Tracks (Spuren) von John Curran. Australien, 2013. Mia Wasikowska, Adam Driver, Roly Mintuma, Robert Coleby, Rainer Bock, John Flaus, Tim Rogers

   1977 macht sich Robyn Davidson nach jahrelanger Vorbereitungszeit (unter anderem Jobben auf einer Kamelfarm, um zu lernen, wie man mit den Viechern umgehen muss) auf den Weg, mit vier Kamelen und einem Hund von Alice Springs bis zum indischen Ozean zu gehen. Finanziert wird das Unternehmen zum Teil von National Geographic, weswegen sie die gelegentliche Präsenz des Fotografen Rick Smolan dulden muss. Nach neun Monaten und 2700 Kilometern durch weitgehend menschenleere, ausgedörrte Wüste hat sie ihren Weg tatsächlich gefunden (und zwischendurch lediglich ihren Hund durch Gift verloren), und sowohl sie als auch Rick werden die künstlerischen Ergebnisse dieser Reise in verschiedener Form veröffentlichen.

   Die Motivation für dieses spektakuläre Abenteuer erschließt sich erst nach und nach – im Off erzählt Robyn selbst, sie habe schon immer ihrem Vater nacheifern wollen, der selbst einst die Kalahari durchwanderte, sie sei menschenmüde gewesen und habe allein sein wollen. Immer wieder einfließende Rückblenden deuten eine schwierige, vom frühen Verlust der Mutter überschattete Kindheit an, die aus Robyn offenbar ein ebenso unabhängiges wie eigenwilliges Mädchen machte. Die sprichwörtliche „Reise zu sich selbst“ spielt also sicherlich auch eine Rolle, ebenso wie die Reise zu den Ursprüngen des Landes, seiner Kultur, seinen Einwohnern. Robyn trifft Aborigines, die letzten versprengt lebenden Farmer, Einsiedler, erwehrt sich brünftig schäumender Wildkamele, zudringlicher Journalisten und Schaulustiger, schafft es zwischendurch aber auch, mit sich und der Welt allein zu sein, wie sie es vorhatte. Insgesamt bleibt sie trotz zwei Stunden andauernder Präsenz ein Mensch für sich, der nicht gleich jeden Beweggrund, jedes Gefühl preisgibt, und innerhalb der Geschichte scheint dies ziemlich schlüssig und konsequent zu sein.

   In atemberaubenden Bildern, in angemessen ruhigem, kontemplativem Rhythmus wird Robyn auf ihrem Weg begleitet, ihrem Weg durch ein Land, das unserer europäischen Vorstellungswelt so fern ist wie der Mond, gewaltig, unermesslich, berauschend schön und auch erschreckend lebensfeindlich, und so fremd wie dieses Land sind auch zumeist die Leute, die es bewohnen, sowohl diejenigen, die es bereits seit vielen tausend Jahren bewohnen als auch die, die es sich später mehr oder weniger gewaltsam angeeignet und zu „kultivieren“ versucht haben. Ohne konkrete politische Statements abzugeben entwirft der Film aus der Perspektive der kritischen, ethnologisch interessierten und engagierten Robyn ein zwar beiläufiges aber dennoch aussagekräftiges Bild von Land und Leuten, sodass die Reise durchaus kein bloßer Egotrip geworden ist, sondern sich ebenso gut wie ein Porträt dieses Teils von Australien erleben lassen könnte. Und natürlich faszinierende Einblicke gibt in eine Lebensweise, die sich ganz den gegebenen Umständen anpassen musste, beispielsweise wenn es um den Import von Kamelen geht, die als Transportmittel zwar längst durch LKW und Flugzeuge ersetzt wurden, aber in großen, regelrecht anarchistischen Wildherden weiterhin die Halbwüsten bevölkern und die Robyn hier als perfekte Lastenträger dienen, ohne die sie völlig verloren wäre. Ebenso wie sie auf die Hilfe von Eddie angewiesen ist, der sie als Ältester durch ein Gebiet mit vielen heiligen Plätzen führt, das sie als Frau sonst nicht betreten dürfte, was wiederum einen Umweg von mehreren hundert Kilometern bedeutet hätte.

 

   Abgesehen von der faszinierenden Optik ist auf jeden Fall Mia Wasikowska hervorzuheben, die eine sehr eindrucksvolle Robyn Davidson verkörpert, charismatisch und zugleich unzugänglich, und die den Film tatsächlich sehr souverän trägt, denn es gibt fast keine längere Szene ohne sie. Solch einen Film braucht man einfach mal zwischendurch, eine Meditation mit langem Atem, einen Exkurs auf einen ganz anderen Planeten, und dann kann man es auch wieder mit dem schmuddeligen Bielefelder Karfreitag aufnehmen… (18.4.)