Only lovers left alive von Jim Jarmusch. England/BRD, 2013. Tilda Swinton, Tom Hiddleston, Mia Wasikowska, John Hurt, Anton Yelchin, Slimane Dazi, Jeffrey Wright
Acht Jahre mindestens sind vergangen seit den “Broken Flowers”, seither habe ich nix mehr von Meister Jarmusch gehört (die „Limits of Control“ sind irgendwie an mir vorübergezogen), weswegen sein neuestes Werk also aus verschiedenen Gründen einen erfreulichen Jahresauftakt bildet. Ehrlich gesagt habe ich dem Jarmusch-Kult immer genauso misstraut wie jedem anderen Kult, andererseits hat mir aber schon immer imponiert, mit welcher Konsequenz dieser Mann seien Filme strikt außerhalb des Mainstream macht – wie man lesen kann, hatte er für dieses Projekt sage und schreibe sieben Millionen Euro zur Verfügung. Für das Geld wechselt Tom Cruise nicht mal seine Schlüpfer...
Adam und Eve sind ein Paar seit vielen Jahrhunderten – keine ordinären Blutsauger, sondern Vampire mit Stil und Kultur. Sie residiert in Tanger und macht in Literatur, ist mit dem mittlerweile etwas hinfälligen Christopher Marlowe befreundet und genießt allgemein die südliche Lebensart. Ganz anders Adam, ein miesepetriger Einzelgänger, der allein in einer Bruchbude in Detroit lebt und in musikalischen Erinnerungen schwelgt. Ein wenig Todessehnsucht gepaart mit viel Weltschmerz, und also muss sich Eve auf die Socken machen, einen Nachtflug buchen und rüber rutschen zu ihrem Liebsten. Gestört wird ihre innige Zweisamkeit alsbald durch Eves kleine Schwester Ava, einen lebenslustigen, quirligen Vamp, die genau wie ihr Schwager besonders auf Blutgruppe 0 negativ steht, gern feiern geht und das Leben allgemein nicht so schwer nimmt – womit sie natürlich beim jederzeit todernsten Adam total unten durch ist. Als sie dann aus einer spontanen Laune Adams einzigen Kontakt und Lieferanten Ian austrinkt und obendrein eine Menge wertvollen Vinyls und – am allerschlimmsten! - eine historische Gitarre zu Bruch gehen lässt, ist der Ofen aus, Ava fliegt raus und die beiden nach Tanger, wo sie Marlowe sterben sehen, um ein Haar selbst verhungern und sich schlussendlich doch entgegen ihrer Prinzipien an einem nächtlichen Liebespärchen vergreifen.
Eine wunderschön gefilmte, dunkle, elegante Nachtschattenballade, die von ihren charismatischen Darstellern und dem zauberhaften Witz lebt, einer fast durchgehend spürbaren, spielerisch feinen Ironie, mit der Jarmusch zu dem derzeit extrem populären Genre von vornherein total auf Distanz geht, ohne es jedoch zu denunzieren oder sich mit Hilfe platter Gags abzugrenzen. Das somnambule Treiben der beiden trägen Feingeister wird mit Zuneigung und Sympathie begleitet, ihr spielerisches Gleiten durch jahrhundertelanges Lebens, durch ihre Erinnerungen, Eves wohliges Savoir Vivre im mythischen Tanger, Adams unbehauste Existenz in der völlig menschenleeren Geisterstadt Detroit, seine gelegentlichen Ausflüge in eine nahe Klinik, wo er einen Arzt dafür bezahlt, dass der ihm von Zeit zu Zeit einen frischen Vorrat an reinen Blutkonserven besorgt, vor allem aber seine ebenso intensive wie ernsthafte Liebe zur Musik. Diese teilt natürlich Mr. Jarmusch voll und ganz, und so lässt er es sich denn auch nicht nehmen, alte Soulklassiker zu spielen, Adams düster dräuende Eigenkompositionen erklingen zu lassen oder auch eine junge nordafrikanische Sängerin in einem Café beim Auftritt zu filmen. Unsere beiden bleichen Hipster verbindet zudem eine wirklich romantische Liebe, die all die vielen Jahre und Kilometer Entfernung überdauert. Vor allem Tilda Swinton ist wunderbar als milde Vampirlady, die sich in unendlicher Geduld ihrem mundfaulen, anämischen Griesgram widmet, ihn immer wieder aufbaut, ins Leben zurück schubst und ihn obendrein dazu bringt, die schräge Ava wenigstens für einige Zeit unter seinem Dach zu dulden und sogar die kostbaren Vorräte mit ihr zu teilen. Auch die Chemie dieser beiden – der fröhlich kichernden, unbekümmert schillernden Ava und dem schwerblütigen, übellaunigen, reichlich temperamentlosen Adam – ist eine Show für sich und wird zudem von Hiddleston und Wasikowska fabelhaft realisiert.
Insgesamt ist dies ein sehr originelles, geistvolles Vergnügen, der vielleicht witzigste Film, den ich bislang von Jarmusch gesehen habe, und ein feines Wiedersehen mit einem US-Filmemacher, der sich wirklich seine Eigenständigkeit bewahren konnte. (6.1.)