullah fleißig füttert. Bachmann möchte über Issa an dieses Netzwerk rankommen, der BND und die Amis jedoch sind eher an dem schnellen Fang interessiert, auch ganz im Sinne des eigenen Images und eingedenk der Tatsache, dass Abdullah eine prominente Person des öffentlichen Lebens ist und eventuelle Verwicklungen zu befürchten wären. Sie lassen Bachmanns die Vorarbeit leisten und räumen am Ende ab - Issa wird kassiert, die Hintermänner, an die Bachmann ran wollte, kommen wie gewohnt ungeschoren davon.
Eine melancholische Ballade, kunstvoll gehüllt in bestechende Bilder aus dem herbstlichen Hamburg, das so effektvoll fotogen selten zu sehen war. Das reale Leben, das um diese Menschen herum vor sich geht, ist kaum wahrnehmbar, Corbijn gelingt es, den hermetischen le-Carré-Kosmos perfekt umzusetzen, die eigentümlichen Halbschattenexistenzen zwischen labyrinthischen Hafenszenerien, irgendwelchen obskuren Kellerverliesen und gelegentlichen Besprechungen in anonymen Konferenzräumen der entsprechenden Behörden. Wie immer bleibt unklar, ob Issa möglicherweise nicht doch ein finsterer Fanatiker ist, darum geht es auch nicht, es geht um ein Weltbild aus Paranoia und ganz altmodischer Selbstgerechtigkeit, dem Leute wie Bachmann nachhängen. Ihm ist schon klar, dass die offiziellen Geheimdienste nicht auf seiner Linie schwimmen, doch seiner tiefen Frustration am Schluss entnehme ich doch, dass er sich verraten und verkauft fühlt, was einen so erfahrenen Hund wie ihm eigentlich nicht mehr aufregen dürfte, da es ihm bestimmt schon x-mal passiert ist. Wenn Bachmann sagt, dass es ihm um die Sicherheit geht, meint er es auch so, ganz ungeachtet der Methoden, die er einsetzt, die sicherlich nicht so rücksichtsvoll und brutal sind wie die der „Großen“, die aber die eine oder andere Rechtsverletzung jederzeit in Kauf nehmen. Sein kleines Team besteht aus Profis, die ihren Job aus Überzeugung machen, obwohl man nicht mehr darüber spricht. Kein coolen Anzugträger oder Waffenschwinger, eher elegante Spione der alten Schule. Le Carrés leise Sympathie für diese alte Schule hindert ihn nicht daran, ihr folgerichtiges Scheitern in der modernen Welt zu konstatieren, in der die Strippenzieher schon längst nicht mehr an die ursprüngliche Mission glauben, sondern wesentlich komplexeren Interessen nachgehen. Typen wie Bachmann und seine Truppe fallen unweigerlich durchs Raster, werden bestenfalls geduldet, im Ernstfall aber jederzeit beiseite geräumt, sobald sie ihre Rolle gespielt haben. Das ist richtig Oldschool, und dem hat Corbijn in jeder Hinsicht Rechnung getragen, hat einen sorgfältigen, ganz ruhigen, altmodischen Spionagefilm ohne Action und Blutvergießen inszeniert, der dennoch einen dichten Sog erzeugt und bis zum Ende spannend bleibt. Erzählrhythmus, Optik und Herbie Grönemeyers stilvoller Soundtrack bilden eine perfekte Einheit, nur die Schauspieler sind fast schon verschwenderisch eingesetzt, soll heißen, von manchen Akteuren hier wie Hoss oder Brühl hätte ich gern viel mehr gesehen, obwohl Philip Seymour Hoffman natürlich eine starke Hauptrolle gibt.
Alles in allem ein richtig guter, klassischer und dennoch thematisch aktueller Spionagefilm eines brillanten Ästheten. Ich bin gespannt, welchem Projekt er sich demnächst zuwendet. (29.9.)