Bai ri yan huo (Feuerwerk am hellichten Tag) von Diao Yinan. China, 2013. Fan Liao, Lun Mei Gwei, Xuabing Wang, Wang Jingchun, Yu Ailei

   Eine Liebe geht bitter zu Ende, Leichenteile tauchen plötzlich überall in der Provinz auf, eine versuchte Festnahme endet für das Polizeiteam im Fiasko, und was vermutlich ein Serienmord ist, wird nicht aufgeklärt. Dann sind auf einmal fünf Jahre vergangen, und aus der Hauptfigur Zhang, einem der einst ermittelnden Polizisten, ist ein dem Alkohol verfallener Wachmann geworden. So lakonisch, spröd und beunruhigend wie diese Exposition gerät der gesamte weitere Film, der sich thematisch womöglich dem alten Film Noir verpflichtet fühlen mag, der aber stilistisch und ästhetisch kaum daran erinnert. Statt suggestiver, schattenreicher Städtelandschaften erwartet uns hier bleiche, winterliche Ödnis in irgendeiner chinesischen Provinzstadt, maximale Tristesse in einer Mischung aus Mao-Mittelalter und freudloser Moderne, die ihre Bezeichnung eigentlich auch nicht verdient. Statt effektvoller Synthese aus Bild und Ton karge, schmucklose Bilder, kaum einmal Musik, und wo uns einst in den 40ern und 50ern die vielfach gebrochenen Helden irgendwie doch nahe und auf jeden Fall attraktiv waren, herrscht hier sperrige, grimmige Distanz, sehen wir einen Ex-Bullen, dessen Innenleben bis auf ganz wenige Spuren weitgehend unerforschtes Terrain bleibt. Die Story wird in Ellipsen – tja – erzählt, und alles in allem scheint es deutlich mehr um Atmosphäre zu gehen, über die sich das bestürzende Zwischenmenschliche dann doch mitteilt.

   Immerhin – die femme fatale von einst ist noch da, wenngleich sie sich keinerlei Mühe gibt, eine lockende Honigfalle zu sein, im Gegenteil wehrt sie die hartnäckigen Nachstellungen des anfangs neugierigen, danach verliebten Zhang noch ab, bevor sie dann etwas mehr Nähe zulässt, und sicherlich geht ihr jede katzenäugige Berechnung einer Veronica Lake oder Lauren Bacall ab. Ihr Blick bleibt zumeist gesenkt oder abgewandt, und es kostet Herrn Zhang viel Zeit und müh, bis er ihrem Geheimnis endlich vollumfänglich auf die Spur gekommen ist. Schön zu wissen, dass sich auch im fernen China die Männer ebenso für ihre Frauen aufopfern, wie im nahen Hollywood, wo sich die Jungs rudelweise ins Unglück gestürzt haben nur eines einzigen Augenaufschlags wegen. Auch Herr Zhang ist entschlossen, aufs Ganze zu gehen, zunächst um Frau Wu zu beschützen, später dann, um sie endlich von der Last der Schuld zu befreien. Interessanterweise bleibt er moralisch gesehen immer Polizist, scheint zu keiner Zeit darüber nachzudenken, sie vielleicht entkommen zu lassen, die Wahrheit weiterhin zu verschleiern. Vielmehr lässt er sich von seinen Ex-Kollegen beglückwünschen und zuprosten, statt einmal mehr als trauriger Verlierer abzuziehen.

 

   Der Film lebt also von dieser perfekt zelebrierten, schroffen Melancholie, die, ohne jemals explizit zu werden, sehr klar Auskunft gibt über Land und Leute. Das Miteinander ist auf rohe Gesten reduziert, wirkliche Zärtlichkeit ist kaum in Sicht, man gibt nichts von sich preis und will auch nichts über den anderen wissen, Gewalt, Wut, Trauer werden stumm und verbissen ausgelebt, eine intakte menschliche Gemeinschaft ist nirgendwo in Sicht. Wie die meisten der leider nur höchst selten hierzulande zu sehenden chinesischen Gegenwartsfilme zeigt auch dieser ein nüchternes, illusionsloses Porträt, und ohne dass in irgendeiner Weise politisch argumentiert wird, sieht, fühlt man jederzeit, woher diese Illusionslosigkeit rührt. Spannend ist der Film sicherlich eher nicht, zugänglich oder bequem im Konsum erst recht nicht, gottseidank, möchte man sagen, als eine rare filmische Botschaft eines in vieler Hinsicht noch immer merkwürdig abgeschotteten Landes jedoch ist er von großem Wert und höchstem Interesse. Manchmal ist Kino eben auch Arbeit. (29.7.)