Kvinden i buret (Erbarmen) von Mikkel Nørgaard. Dänemark/Schweden/BRD 2013. Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Sonja Richter, Mikkel Boe Følsgaard, Peter Plaugborg

   „Ein besser Tatort“, blökt irgendein Depp in der Reihe hinter mir, und das ist natürlich blühender Unfug. Mag sein, dass ich durch meine generelle Skandinavien-Vorliebe ein wenig blind auf dem kritischen Auge bin, habe aber andererseits schon reichlich mittelmäßiges Zeug aus der Region gelesen und gesehen, unter anderem durchaus einiges, das eben dieses Urteil rechtfertigt, kann also schon die Unterschiede zugeben. Das hier ist aber kein mittelmäßiger Dänenkrimi, das ist ein richtig guter, wenn auch zugegeben vielleicht nicht so gut, wie er hätte sein können. Der Depp aus der Reihe hinter mir hat zumindest in einem Punkt recht, was nämlich den Umfang angeht, der nur knapp über dem unveränderlichen 90-Minuten-Format im TV liegt. Meine beiden Mitstreiterinnen und ich waren uns abschließend sehr einig, dass dieser Film unbedingt eine halbe Stunde länger hätte sein müssen, um dem zunehmend dramatischen Wettlauf mit der Zeit besser gerecht zu werden. Die besseren Wallanderfilme und vor allem die Millenniumfilme haben es vorbildlich exerziert mit jeweils besten Resultaten – und das wäre hier auch im Bereich des Möglichen gewesen. Gute anderthalb Stunden sind für diese Geschichte zu knapp, alles geht am Schluss etwas zu schnell, die Dramaturgie bekommt nicht die nötige Entfaltung. Ich kenne Jussi Adler-Olsens Romane (noch) nicht (eine seltene Lücke, die ich vielleicht doch mal schließen sollte..), kann mir aber lebhaft vorstellen, dass seine mehr als vierhundert Seiten besser nutzt, vor allem auch, was die Ausmalung der Personen angeht, erst recht der Nebenfiguren, denn auch hier ist der Film recht dünn geraten. Selten nur gilt die Formel „viel hilft viel“, hier aber hätte ich persönlich gern ein wenig mehr gehabt.

   Aber sonst? Ein paar markante Charaktere, erstklassig gespielt von erstklassigen Schauspielern, eine sehr gradlinige, straffe Erzählführung (die bei aller unziemlicher Kürze vielleicht doch den einen oder anderen überflüssigen Seitenstrang gekappt hat, die oft typisch sind für Nordmannkrimis), dichte, dunkle Bilder und eine Story, die zumindest mich fast von Beginn an in Spannung versetzt hat und diese bis zum Schluss stetig hat steigen lassen. Natürlich weiß man, dass der muffligem, traumatisierte Einzelgänger und überzeugte Nicht-Lächler Mørck und sein in jeder Hinsicht netter und positiver eingestellte Kollege Assad die seit fünf Jahren festgehaltene Merete höchstwahrscheinlich gerade noch zurecht finden und retten werden, doch ist ihr Weg bis dorthin, die häufig behinderte und unterbrochene Recherche einfach spannend, und zumindest meine Aufmerksamkeit war zu keinem Zeitpunkt abgelenkt. Auch den Täter und seine Motivation lernt man nicht erst fünf Minuten vor Schluss kennen, aber das finde ich eigentlich noch besser und hat in diesem Fall dazu beigetragen, dass das Finale noch ein Stückchen dramatischer ausgefallen ist.

   Falls hieraus eine ganze Serie werden soll, kann’s mir nur recht sein. Ich wünsch mir dann nur, dass die Produzenten ähnlichen Mut haben wie bei Stieg Larsson, sprich den jeweiligen Geschichten auch auf der Leinwand den Raum zur Entfaltung geben, den sie unbedingt brauchen, um zur vollen Wirkung zu gelangen. Sonst besteht dann doch die Gefahr, dass möglicherweise sehr gute Vorlagen zu farblosen Durchschnittsproduktionen werden, wie das beispielsweise bei Arne Dahl oder Åke Edwardson leider der Fall ist. Das habe ich sehr bedauert und brauche noch mehr Enttäuschungen in dieser Richtung eigentlich nicht mehr. (25.1.)