Få meg på, for faen! (Turn me on!) von Jannicke Systad Jacobsen. Norwegen, 2011. Helene Bergsholm, Matias Myren,  Malin Bjørhovde, Henriette Steenstrup, Beate Støfring, Lars Nordtveit Listau, Julia Bache-Wiig

   Filme über pubertierende Jungs mit Hormonstau gibt’s genug. Wie aber sieht’s mit Mädels aus? Zumeist plüschige oder alberne, in jedem Fall aber kreuzbrave Romanzen in rosarot, die mir da in den Sinn kommen, aber so richtig was zum Thema will mir nicht einfallen. Wieder mal scheinen für Mädels nicht die gleichen Voraussetzungen gültig zu sein.

   Diesem offensichtlichen Nachholbedarf hat dieser ganz wunderbare (und tatsächlich schon drei Jahre alte!) Film aus Norwegen nun zumindest teilweise abgeholfen – dies ist die Geschichte eines fünfzehnjährigen Mädchens mit Hormonstau, und zwar der ganz kräftigen Sorte. Entscheidend beeinträchtigt wird die ungehinderte Auslebung ihrer drängenden Sehnsucht durch einige offensichtliche Faktoren. Erstens gehört sich „das“ für Mädchen allgemein ganz und gar nicht (im Gegensatz zu Jungs natürlich), zweitens lebt Alma in der norwegischen Provinz, und dort ist man für sowas einfach noch nicht bereit, und drittens verhält sich das Objekt ihrer Träume wie ein echter Stoffel, kurz, er kommt nicht in die Pötte. Und da Alma im Grunde schon bereit ist, sich an die Regeln des Anstands zu halten, weicht sie ins Reich der Fantasien aus, beschert einer Telefonhotline Umsätze in vierstelliger Höhe und verwickelt jedwede Leute ihrer unmittelbaren Umgebung in ebenso spontane wie ausschweifende Tagträume. Masturbation wird ganz groß geschrieben, und irgendwie ist das alles natürlich nicht das Wahre. Dann geschieht es auf einer Party, dass ihr begehrter Artur urplötzlich seinen Schwanz an ihr reibt – Realität oder Wunschvorstellung? Jedenfalls begeht sie den Fehler, ihren beiden besten Freundinnen davon zu erzählen, und da die eine just selbst ein Auge auf den feschen Boy geworfen hat, macht das Ding sofort die Runde und Alma ist fortan Mobbingopfer Nummer eins in ganz Skoddeheimen (das ist so ungefähr die norwegische Schwester von Lukas Moodyssons fucking Åmål…). Aus Alma wird Schwanz-Alma, der Tag in der Schule ist ein einziger Spießrutenlauf, und auch Mama, als sie dahinterkommt, was das Töchterchen so hinter verschlossenen Türen treibt, reagiert eher unentspannt und verständnislos. Eine kurze Flucht nach Oslo erweitert den Horizont entscheidend, denn aus der Ferne sieht die Sache irgendwie nicht mehr so dramatisch aus, und so kehrt Alma gestärkt und mit neuem Selbstbewusstsein zurück. Belohnt wird sie, indem sich eine der beiden Freundinnen wieder öffentlich zu ihr bekennt, und auch ihr Artur endlich zu seiner Missetat steht und dies sogar vor allen Leuten kundtut. Er wird sogar zum Kaffee nach Hause eingeladen – aber übernachten, nein, das geht nun doch nicht…

 

   Mit Humor, Herz, undsoweiter, vor allem aber mit einer fundamentalen und extrem wichtigen Ernsthaftigkeit, was die Haltung zu der von Helene Bergsholm toll gespielten Hauptperson angeht, wird dieses coming-of-age in Szene gesetzt, allgemein natürlich ganz in der großartigen skandinavischen Tradition, andererseits aber eigenwillig und prägnant genug, um aus der netten Schublade ein gutes Stück herauszuschauen. Diese Alma ist nicht nur ein nettes blondes norwegisches Mädchen, sondern eins, das sich nach Sex sehnt und das seinen bisweilen übermächtigen Drang nur mit handfesten Mitteln einzudämmen vermag. Ist doch schön, endlich mal kein Junge mit Sturm-und-Drang-Trieben, sondern ein Mädchen, und wie man sieht, passt das genauso gut, ist hundertprozentig glaubwürdig und genauso liebenswert. Zwischen Schüchternheit, Unsicherheit und wahrem Löwenmut versucht Alma irgendwie, ihren Weg zu finden, ihn sich quasi zu bahnen durch das Dickicht aus Missverständnissen, Konventionen und den Schranken der eigenen Erziehung. Der größte Kampf ist der gegen das öffentliche Image. Diesen Kampf ficht parallel auch ihre beste Freundin Sara aus, die sich in einen struppigen, müffelnden, ständig bekifften Typen verguckt und letztlich auch auf die Meinung der anderen pfeift. Alma ihrerseits braucht ein wenig Zuspruch aus der Großstadt, und den bekommt sie auch: Lass die Spießer doch quatschen! Und: Schwanz-Alma rules! Besser kann man diesen schönen Film wohl nicht resümieren. (8.5.)