Das Jahr geht zu Ende, die Saga von Mittelerde auch. Wenn den Cracks in der Marketingabteilung nicht noch irgendwas ganz Schlaues einfällt, war‘s das jetzt mit den Geschichten um Hobbits, Elben und ihresgleichen, und grad zur Weihnachtszeit wird uns schon was fehlen (auch die Harry-Potter-Leute wären hier gefragt), denn so eine schöne Portion Breitwandfantasy kurz vor den Feiertagen war immer genau das Richtige, um sich wenigstens kurzfristig aus dem zunehmend unerfreulichen Realgeschehen zu verabschieden.

   Was das angeht, hat uns Peter Jackson noch mal ein sehr hübsches Paket geschnürt, hat das gewaltige Epos zu einem fulminanten, wahrlich würdigen Finale geführt und uns eine fette volle Kelle Eventkino hingeklatscht. Wenn der Film schon im Titel von der Schlacht der fünf Armeen spricht, darf man mit Fug und Recht ein Spektakel erwarten, das in diesem Bereich neue Maßstäbe setzt. Es erübrigt sich fast zu betonen, dass Meister Jackson was das betrifft nicht weniger als ganze Arbeit geleistet hat, und wen sowas noch beeindruckt, der wird wie in allen fünf vorausgegangenen Tolkienfilmen auch mit glasigem Blick in die ostwestfälische Nacht straucheln. Mission erfüllt sozusagen. Zweieinhalb Stunden lang werden Effekte aufgetürmt, die in ihrer schier unerschöpflichen visuellen Üppigkeit und Detailfreude ihresgleichen suchen, und im Vergleich zu „Smaugs Einöde“, der hier und da ein wenig hakte, ist die Dramaturgie diesmal wieder voll intakt, der Film ist spannend, mitreißend, dramatisch, emotional, sicherlich ein wenig (zu) pathetisch in einzelnen Teilen, und er findet zum Schluss sogar ein wenig Ruhe und Frieden, lässt die Saga ausklingen, indem sie direkt zur Fortsetzung überleitet, wenn der 111-jährige Bilbo seinen alten Freund Gandalf als überraschenden Geburtstagsgast willkommen heißt, ganz so und mit genau den gleichen Worten, wie es in „Die Gefährten“ geschieht.

   Meine Zweifel, die ich im Zusammenhang mit dem zweiten Hobbitfilm äußerte, bleiben natürlich bestehen, auch wenn mir dieser dritte und letzte Teil alles in allem deutlich besser gefallen hat. Jackson und seine Co-Autorinnen haben den kleinen Hobbitroman genommen und aus ihm die Teile vier bis sechs der Ring-Trilogie gemacht, oder um inhaltlich korrekt zu sein, die Teile eins bis drei. Manche der vorausdeutenden Verweise sind ganz apart, manches versteht man im Nachgang ein wenig besser, weil es hier ein bisschen mehr Hintergrund dazu gibt, doch wird Jacksons offenkundige Absicht, optisch, dramaturgisch und thematisch ganz direkt an den Herrn der Ringe anzuschließen (und wer würde ihm da nicht auch handfeste kommerzielle Erwägungen unterstellen?), dem Tolkienbuch einfach nicht gerecht. Nun bin ich kein Tolkienexeget, brauche also nicht empört zu sein, und die Freiheit der Kunst besteht ja auch darin, eine Vorlage in ein anderes Medium zu übertragen und die den Erfordernissen, Wünschen und Regeln entsprechend anzupassen. Also löst man den Film am besten vollständig vom Buch, betrachtet ihn als etwas ganz Eigenständiges und beurteilt ihn erst dann.

