Bridge of spies von Steven Spielberg. USA, 2015. Tom Hanks, Mark Rylance, Scott Shepherd, Amy Ryan, Alan Alda, Austin Stowell, Sebastian Koch, Dakin Matthews
Anno 1957 geschah’s, just zu der Zeit, da der Kalte Krieg so richtig fröstelig zu werden begann, da wurd in New York City ein sowjetischer Spion enttarnt. Des Volkes Stimme schrie: Grillt ihn auf dem Stuhl, die Kommunistensau, macht‘s wie mit den Rosenbergs, und das Urteil war eigentlich schon beschlossene Sache, doch wurde, um dem Protokoll gerecht zu werden, ein Pflichtverteidiger angeheuert, der die undankbare Aufgabe übertragen bekam, den Volksfeind zu vertreten, damit niemand sagen konnte, es sie nicht mit rechten Dingen zugegangen. Dieser Verteidiger hieß Jim Donovan, war zunächst alles andere als begeistert von dem Job, kniete sich dann aber doch mehr und mehr rein und erreichte zumindest, dass die allgemein erwartete Todesstrafe zugunsten einer 30-jährigen Haftstrafe umgewandelt wurde. Sein Hauptargument: Vielleicht würde man Rudolf Abel nochmal brauchen, spätestens wenn die Russen auch einen US-Spion geschnappt haben. Für sein Engagement handelt er sich überall viel Ärger ein: Seine Frau ist sauer, der Boss ist sauer, die CIA ist sauer und auch das Volk an sich guckt ihn auch böse in der U-Bahn an, denn nach allgemeiner Überzeugung ist, wer einem Kommunisten hilft, selbst ein Kommunist. Damals sagte man vor Schulbeginn das amerikanische Glaubensbekenntnis auf, legte die Hand aufs Herz, und bereitete sich auf den unvermeidlichen Atomkrieg vor, indem man schon mal die Badewanne füllte und eifrig „duck and cover“ praktizierte. Für Zwischentöne oder gar objektive Beurteilung war gerade keine Zeit. Donovan erweist sich als Prophet, denn einige Jahre später wird Austin Gary Powers, ein U 2-Pilot, auf einem „Aufklärungsflug“ über sowjetischem Territorium abgeschossen und festgesetzt. Ein Austausch wird plötzlich von allen Seiten favorisiert, und ausgerechnet Herr Donovan soll nach Ostberlin fahren, um dort als vermeintlich unverfänglicher, weil nicht regierungsentsandter Unterhändler zu fungieren. Er kommt zur denkbar schlechtesten Zeit: Es ist Winter 61, die Mauer wird hochgezogen, Menschen fliehen, Vopos schießen, Panik und Chaos in der Stadt. Ein amerikanischer Student namens Pryor wird festgenommen und von der DDR als Spion reklamiert. Donovan beginnt zu pokern, will beide Landsleute austauschen, doch er sticht damit in ein Wespennest: Der CIA-Mann sagt ihm klipp und klar, dass nur Powers interessant sei und Pryor unter den Tisch fallen muss, weil er schlimmstenfalls die ganze Operation gefährden könne. Die Russen haben ihrerseits nur Abel im Blick und weigern sich, irgendwas im Falle Pryor zu unternehmen. Die DDR-Regierung wiederum ist in erster Linie daran gelegen, endlich als eigenständiges, ernstzunehmendes Regime akzeptiert zu werden, und will unbedingt in der ganzen Sache mitmischen. Wieder kriegt Donovan Wind von allen Seiten, wieder bleibt er standhaft, und schlussendlich werden Abel und Powers auf der Glienicker Brücke direkt ausgetauscht, während zeitgleich Pryor am Checkpoint Charlie rüber in den amerikanischen Sektor wechselt.
Ein typischer Spielbergfilm mit all den daran hängenden Vor- und Nachzügen. Sehr akribisch konstruiert heißt eben manchmal auch, dass sich ein paar Längen ergeben. Emotional mitreißender Filmstil bedeutet eben manchmal auch, dass es hier und da etwas zu gefühlig wird. Er ist um Ausgewogenheit bemüht, kann aber nicht verhindern, dass sich die eine oder andere typisch US-amerikanische Note einschleicht, sprich jene Selbstzufriedenheit, die die Amis besonders im Umgang mit europäischen Themen an den Tag legen, die mich persönlich immer enorm ankotzt und die anzudeuten scheint, dass man sich den Europäern doch irgendwie überlegen fühlt, wenn es darum geht, Angelegenheiten von wirklich elementarer Brisanz zu regeln. Aber vielleicht bin ich auch nur zu empfindlich, kann sein. Die Ostdeutschen kommen jedenfalls nicht sehr gut weg, obwohl ihre Lage wenigstens ansatzweise durchaus deutlich gemacht wird. Immer ist der Film ein wenig zu knapp, zu schematisch, und immer hat man das Gefühl, der smarte, tollkühne Mr. Donovan sei allen Kontrahenten an Integrität und Zivilcourage weit voraus, weswegen er leider von Tom Hanks gespielt wird, was wiederum bedeutet, dass neben ihm alle übrigen Figuren verblassen und sich außer dem vorzüglichen Mark Rylance kein anderer Darsteller profilieren kann. Also menschelt’s zwischendurch gewaltig, besonders gegen Ende, wenn Spielberg sein charakteristisches Pathos nicht mehr zähmen mag und eine U-Bahnfahrt Donovans zum Anlass nimmt, Freedom and Democracy still aber deutlich zu feiern, wenn auch Donovans nachdenkliche Miene daran erinnert, nichts für selbstverständlich zu nehmen.
Thematisch ist das alles natürlich überaus interessant, und Spielberg ist allemal routiniert genug, um die Story spannend und atmosphärisch stark aufzubereiten. Außerdem trifft er einen wichtigen Akzent hundertprozentig, indem er wieder und wieder zeigt, wie gnadenlos beide Seiten des Kalten Krieges über den einzelnen Menschen hinweggefegt sind. Menschenleben zählten beiden nichts, es galt nur die Sache, der Zweck, der Sieg im nächsten Manöver. Beide schenkten sich nichts, wenn’s um Hysterie ging, um Schwarzweißdenken, um stereotype Feindbilder. Das sagt Spielberg sehr deutlich und unmissverständlich, und das macht den Film wenigstens in Teilen gut und richtig. Aber es ist natürlich ein Hollywoodfilm, und das heißt: Der einzige Good Guy in dem ganzen erbärmlichen Kriegsspiel ist eben auch ein Ami. Und Mr. Donovan hatte sich offenbar so sehr als Unterhändler empfohlen, dass JFK ihn ein Jahr später gleich für die Schweinebuchtgeschichte anheuerte, wo er nochmal sehr erfolgreich tätig war. Da sage noch einer, die Iren hätten Amerika nichts gegeben… (8.12.)