Pride von Matthew Warchus. England, 2014. George MacKay, Ben Schnetzer, Andrew Scott, Dominic West, Jessica Gunning, Paddy Considine, Bill Nighy, Imelda Staunton, Monica Dolan

   Kennie Loach muss stolz auf sie gewesen sein, way back in the Eighties: Schwule und Lesben sammeln in London für streikende Bergarbeiter in Wales, denen ihre Existenz unter den Füßen weggezogen zu werden droht. Einen harten Winter harrt man aus, rauft sich zusammen, kämpft und bangt, gewinnen tun sie nicht so recht, aber im Sommer ‘85 sind dann die Jungs aus den Minen am Zug, kommen mit mehreren Bussen nach London und treten an auf der bis dato größten Kundgebung für die Rechte von Homosexuellen im United fucking Kingdom. Und anders als die Streikenden, die ihre Ziele nicht durchsetzen konnten, dafür von der Eisernen fucking Lady wieder an die Arbeit gezwungen wurden, gelang es den Schwulen und Lesben wenigsten ansatzweise, Fuß zu fassen in der britischen Öffentlichkeit und endlich auch vor dem Gesetz irgendwie als Menschen durchzugehen.

   Schrille, bunte, schräge Vögel aus der Hauptstadt in der Provinz, ausgerechnet unter Kohlekumpeln, die das Testosteron ganz groß auf ihre Fahnen geschrieben haben und die sich, wie manch einer aus der Szene zu berichten weiß, gern mal einen Spaß draus machen, einer miesen Schwuchtel ordentlich auf die Fresse zu hauen. Eine eher unwahrscheinliche Allianz, aber eine, die historisch tatsächlich stattgefunden hat, eine fantastische Mischung aus Bronski Beat und Billy Bragg, Arbeitskampf und Emanzipationsbewegung. Was sie letztlich zusammenführte? Ganz einfach, beide waren Randgruppen, Außenseiter, Unterprivilegierte, beide hatten gleichermaßen zu leiden unter der Thatcherpest, die das Land unerbittlich im Würgegriff schüttelte, und als der engagierte, umtriebige Mark eines morgens vor die Tür ihres kleinen Ladens tritt und erstaunt feststellt, dass die Bullen alle weg sind, weiß er: Die sind nicht weg, weil die Regierung uns plötzlich alle lieb hat, die sind weg, um anderswo einer anderen Minderheit das Leben schwer zu machen. Als dann die Medien die ersten Berichte von den großen Streiks und der zum Teil dramatischen Situation in kleinen Bergbausiedlungen bringen, ist der Anstoß gegeben, Mark mobilisiert flugs ein paar Leute, die stellen sich mit Eimern an die Straßen und schon die ein paar hundert Pfund beisammen. Klar, dass die fröhliche Truppe oben im sperrigen Wales nicht gerade mit offenen Armen aufgenommen wird, aber nach ganz viel Hin und Her siegt der gesunde Menschenverstand – leider nicht überall…

   Es kommen aber noch etliche andere Themen zu Wort, und wenn ich die eine kleine Schwäche dieses ansonsten sehr sehenswerten Films benennen würde, ist es eben dies: Er packt zuviel in zwei Stunden hinein, eröffnet eine ganze Menge privater Schauplätze, hat noch eine coming-of-age-story zu bieten, Aids natürlich auch, ein spätes Coming out und vieles mehr, was für sich genommen in das Setting schon hineinpasst, aber einen einzigen kleinen Film letztlich überfrachtet und die Gefahr mit sich bringt, dass am Ende nichts so richtig entwickelt wird.

   Abgesehen davon ist das hier sehr gefühlvolles, eindrucksvoll intensives Kino, das auch einem kalten Fisch wie mir gelegentlich eine kleine Gänsehaut über den Buckel laufen ließ. Die typisch britische Mischung aus Witz, Herz und politischem Bewusstsein funktioniert hier prächtig, zumal der Feelgood-Faktor nicht so dominiert, das alles in den üblichen banalen, seichten Quark gerührt wird. Viele Aspekte der 80er-Jahre-Gesellschaft kommen zur Sprache, die Verhärtung aller Fronten unter dem wachsendem Druck der Thatcher-Herrschaft, die offen zur Schau gestellte und sozial allgemein akzeptierte Homophobie, gleichzeitig das Thema Aids und die Folgen für alle möglichen gesellschaftlichen Gruppen. Da gibt’s nichts zu beschönigen, das wird auch hier nicht gemacht, wenn es auch Drehbuch und Regie durchaus gelingt, vielem auch einen humorvollen Aspekt abzugewinnen. Mal wird’s frech, mal frivol, mal auch recht nachdenklich, unterm Strich wird vor allem eine humanistische Botschaft für Toleranz und Solidarität und gegen Unterdrückung  verkündet, und wer wollte sich dem schon entziehen.

 

   Die große Besetzung ist erste Sahne, alle sind mit vollem Elan bei der Sache, junge Gesichter und arrivierte Kinostars, der Regisseur hat das Tempo im Großen und Ganzen gut im Griff, auch wenn man die zwei Stunden Spielzeit schon spürt, vor allem das 80er-Jahre-Flair ist perfekt getroffen, und einen wie mich schüttelt’s da ein wenig, denn in mancher Hinsicht, ich denke da vor allem an die Musik, ist dieses Jahrzehnt für mich ein schwarzes Loch. Ansonsten ist dies tolles, großes, unterhaltsames britisches Kino in bester Tradition, und wenn ich an Wohlfühlfilme und die Franzosen denke, dann bleiben die Brits halt oft noch auf der guten Seite. Vielleicht gerade weil sie oft einen politischen oder sozialen Unterbau haben. (3.11.)