   Genau wie im Mittelteil gelingt es Jackson hier nur sehr bedingt, eine tragfähige Balance aus Effektgewitter und „Zwischenmenschlichem“ (wenn man es mal so nennen will in diesem Kontext) herzustellen. Die zu Tolkiens Zeit durchaus noch salonfähigen Motive wie Heldentum, Treue, Tapferkeit, für König und Vaterland etc., sind heutzutage schlicht passé (oder sollten es auf alle Fälle sein!), und wie schon im Herrn der Ringe tut Jackson auch diesmal nichts, um diese längst überholten Werte irgendwie zu relativieren oder wenigstens nicht so in den Vordergrund zu stellen. Die Liebesgeschichte zwischen einem Zwerg und einer im Buch ohnehin nicht vorkommenden Elbin ist eine ärgerlich platte Konzession an eine möglichst breite Zielgruppe und hat hier einfach keinen Platz. Der viel interessantere weil eben einzigartige Bösewicht Smaug ist leider schon nach einer Viertelstunde erledigt, danach wenden wir uns dem endlosen Aufmarsch furchteinflößender Kreaturen sprich der Finalschlacht zu, die aber nicht viel mehr leistet als das Schema der ersten Trilogie noch mal anzuwenden, natürlich viiiel größer. Als Zuschauer hört man aber irgendwann auf, die Übersicht behalten zu wollen, versucht viel eher, sich an bekannten Gestalten zu orientieren. Nicht nur wir sind da teilweise etwas überfordert - auch die handelnden Personen tun sich überaus schwer, inmitten des grandiosen Schlachtgetümmels überhaupt wahrgenommen zu werden. Mein grundsätzlicher Einwand gegen diese drei Filme bleibt also bestehen, wird auch durch den letzten Teil nicht revidiert. Jacksons Ehrgeiz, sich selbst noch zu übertreffen, ist ihm in die Quere gekommen und hat verhindert, dass die Hobbit-Trilogie ein eigenständiges, dem Tonfall des Buchs angemessenes Werk wird. Die CG-Maschinerie hat sich ein Stück weit verselbständigt, übernimmt zu größten Teilen die Regie, die Zwischentöne kommen durchgehend zu kurz. Beim Herrn der Ringe ging mir das streckenweise auch schon so, da bot dann die Blu-ray-Edition Abhilfe, indem zusätzliche, aus den Kinofassungen geschnittene Szenen eingebaut wurden, die dem Ganzen ein wenig mehr Substanz gaben. Ich bin gespannt, ob das beim Hobbit auch so sein wird, freuen würde es mich, denn natürlich ist das Projekt ehrgeizig und spektakulär genug, um wenigstens ein halbwegs befriedigendes Resultat zu zeitigen.

 

   Fantasykino einerseits hat immer mit Effekten zu tun, läuft also auch immer Gefahr, von Effekten dominiert zu werden. Das Gesetz des Marktes andererseits schreit nach immer größeren, gewaltigeren Effekten, nur wird diese Spirale irgendwann ins Nichts laufen, und wenn ich mir die Machwerke so ansehe, die regelmäßig die Multiplexkinos dominieren, habe ich das dringende Gefühl, dass das schon längst passiert ist. Immer hohlere, abstrusere Varianten werden uns da aufgetischt, und ich frage mich schon, wer mal den Mumm hat, diesem fatalen Trend etwas entgegenzusetzen, eine Kehrtwende anzustoßen. Peter Jackson ist ganz offensichtlich nicht derjenige, und deshalb hat er mich auch ein wenig enttäuscht diesmal, auch wenn ich natürlich nicht ernsthaft damit gerechnet hatte, dass er der Versuchung widerstehen könnte. Tolkiens Hobbit hätte Gelegenheit geboten, Fantasy mal anders zu gewichten, ohne dabei die Schauwerte zu vernachlässigen, denn die bietet der Roman allemal auch. Jackson hat die XXL-Variante gewählt, die unoriginellste aber zugleich sicherste, hat das kleine Buch mit allen möglichen Motiven und Figuren aus dem Tolkien-Universum „angereichert“ und so versucht, acht Stunden Spektakel zu rechtfertigen. Gute Unterhaltung ist ihm dabei gelungen, ich hatte aber irgendwie mehr erwartet und bin diesmal, ganz anders als beim Herrn der Ringe, nicht restlos überzeugt. So gesehen ist es nur gut, dass das Thema Tolkien nun endgültig ausgereizt ist – oder…? (21.12.)