Night Moves von Kelly Reichardt. USA, 2013. Jesse Eisenberg, Dakota Fanning, Peter Sarsgaard, Alia Shawkat, Logan Miller, Katherine Waterston

   Die Story ist ein Thriller, nennen wir‘s Öko-Thriller: Zwei junge Umweltaktivisten, Josh und Dena, und Harmon, ein etwas älterer Ex-Marine bilden eine Gruppe, die eine Staudammsprengung vorbereitet, um endlich ein Zeichen zu setzen gegen die fortschreitende Ausbeutung und Misshandlung der Natur und ihrer Ressourcen. Die Aktion wird in die Tat umgesetzt, doch offensichtlich kommt ein Wildcamper versehentlich dabei ums Leben. Dena kann mit dieser Schuld nicht leben und fängt an zu reden, Harmon setzt Josh auf sie an und schließlich tötet Josh das Mädchen. Danach verlässt er seine Landkommune, wo man ihn sowieso als Risiko empfindet, fährt nach Kalifornien und sucht sich dort einen Job in einem Trekkingladen.

   Dann ist die Geschichte einfach zu Ende, aber wer andere Filme Kelly Reichardts kennt, wird nicht überrascht sein – der „Western“ „Meek’s Cutoff“ endete ähnlich, genauso wie das spröde Drama  „Wendy & Lucy“, alle drei scheinen sich eher Ausschnitt zu verstehen mit dem deutlichen Hinweis, dass das Leben hernach weitergeht und zwar durchaus mit total ungewisser Perspektive. Hier wird nicht nur eine kleine Gruppe endgültig zerrissen, auch in größerem Zusammenhang werden die Erschütterungen spürbar bleiben. Eine im Kern gut gemeinte, wenn auch kriminelle Aktion wird zur Katastrophe, weil ungewollt ein Mensch stirbt. Die kleine benachbarte Landkommune ist entsetzt, alle verstehen sofort, dass die Aktion ihre eigentlichen Absichten diskreditieren und gerade jenen in die Karten spielen wird, für die sie eh nur linke Spinner sind. Nur der betont abgebrühte Harmon hat damit augenscheinlich kein Problem, während Josh und Dena den Tod des Campers nicht so einfach abschütteln können. Josh ist zudem noch von einer anderen Sache gezeichnet, nämlich von einem vorübergehenden Techtelmechtel zwischen Dena und dem scheinbar völlig desinteressierten Harmon. Was für die beiden nicht mehr als eine flüchtige Affäre ist, wird zum bleibenden Problem für Josh, der seinerseits starke Ambitionen Dena betreffend hatte und nun einsieht, dass er bei ihr keine Chance haben wird. Verletzung, Enttäuschung und Eifersucht bohren in ihm und ermöglichen letztlich auch, dass er fähig ist, Dena zu töten.

   Reichardt bleibt ihrem Stil treu – alles ist sehr reduziert, spröde, vor allem die filmischen Mittel, die betont sparsam, unauffällig wirken. Die Story wird fast beiläufig erzählt, dramaturgische Höhepunkte werden nicht anders abgehandelt als die Momente zwischendurch, die bei Reichardt sowieso immer wichtiger erscheinen. Das coolste ist diesmal aber, dass ihr trotz all ihrer Bemühungen um eine gedämpfte, unkommerzielle Erzählweise einige fast schon klassische Suspensemomente gelingen, auf die jeder Meister des Genres absolut stolz wäre. Denas Versuch beispielsweise, die zum Bombenbau noch fehlenden zweihundertfünfzig Kilo Ammoniakdünger zu beschaffen und den misstrauischen Mann im Verkaufsbüro entsprechend zu überreden. Oder das haarsträubende Spiel mit der Zeit, als der Zeitzünder bereits läuft und just in diesem Moment draußen auf der Straße gleich neben dem Staudamm ein Typ einen platten Autoreifen wechseln muss. Oder die nicht weniger aufreibende Polizeikontrolle kurz nach der Explosion. Oder auch die finale Konfrontation zwischen Dena und Josh. Dies sind für sich genommen ganz feine Kabinettstückchen aus dem Thrillerlehrbuch, nur dass Reichardt sie natürlich total anders aufbereitet. Frappierenderweise funktionieren sie trotzdem und sind irre spannend, was uns den deutlichen Wink mitgibt, dass es gar nicht immer besonderer Effekte oder Anstrengungen bedarf, wenn eine Szene nur gut getimt ist. Und das kriegt Reichardt in den aufgezählten Beispielen fabelhaft hin.

 

   Ansonsten bleibt sie auch ihrer Vorliebe für ländliche Milieus treu, meidet die Städte, geht raus ins Land und interessiert sich für Personal, das im herkömmlichen US-Mainstream selten oder gar keinen Platz hat. Ein bisschen habe ich auch an Debra Granik gedacht, die allerdings im Einsatz der Mittel deutlich stärker in Richtung düsteres Drama tendiert. Jedenfalls sind dies Filmemacherinnen mit ausgeprägt eigenem Stil, ganz sicher keine Kandidatinnen fürs leichte Sommerkino, aber das können wir getrost anderen überlassen. „Night Moves“ ist ein wirklich interessanter, wenn auch sperriger und wenig kassentauglicher Film, der sich erfolgreich auf entsprechenden Indie-Festivals tummeln wird, und dort gehört er auch hin. Fast schon erstaunlich bei dem aktuellen Überangebot an Wohlfühlkram, dass er seinen Weg auch nach Bielefeld gefunden hat… (26.8.)