Ein Geschenk der Götter von Oliver Haffner. BRD, 2014. Katharina Marie Schubert, Adam Bousdoukos, Marion Breckwoldt, Paul Faßnacht, Katharina Hauter, Rainer Furch, Rick Okon, Canan Kir, Maik Solbach, Eva Löbau, Felix Knopp

   Die Schauspielerin Anna verliert ihr Engagement am Ulmer Stadttheater, dem einzigen Haus am Platz. Die Agentur für Arbeit hat ihr nicht viel zu bieten (Überraschung…), doch eine übereifrige Sachbearbeiterin bietet ihr einen Ausweg a, und urplötzlich sieht sie sich einer Gruppe hochmotivierter KandidatInnen gegenüber, die eigentlich einen Computerkurs erwarten, nun aber mit der Aussicht konfrontiert werden, Sophokles‘ Antigone zu lesen und dann aufzuführen. Das Unterfangen gerät wie erwartet holprig, doch wie erwartet gibt’s am Ende eine bejubelte Aufführung, und das allerletzte Bild vom sonnenbeschienene Athen legt nahe, dass auch Annas Privatleben wieder in die Reihe kommen könnte.

   Klingt verdächtig nach irgendeinem Wohlfühlfilm mit Sozialtouch der letzten Jahre, hat auch alle Zutaten dafür, ist aber dennoch nicht ganz einer geworden, denn dem Autor/Regisseur ist es geglückt, die schlimmsten Kitschfallen zu entschärfen und ihnen ein bisschen echtes Gefühl entgegen zu setzen. Selbstverständlich ist der Verlauf der Story in beinahe jedem Punkt vorhersehbar, denn egal, worum es geht, um Strippen, Blechbläser, irgendeine Sorte Sport, Singen, Tanzen oder weiß der Henker was, das Prinzip ist immer gleich: Eine Gruppe von Menschen, die am Rande der Gesellschaft stehen, durchs soziale Raster zu fallen drohen oder dies bereits hinter sich haben, entdecken angesichts ihrer Lage außergewöhnliche Fähigkeiten und dürfen am Schluss einen großen Triumph genießen. Es geht um Stolz, um Mut, um Integrität und darum, wahrgenommen zu werden. Manche dieser Filme waren toll, später dann nutzte sich das Schema gründlich ab und ist mittlerweile zur wohlfeilen Schablone fürs Programmkino verkommen, was eigentlich bitter schade ist. Gut, dies am Rande, dieser Film hier beruft sich exakt auf oben dargestelltes Schema und schafft es trotzdem, nicht seifig oder kalkuliert zu wirken, sondern durchaus sympathisch und echt. Er bringt uns das Prinzip des Leistungsfaschismus‘ in Erinnerung (das ist mal ein Wort, das mir gefällt!), in dem eigentlich alle stecken (und nicht nur in der BRD wohlgemerkt) und in dem alle wie blöd strampeln und rackern, nur um der Pleite und dem bösen A zu entkommen. Diejenigen, die das nicht schaffen, landen dann in den Mühlen der Bürokratie und in eine jener Maßnahmen, die ebenso vergeblich wie unsinnig wie lächerlich wie praxisfern sind. Insofern packt Anna noch eins obendrauf: Was bitteschön hat Antigone damit zu tun, einen neuen Job zu kriegen? Berechtigte Frage, die bis zuletzt unbeantwortet bleibt, und gottlob tischt uns Oliver Haffner auch keine idiotische Erfolgsstory auf und legt irgendwie nahe, dass die Beteiligten nach gelungener Aufführung wieder in Lohn und Brot kommen. Aber sie haben sich überwunden, haben etwas bewiesen, als Einzelner und als Gruppe, haben ihren verlorenen Stolz ein Stück weit zurückgewonnen. Ansonsten wird ein Spektrum repräsentativer „Fälle“ vorgestellt, vielleicht ein bisschen schematisch im Ganzen, ganz normale Leute, die aus unterschiedlichsten Gründen ins Straucheln geraten sind. Kann jedem passieren, jederzeit, richtet aber ganz schnell sehr viel Schaden an, und auch darum geht es hier. Die Situationskomik und die sanfte Ironie sind ein Teil des Films, der kühle Blick auf die strampelnde Gesellschaft ein anderer. Ganz wichtig dabei ist, dass keine falschen Töne dabei sind und die Schauspieler passen, und beides trifft tatsächlich zu. Die winterlich trüben Bilder lassen keine Chance für Programmkino-Sozialromantik aufkommen, kein penetrant dudelndes Orchester untermalt die emotionalen Momente, und die versammelten Hartz-IV-Cracks sind wirklich gut getroffen und wirken sehr äh authentisch. Also ein Film, der Laune macht, der aber auch tiefer geht und eine Realität anspricht, die tagtäglich in jedermanns Kopf ist und uns während unseres Berufslebens nicht mehr loslassen wird. Keine Neuerfindung des Rads, klar, aber dennoch Respekt für die gekonnte Umschiffung der einschlägigen Untiefen! Und den „Leistungsfaschismus“ merk ich mir auf jeden Fall… (14.10.)