Avis de Mistral (Ein Sommer in der Provence) von Rose Bosch. Frankreich, 2014. Jean Reno, Anna Galiena, Chloé Jouannet, Hugo Dessioux, Lukas Pélissier, Aure Atika, Tom Leeb

   Das ist nie im Leben ein Kinofilm, das ist nichts weiter als ein Hundertminutenclip des südfranzösischen Fremdenverkehrsamtes. Eine Region feiert sich selbst, dazu gibt’s ein paar hübsch anzuschauende Postkarten, jedes nur erdenkliche Klischee, das uns im Zusammenhang mit der Provence einfallen könnte und eine Story, die seichter ist als die Gewässer der Camargue. Also ich meine, ich habe nichts gegen einen netten Sommerfilm, und gerade im Moment kann ich leichte Unterhaltung durchaus gut gebrauchen, und meine Vorliebe für Frankreich und französische Filme treibt mich ja doch immer wieder ins Kino, auch wenn ich‘s im Stillen schon besser weiß, aber wenn die Knaben fortfahren, derart schamlos schlechte Wohlfühlfilme zu produzieren, dann werde ich ihnen früher oder später untreu, ich schwör‘s!

   An diesem Film stimmt rein gar nichts, keines der vielen Themen wird vernünftig verarbeitet, keine Emotion ist glaubhaft, er ist von vornherein so total durchschaubar einzig auf gefällige Oberfläche konzipiert, das ich zu keiner Zeit zu irgendeiner der vorgeführten Personen irgendeine Beziehung herstellen konnte. Die Bilder kommen direkt aus der Hochglanzbroschüre des Tourismusverbands („Jaaa…guck mal, da warn wir auch!“) , die Story ist mit der heißesten Nadel hurtig zusammengestrickt und die Figuren sind durch und durch hohl und klischeehaft, lieblos entwickelt, zum großen Teil auch lieblos dargestellt, selbst wenn ein Charakterkopf wie Reno sicherlich sein bestes versucht. Brummiger Opa aus dem Süden trifft auf blasierte Stadtenkel aus Paris, dazwischen die gutherzige Oma. Alle provençalischen Einwohner kommen direkt aus dem Folklorekabinett, dort unten ist das Leben überhaupt eine einzige Fiesta, zwischen Boule, Stierkampf und viiiel Wein bzw. Pastis wird nix ausgelassen (oder doch: man sieht gar keine Lavendelfelder!), und dann tummeln sich noch ein paar Schwedinnen und Engländerinnen, die vorübergehend Jagdbeute für unseren einfältigen Testosteronjunkie aus der Hauptstadt abgeben. Dämlicher geht’s nicht. Ach ja – Althippies kommen noch ins Spiel, Bob Dylan, Nostalgie und Zikaden in der lauen Sommernacht, Gitarre und schwelgen in Erinnerungen am Lagerfeuer, eine mütterliche Dorfschönheit mit viiiel Dekolleté und ihr noch schönerer Bruder, der unsere naive Hauptstadtschwester unter LSD defloriert, um sich nach vollbrachter Mission Richtung Ibiza abzusetzen. Nicht zu vergessen die „ernsten“ Akzente, die komplizierte und von Trennungen und Misstönen durchzogene Familiengeschichte nämlich, die von unserem Hauptstadtjüngsten, einem ganz reizenden taubstummen Kerlchen, mit einer einzigen Geste auf dem Bahnhof von Avignon flugs gekittet wird.

   Die Provence hat ja immer schon inspiriert zu viel Schwärmerei, zur Feier von Lebensart, Schönheit und Genuss, meinetwegen, und ich hätte mich sogar auf sowas eingelassen, wenn es denn halbwegs vernünftig angestellt worden wäre. Das hier ist blöd und platt und rundum ärgerlich und ungefähr so wie der deutsche Titel. Das aufregendste an so einem Kinobesuch ist das Klirren der Weingläser, die unseren wie erwartet zahlreich vertretenen Akademikern todsicher während der Vorstellung umkippen und die dann immer ganz nach unten rollen, geleitet vom verlegenen Kichern der Verursacher. Dennoch ist das Geld für diesen Wein allemal besser angelegt als für den Kinobesuch. (11.10.)