Trois cœurs (3 Herzen) von Benoît Jacquot. Frankreich, 2014. Benoît Poelvoorde, Charlotte Gainsbourg, Chiara Mastroianni, Catherine Deneuve, André Marcon, Patrick Mille

   Ein Mann und zwei Frauen – schon mal irgendwo gesehen? Klar doch, x-mal, und das ist auch kein Problem, wenn es nur gut gemacht ist. Und dieser Film ist gut gemacht, gar keine Frage, ein Liebesdrama mit allem, was es braucht: Starke Gefühle, Besessenheit, Geheimnisse, die Vorahnung von Tragik und die Konzentration auf das Wesentliche, heißt auch, die Konzentration auf einen kleinen Kreis von Akteuren. Genau daran hat sich Benoît Jacquot gehalten, und das ist richtig so. Wenn man dann noch solche Akteure zur Hand hat wie er, kann einfach nichts schiefgehen. Denkt man so – aber gerade auf solch abgegrastem Terrain liegen die Stolperfallen zuhauf, die Klischees lauern überall, all die endlos strapazierten Motive, Verwicklungen, all der Kitsch, all das Melodrama. Da muss man sich schon ganz schön sicher sein und vor allem eine sichere Hand haben, um nicht automatisch in eine dieser Fallen zu latschen.

   Boy meets Girl, so fängt alles an, könnte man sagen. Oder besser: Man meets Woman, denn das hier ist eine Geschichte unter Erwachsenen und auch für Erwachsene, die Popcornfraktion hat einen freien Abend, Mama und Papa bleiben hübsch unter sich. Und sehen mit an, wie dieser eigenartig nervöse, verspannte Typ eine nicht weniger verspannte, verhuschte Frau anspricht und ihr so lange auf den Fersen bleibt, bis auch sie endlich Gefallen an der Sache findet und einwilligt, ihn in Kürze in Paris in den Tuileries zu treffen. Was dann kommt, ahnt man fast, hat man nämlich auch schon oft gesehen: Sie kommt zur verabredeten Zeit zum verabredeten Ort, er wird aufgehalten, hetzt sich verzweifelt ab, um es noch rechtzeitig zu schaffen, kriegt unterwegs glatt einen Herzinfarkt, schleppt sich aber doch mit letzter Kraft in den Jardin, nur um festzustellen, dass sie schon fort ist. Verpasst, Schicksal. Aber dann trifft der Mann eine andere Frau. Und weil er zuvor schon verraten hat, dass er sich sehr zu Frauen hingezogen fühlt, ist uns klar, dass er sich auch in sie verlieben wird. Nicht nur das, ihr zuliebe verlegt er seinen Lebensmittelpunkt aus Paris in die Provinz und gründet sogar eine Familie mit Heirat und Kind und allem. Der Clou: Diese Frau, Sophie, ist die Schwester der ersten, der verpassten Frau, Sylvie. Wir wissen das von Anfang an, denn wir haben Sophie und Sylvie schon kennengelernt zusammen mit der Mutter und in ihrem gemeinsamen Antiquitätengeschäft, und wir wissen, wie eng die beiden verbunden sind. Wir wissen es also, der Mann, Marc, weiß es auch bald, nach ihm dann Sylvie. Maman, wie Mamas eben so sind, kriegt die atmosphärischen Spannungen auch bald mit und reimt sich ihren Teil zusammen. Nur Sophie erfährt es erst ganz zum Schluss, aber da ist der Lauf der Dinge sowieso nicht mehr aufzuhalten.

