Nymphomaniac 2 von Lars von Trier. Dänemark/Frankreich/BRD/England, 2013. Charlotte Gainsbourg, Stellan Skarsgård, Stacey Martin, Jamie Bell, Shia LaBoeuf, Mia Goth, Willem Dafoe, Jean-Marc Barr
Natürlich gibt’s kein Happy End, hätt ich mir schon denken können. Just als ich glaubte/hoffte, die arme Joe wäre vielleicht am Ende ihres schmerzvollen Weges angekommen und hätte etwas Frieden sowie in dem schrulligen Einsiedler Seligman so etwas wie einen allerersten Freund gefunden, wird diese kurze Illusion jäh zerstört: Er tritt mit runtergelassener Hose wieder an ihr Bett, versucht, seine bislang brachliegende „Männlichkeit“ an ihr irgendwie aufzurichten und seine These über das männliche Geschlecht in die Praxis umzusetzen und macht sie doch noch zur Mörderin. Immerhin ist Herr Lars so gnädig, einen schwarzen Mantel über das düstere Geschehen zu decken, aber das damit Joes Leben endgültig vernichtet sein dürfte, ist schon klar. Ist eben doch ein oller Pessimist, der Herr Lars, aber das weiß jeder, der mehr als einen Film von ihm kennt, und also war ich auch nicht wirklich überrascht.
Zuvor immerhin dürfen wir Joe auf Teil zwei ihrer wunderlichen Reise begleiten, und man nimmt schon wahr, dass der Ton sich zunehmend verdüstert. Die verspielten, satirischen Momente fallen diesmal fast völlig unter den Tisch, wir haben es höchstens noch mit grotesken Verzerrungen der bürgerlichen Moral zu tun, ansonsten vor allem mit einer Frau, die verzweifelt gegen ihre Dämonen sprich ihre zunehmend selbstzerstörerische Sexsucht kämpft und gegen ihre verfluchte Muschi, die ihr keine Lust mehr bescheren will, was immer sie auch dagegen tut. Sie unternimmt alle möglichen schrägen Abenteuer, sie unterwirft sich noch ausgefallenerer Therapien (Jamie Bell als Peitschenschwinger, wer hätte das gedacht…), sie lässt sogar Mann und Kind im Stich, doch erst als sie das junge Mädchen P kennenlernt und im Gewerbe der Schuldeneintreiberin anlernen soll, scheint sich das Blatt zu wenden, scheint sich eine neue Liebe und neues Gefühl anzubahnen. Am Schluss aber bändelt P mit Joes Exmann an, eine Pistole versagt, Joe wird bös verprügelt, und so bleiben nur Einsamkeit und Selbsthass. Joe nimmt auch Seligmans Angebot nicht an, die Verantwortung für ihre gesamte verkorkste Sexualität den Männern in die Schuhe zu schieben, obwohl es auch in diesen beiden Filmen Anlass genug dazu gäbe, aber letztlich weiß sie selbst, dass die Ursachen ihrer Nöte irgendwo anders liegen, und dass sie genau dorthin muss, um sich vielleicht doch mal befreien zu können.
So gesehen bewegt sich Teil zwei deutlich näher in Richtung eines Psychodramas, das schon die eine oder andere Frage nach Geschlechterrollen oder Selbstverwirklichung stellt, von einem ernsthaften soziologischen Exkurs aber kann naturgemäß keine Rede sein. Von Trier liebt die ambivalente Pose, wechselt zwischen Empathie, ironischer Distanz, gekonnt durchsichtiger Provokation und den durchaus noch vorhandenen Resten des klassischen Dogmadramas, das den Menschen immer ein wenig dichter auf die Pelle rückt, als man es normalerweise gern hätte. Genau das aber macht diese beiden Filme aus, die für meinen Geschmack längst nicht zu den besten des Herrn Lars zählen, die aber immer noch kontroverser und spannender sind als das meiste, was man sonst zu sehen bekommt. Man mag Joe mit der eher distanzierten und wissenschaftlich getarnten Haltung Seligmans begegnen, dem zu jedem Sachverhalt gleich ein Gesetz oder sonst ein schlauer Merksatz einfällt, man mag Spaß an ihren skurrilen erotischen Exkursen haben oder aber sie als Opfer weiblicher Verwirrung auf dem schwierigen Weg zur Selbstfindung sehen - oder nichts von alledem! – sie ist auf jeden Fall eine komplexe, interessante Figur, womit von Trier seiner beachtlichen Reihe starker Frauenfiguren eine weitere hinzugefügt hat. Charlotte Gainsbourg ist ihm einmal mehr eine kongeniale Darstellerin, in Stacy Martin hat er eine tolle junge Joe gefunden, und Stellan Skarsgård darf sein brillantes Talent für ambivalente Charaktere zur Geltung bringen. Und wem gar nichts Besseres dazu einfällt, kann sich auch gern über explizite Bilder ereifern – gibt’s solche Leute heute wirklich noch…? (22.4.)