The Grand Budapest Hotel von Wes Anderson. England/BRD, 2014. Ralph Fiennes, Tony Revolori, Saoirse Ronan, Edward Norton, Adrien Brody, Willem Dafoe, Jude Law, F. Murray Abraham, Jeff Goldblum, Mathieu Almaric, Léa Seydoux, Tilda Swinton, Harvey Keitel, Bill Murray, Florian Lukas, Owen Wilson, Tom Wilkinson

    Dies ist nun schon mein fünfter Wes-Anderson-Film, und bei allen sicherlich vorhandenen qualitativen Schwankungen bleibt immer die Feststellung: Originell, höchst ungewöhnlich und unterhaltsam sind sie alle. Ein eigenwilliger, kauziger Filmemacher mit einem Hang zu großem visuellen Einfallsreichtum und einem ebensolchen Hang zur Satire und Ironie. All dies zeichnet auch das Budapest-Hotel aus, ein hundertminütiges Füllhorn an Ideen, Gags, Anspielungen, Reminiszenzen. Eine komische Hommage an das alte, mythische Osteuropa vor dem Krieg, das vielleicht nur in Schauerromanen existiert haben mag: Fiktive, dubiose Fürstentümer und Kleinstaaten irgendwo auf dem Balkan, Glanz und Verfall der k.u.k.-Monarchie, monströse Dekadenz, Weltschmerz und Geltungssucht, schillernd vergehende Hochkultur, Spionage an der Grenze zwischen Orient und Okzident, Sterben in Schönheit sprich Jugendstil, ein letzter Walzer bevor all dies endgültig im Nazihorror untergeht.

   Die Geschichte trägt sich im Kern 1932 zu, wird in mehreren verschachtelten Rückblenden zum einen von Tom Wilkinson und zum zweiten von F. Murray Abraham erzählt und berichtet von den Abenteuern eines treuen Empfangschefs des einst glanzvollen Grand Budapest Hotels. Man sollte gar nicht erst den Versuch machen, diesen Film ernsthaft nacherzählen zu wollen, man muss ihn schlicht ansehen und genießen, sich mitreißen lassen von dem halsbrecherischen Tempo, welches Anderson durchgehend an den Tag legt, sich amüsieren über all die vielen wunderbar schrägen, skurrilen, irren Typen, die rechts und links am Wege lauern, gespannt auf die nächste verrückte Wendung der Story warten, nebenbei vielleicht auch mal die beteiligten Stars zählen und sich vor allem an der überschäumenden Bilderflut erfreuen, die direkt von der Leinwand runter zu uns ins Publikum schwappt. Ein frech stilisierter, abenteuerlich bunter, schriller, abseitiger Kosmos mit durchaus wahrnehmbaren und im zunehmenden Handlungsverlauf auch immer klarer akzentuierten dunklen Schattierungen. Reale Schauplätze aus Ostdeutschland wechseln ab mit sichtbar kunstvoll animierten Sequenzen, haarsträubender Slapstick mischt sich mit bisweilen sehr schwarzem Humor, poetische Lyrik wird jäh unterbrochen durch rüde Fäkalsprache, und wenn am Schluss versichert wird, dieser Film sei inspiriert von den Schriften Stefan Zweigs, könnte man sich schon ernsthaft fragen, wie diese Auskunft wohl zu bewerten sei.

   Ich gebe aber gern zu, nicht allzu viele Gedanken an diese Frage verschwendet zu haben, denn ein solcher Film muss und will nicht bis ins kleinste Detail entschlüsselt und entziffert werden, es würde ihm auch einen großen Teil seines Reizes nehmen. Viele Genres werden hier verquirlt, Mythen, Klischees, europäische Historie zu einem wüst blubbernden Eintopf verrührt, wie es vielleicht nur ein Amerikaner auf diese Weise tun kann, kühn, staunend und wohl auch ein wenig unbefangen und verständnislos, und gerade das macht seinen Blick manchmal so erfrischend klar. Irgendwann in der Mitte schleichen sich plötzlich merkwürdige ZZ-Runen ins Bild, die Auftritte finsterer Uniformträger häufen sich, die Vorboten des scheinbar unaufhaltsam kommenden Krieges verdichten sich, und man ahnt schon, dass die fragile alte Kaffee- und Herrenhauswelt unmittelbar vor ihrem Zusammenbruch steht und dass die meisten ihrer Protagonisten gemeinsam mit ihr untergehen werden. Dieses Wissen überschattet ein wenig die vielen Turbulenzen und Kapriolen der weiteren Handlung, was ihr eine zusätzliche, reizvoll tragische Färbung gibt, ohne dass Anderson dieses Element übermäßig betonen würde.

 

   Alle hier sind ganz offenkundig mit großem Spaß am Werk, schmeißen sich in Schale, lassen sich mit Genuss zu Comicfiguren ummodeln, haben zusammen eine herrlich verrückte Zeit, eine Mordsgaudi. Genau wie wir im Publikum. (24.3.)