Blackhat von Michael Mann. USA, 2015. Chris Hemsworth, Tang Wai, Leehom Wang, Viola Davis, Ritchie Coster, Holt McCallany, Yorick van Wageningen
Was früher die Welt der Spione für uns war, ist heute so ungefähr die Welt der Hacker, der Computerkriminalität: Dunkel, schillernd, abwechselnd faszinierend und auch beängstigend. Gerade das Undurchschaubare, Unkontrollierbare macht ihren Reiz aus, andererseits jedoch fühlen wir uns auch ausgeliefert angesichts dieser Leute, für die es scheinbar überhaupt keine Grenzen gibt, weder geographisch noch technisch noch moralisch. Und wie im klassischen Spionagefilm ist auch in diesem aktuelleren Genre klar: Den Bösen beikommen kann man nur, indem man nach ihren Regeln spielt und seinerseits keine Rücksicht nimmt auf irgendwelche ethischen oder juristischen Skrupel.
Nach haargenau diesem Schema funktioniert Michael Manns neuester Thriller: Ein finsteres Hackergenie verursacht in einem chinesischen Kraftwerk eine Kernschmelze und lässt kurze Zeit später die Börsenpreise für Soja explodieren, um dann im richtigen Moment Aktien zu verkaufen. Mit dem ersten Coup sorgt er für das beabsichtigte Aufsehen und die Ablenkung, mit dem zweiten scheffelt er Millionen. Der eingesetzte chinesische Offizier Chen schlägt vor, den zurzeit im Gefängnis einsitzenden Computerspezialisten Hathaway zu Hilfe zu holen. Hathaway stellt radikale Bedingungen, die den US-Behörden nicht gefallen, und er wendet Maßnahmen an, die den US-Behörden noch weniger gefallen, weshalb sie ihn augenblicklich wieder einbuchten wollen. Doch zusammen mit Chen und dessen Schwester Lien und unterstützt von zwei FBI-Beamten ist er dem Mastermind bald dicht auf den Fersen, kann dessen eigentliches Ziel festmachen (die Vernichtung großer Zinnerzgruben zwecks erneuter Börsenmanipulationen), und liefert ihm zwischen Hongkong, Macau, Jakarta und Malaysia einen rasanten und bis zum Finale zunehmend blutigen Zweikampf.
Michael Mann ist genau der richtige Filmemacher für solche Stoffe – der kann große Bilder, der kann elektrisierende Kinetik, der kann Showdowns. All dies spielt vor allem in der zweiten Hälfte eine Rolle, aber auch zuvor erweist er sich einmal mehr als souveräner, erfahrener Erzähler, baut die Story gradlinig, zügig auf und etabliert von Anfang an eine dunkle, intensive Spannung, die sich bis zum Schluss über zwei Stunden später hält. Die faszinierenden Tableaus der monströsen ostasiatischen Megastädte sind zugleich ästhetischer Selbstzweck und auch Illustration für die Dimension der Vorgänger. Das hier ist keine Provinzgeschichte, das hier ist groß, ist international, hier findet sich nur zurecht, wer selbst groß und international denkt. Der einzelne Mensch, in der Provinzgeschichte noch brav in den Vordergrund gestellt, verliert hier radikal an Bedeutung, verliert sich zwischen der schimmernden Glasarchitektur und den halsbrecherischen Manövern der Hacker. Zu Beginn versucht Mann, diesen Vorgang mehrmals zu versinnbildlichen, versucht, die feindliche Übernahme eines Systems, den Angriff durch Viren in Bilder zu fassen, und ich finde zumindest, dass ihm das auch ganz gut gelungen ist. Sicherheit ist nur eine Illusion, das wussten wir natürlich auch vorher, alle Versicherungen, unsere Daten sein gut aufgehoben und vor unbefugtem Zugriff geschützt, sind ein Witz, der Blofeld von heute kann, wenn er will, ungeheuerlichen Schaden anrichten, verfügt bei entsprechender krimineller Energie über ein geradezu beängstigende Macht, weil eben unser modernes Leben fast nur noch auf elektronische System aufgebaut ist und es der Ehrgeiz jedes echten Hackers, einmal in seinem, Leben eines dieser System zu knacken. Unser Mastermind hier, unser Blackhat, wirkt dementsprechend auch nicht mehr wie ein überlebensgroßes Monstrum, sondern eher wie ein gelangweilter Nerd, der tut was er tut, weil er es halt kann, und der unserem Helden im Finalkampf klarmacht, dass es viele wie ihn gäbe, criminals without a cause, eine wahrlich beunruhigende Vorstellung. Hathaway selbst ist davon ja auch nicht allzu weit entfernt, hat mit kleinen Kreditkartengeschichten angefangen und sich auch im Knast in Form gehalten, findet also draußen sofort wieder Anschluss an die Gesetze der freien Wildbahn, die und die lauten, wenn es nötig ist, die NSA zu hacken, dann muss ich das halt tun, auch wenn das jede Menge Ärger geben wird. Hathaway ist der moderne gebrochene, widersprüchliche Held, das macht ihn attraktiv und zeitgemäß, kein tadelloser Saubermann, auch keiner, der gleich die ganze Welt, oder wenigstens die westliche Welt retten will, einer, der nicht aus Idealismus oder gar politischer Überzeugung an Bord kommt, sondern nur aus handfesten eigennützigen Erwägungen. Aber auch einer mit romantischen Neigungen, wie seine Beziehung zu der zauberhaften Lien unterstreicht, von der er sich tatsächlich gelegentlich hin- und herreißen lässt zwischen Auftragserfüllung und dem, was sein Gefühl ihm sagt. Also ein Profi mit Herz, was könnte es Besseres geben?
„Blackhat“ bietet bestes, furioses Spannungskino auf der Höhe der Zeit – atemberaubend gefilmt, überzeugend strukturiert, wechselnd zwischen rasanter Action und stilleren Momenten und von einer sehr attraktiven, wenn auch nicht mit Stars gespickten Cast erstklassig rübergebracht. Wer also ein hundertdreißigminütiges Argument für die ganz große, breite Leinwand braucht – hier ist es. (9.2.)