   Die Frage: Schaffen es die drei, diese komplizierte Situation irgendwie unfallfrei aufzulösen? Eine positive Antwort darauf wird mit zunehmender Dauer unwahrscheinlich, denn Marc versucht nach Männerart natürlich, alles zu vertuschen, zu verheimlichen, zu verdrängen, obwohl es ihm sichtbar schlecht damit geht, doch auch Sylvie hat nicht den Mut, ihre Schwester frühzeitig ins Bild zu setzen, sie klammert sich an ihr Credo: Sie ist für mich der wichtigste Mensch, wenn sie es erfährt, sterbe ich. Und wenn Marc am Schluss wohl seinen fatalen neuerlichen Herzinfarkt erleidet, und Sophie eher zufällig endlich auf die Wahrheit stößt, die Stimme ihrer Schwester im Handy vernimmt, und wenn dann Sylvie am anderen Ende die Augen schließt, wissen wir, dass auch ihr Leben auf die eine oder andere Weise vorüber ist. Ich versuchte mich als Zuschauer ganz nebenbei daran zu erinnern, wie solche Geschichten vor der Handyepoche gelaufen sind, vor den ewigen verdammten Anrufen und SMS-Tönen, die mich persönlich immer in den Wahnsinn treiben und obendrein dazu führen, dass man eine gute altmodische Affäre kaum noch geheim halten kann. Es vergehen ja kaum fünf Minuten, ohne dass es irgendwo piept oder brummt - wenn man also als Drehbuchautor keine Idee hat, wie man eine Szene auflösen könnte, lässt man einfach das Scheißhandy los, passt immer.

   Dies ist ein ernstes Drama, stark geprägt durch eine effektvolle, dräuende Musik, die dem Geschehen von Beginn an eine schicksalhafte Note gibt und uns früh spüren lässt, dass hier nichts Gutes zu erhoffen ist. Vor allem Marc hat die Möglichkeit, rechtzeitig die Kurve zu kriegen, in dem er Sophie alles erzählt, doch er liebt Sylvie zu sehr, man erlebt ihn immer wieder völlig diesem Trieb ausgeliefert, gegen den er nicht ankämpfen kann. Sylvie schafft das genauso wenig, obwohl sie wie er kein gutes Gefühl dabei hat, sodass ich fast schon an eine amou fou denken würde, eine Liebe, die stärker ist als die beiden Beteiligten, die von vornherein unmöglich ist und alle in den Untergang ziehen wird. Jacquot hat daraus sehr folgerichtig einen langsamen, schweren Film gemacht, keinen melodramatischen oder gar pathetischen allerdings, einen Film, der ganz von der Gefühlsintensität der drei Hauptpersonen lebt und von unserem Mitfiebern, ob es nicht doch eine rettende Lösung geben könnte. Sehr früh stellt sich eine intensive Spannung ein, die sich bis zuletzt noch erhöht, weil es ja irgendwann zum Knall kommen muss, weil der Knoten irgendwann platzt, und mit einer gewissen Ohnmacht verfolgen wir, wie sich Marc und Sylvie immer tiefer in das ausweglose Dickicht manövrieren.

 

   Sowas lebt natürlich in erster Linie von den Schauspielern, aber was soll man sagen, eine spektakulärere Besetzung hätte Jacquot wohl kaum zusammentrommeln können. Mastroianni und Gainsbourg sind extrem überzeugend als symbiotische Schwestern, Deneuve gibt die perfekte, alles sehende Maman ab, dass man sich fast schon keinen Akteur vorstellen kann, der sich gegen dieses imponierende Trio behaupten könnte. Poelvoorde aber spielt hier die beste Rolle, in der ich ihn je gesehen habe, abseits seiner sonst durchgeknallten Extremtypen, eine brillante Studie des getriebenen, immer gestressten, nervös schwitzenden Mannes, der eigentlich überhaupt kein schlechter Kerl ist, der sich eben nur in zwei Frauen verliebt, die eine aber mehr liebt als die andere und der keine Möglichkeit weiß, diesen Zwiespalt aufzulösen. Typisch Mann, die Angst vor den Folgen, ich kenne das… Also, zusammen mit der äußerst konzentrierten Regie und der erwähnt tollen Filmmusik sorgen diese grandiosen Darsteller für eine durchgehend eindrucksvolle Dreiecksgeschichte, die, wie oben schon gesagt, sehr nachdrücklich beweist, dass man auch solch strapazierten Konstellationen noch starkes Kino abgewinnen kann. (24.3.)