The two faces of January (Die zwei Gesichter des Januars) von Hossein Amini. England/USA, 2013. Viggo Mortensen, Oscar Isaac, Kirsten Dunst

   Die Romane von Patricia Highsmith sind ein Fest fürs Kino und wie geschaffen für die Könner der Zunft: Raffiniert ausgefeilte, delikat abgründige Psychospiele, die sich in der Regel zwischen einer kleinen Handvoll Personen zutragen, gern auch vor fotogenen europäischen Schauplätzen, und nicht nur mit den Ripley-Romanen hat sie es auf ihrem Gebiet zu ziemlich unerreichter Meisterschaft gebracht. Diese Meisterschaft wird erst so recht deutlich, wenn man sie mal mit neueren KollegInnen vergleicht, die ihren offensichtlichen Mangel an Imagination und Inspiration durch schrille, absurd überzogene Gewaltszenarien zu kaschieren versuchen oder sich alternativ in Vulgärpsychologie flüchten. Beides keine geeigneten Mittel, um einen Vergleich mit der Meisterin auszuhalten.

   Trotzdem – oder gerade deshalb – erweisen sich Highsmiths Romane als sehr anspruchsvoll und gar nicht so leicht zu adaptieren, wie es vielleicht den Anschein hat, wenn man ihre äußerst präzise, suggestive, eindringliche Sprache und ihre gekonnt konstruierten Plots bedenkt. Etliche Filme gibt es, doch mindestens die Hälfte von ihnen sind mehr oder minder misslungen, einige so richtig krass, und wenige nur lassen sich als würdig und adäquat bezeichnen. Hitchcock ist natürlich in vorderster Linie zu nennen, aber auch Wenders, Clément oder Anthony Minghella bis hin zu anderen, die immerhin

ganz ordentliche Bearbeitungen hingekriegt haben.

   Hossein Amini reiht sich mit seinem Film irgendwo in dieser Kategorie ein. Kein großes Meisterwerk, aber auch kein völliger Fehlschlag, gerade so dazwischen, gute Unterhaltung in jedem Fall, aber auch nicht mehr. Den besonderen Touch, das gewisse Etwas, das nur die besten Highsmith-Verfilmungen prägt, habe ich hier nur in einzelnen Szenen, nicht aber durchgängig entdecken können, finde andererseits aber schon, dass Amini als Autor den Erzählton ganz gut trifft.

   Eine Geschichte von Betrug, Rivalität, Abhängigkeit und Konkurrenz zwischen Athen, Kreta und Istanbul anno 1962, als die Welt irgendwie noch sauberer, schöner und fast unschuldiger wirkte. Ein junger Amerikaner, der in Athen als Fremdenführer jobbt, vorzugsweise aber naive junge Touristinnen abzockt, wird auf ein Ehepaar aufmerksam, das ihn neugierig macht, anzieht: Er begehrt die junge Frau und der deutlich ältere Ehemann erinnert ihn an seinen Vater, der neulich beerdigt wurde, und zwar in seiner Abwesenheit. Eher durch unglückliche Umstände und Zufälle manövrieren sich die drei in eine fatale Zwangslage, aus der es keinen Ausweg zu geben scheint, da man gegenseitig aufeinander angewiesen, sich quasi gegenseitig ausgeliefert ist. Nach einem weiteren unglücklichen und keineswegs so gewollten Zusammenstoß kommt auch noch die Frau zu Tode, und die beiden Männer versuchen fortan, irgendwie außer Landes zu kommen, der Polizei zu entkommen, und auch voneinander loszukommen. Das Finale in Istanbul: Der Ältere stirbt und gesteht seine alleinige Schuld, entlastet den jüngere. Der besucht ihn später an seinem Grab, so als habe er in ihm den lang und schmerzlich vermissten Vater gefunden.

   Wie schon Minghella in seinem kongenialen Ripley-Film gelingt es auch Amani, ein sehr attraktives, pittoreskes, zugleich nostalgisches und klischeehaftes Bild von jener fernen Zeit zu kreieren, als Europa, speziell der Süden und Osten noch den Ruch von Exotik besaß, zumindest für die Amis, die sich hier reizvoll fremd vorkamen, gebrochene Helden sozusagen. Die Optik ist wahrlich hinreißend, leuchtend, stimmungsvoll, und der schön altmodische Rhythmus wirkt total angemessen. Wo es deutlich hapert, sind die Charaktere selbst, die mit Ausnahme des jungen Rydal, dessen Ambiguität sehr wirkungsvoll eingesetzt wird, zu wenig Tiefe und Form haben. Vor allem Kirsten Dunsts Colette ist viel zu blass, fast nichtssagend und eignet sich in dieser Version auch nicht wirklich als Objekt der Begierde, jedenfalls, wenn man mich fragt. Highsmiths Absicht, die drei Hauptpersonen auch relativ gleichwertig gegeneinander abzuwiegen, ist hier gründlich misslungen, wurde wohl aber auch gar nicht erst angestrebt, denn außer ab und zu mal vieldeutig zu lächeln und von den Machenschaften ihres Mannes zunehmend angewidert zu sein, hat Colette eigentlich gar nichts zu tun. Mortensen hat die interessantere Rolle, einen Versicherungsbetrüger der trübsinnigen Art, der selbst keinen rechten Spaß mehr an seinen Fischzügen zu haben scheint, zumal ihm die Geprellten überall auf den Fersen sind. Seine junge Frau ist sein mit Abstand wertvollster Besitz, ihn will er um jeden Preis für sich behalten, und so ergibt sich bald ein eifersüchtiger Hahnenkampf mit dem jüngeren und viel attraktiveren Rydal, dem Colette natürlich sogleich schöne Augen macht. Das Verhältnis der beiden zueinander ist von merkwürdiger, in dem Film aber kaum ausgearbeiteter Vieldeutigkeit: Einerseits Rivalen um die Frau, andererseits fast so etwas wie Vater und Sohn, doch nimmt sich Amani im Unterschied zu Highsmith nicht die Zeit und den Raum, dieses spannende Feld gründlicher zu bestellen, er geht zu gradlinig vor, setzt zu wenig inhaltliche Schwerpunkte, erzählt die Story in neunzig Minuten linear runter und versäumt es mehrmals, an den richtigen Stellen die Akzente zu setzen. Schade, denn hier wäre Potential für mehr vorhanden gewesen. Positiv finde ich immerhin, dass er die Schauplätze ein wenig eingrenzt, und dies auch sehr sinnvoll, denn ein Finale in Istanbul erscheint mir hier viel naheliegender als eines in Les Halles oder Marseilles.

 

   Wie gesagt, stilvolle, schön anzusehende Kinounterhaltung ist allemal dabei herausgekommen, für einen weiteren Highsmith-Klassiker reicht‘s aber nicht, die bilden weiterhin einen exklusiven, kleinen Club für sich. (2.6.)