Le tout nouveau testament (Das brandneue Testament) von Jaco van Dormael. Belgien/Frankreich, 2015. Pili Groyne, Benoît Poelvoorde, François Damiens, Laura Verlinden, Catherine Deneuve, Yolande Moreau, Serge Larivière, Didier de Nerck, Anna Tenta, Marco Lorenzini, Romain Gelin
Wurde auch Zeit, dass uns jemand endlich die wahre Geschichte von Gott erzählt: Das ist nämlich gar kein gütiger Weißbart, kein liebenswürdiger Vater hoch oben im Himmel, das ist in Wahrheit ein übellauniger, Adiletten, Frotteebademantel und Tennissocken tragender misanthropischer Arsch, der Frau und Tochter schikaniert und am liebsten am Computer hockt, um immer neue fiese Gebote zu erfinden, die dem Menschen das Leben möglichst schwer machen. Diese Gebote kennen wir alle: Die Schlange an der Kasse nebenan ist immer schneller, das Marmeladenbrot fällt immer mit der bestrichenen Seite in den Dreck, eine Frau, in die man sich ganz doll verliebt hat, kriegt man sowieso nie, ein Unglück kommt selten allein und so weiter. Gott heckt immer neue Katastrophen aus, macht das Wetter mies, erfreut sich diebisch am menschlichen Leid, und erschafft aus lauter Langeweile und Verdruss Brüssel, als ob die Welt nicht schon öde genug wär. Seine Frau die Göttin fügt sich scheinbar in ihr Schicksal und schweigt den ganzen Tag, ihr Ältester, Jesus, hat sich bekanntlich ans Kreuz nageln lassen, der blöde Hund, nur die jüngste, Ea ist ein freches zehnjähriges Gör, dem der alte Griesgram langsam aber sicher auf den Senkel geht. Eines Tages überspannt Gott den Bogen, und sie ersinnt einen Racheplan: Zunächst sabotiert sie erstmal die Arbeit ihres Vaters, in dem sie via Computer an alle Menschen ihre Todesdaten sendet und damit natürlich einen enormen Aufruhr entfacht. Dann beschließt sie, den bereits vorhandenen zwölf Aposteln sechs weitere, eigene hinzuzufügen, damit sie achtzehn und eine komplette Baseballmannschaft zusammen hat (Mama liebt nämlich Baseball). Ea entkommt durch die Waschmaschine und landet draußen in der Welt, in der sie sich erstmal zurechtfinden muss. Sie sucht sich ihre sechs Apostel zusammen und überredet einen alten Stadtstreicher, die Erzählungen und Erlebnisse dieser sechs zu einem ein brandneues Testament zu schreiben, das sie an die Stelle der ollen Räuberpistole in die Buchläden bringen will. Diese sechs versuchen, die ihnen noch verbliebene Zeit auf unterschiedliche Weise zu nutzen, einige finden sogar zusammen, andere brechen endlich aus ihrer täglichen Routine aus. Am Schluss wird alles doch noch mal zurück auf Anfang gesetzt, weil Mama beim Staubsaugen den Stecker kurz zieht, danach den PC wieder hochfährt und damit die Todesdaten löscht. Mama tobt sich dann mal ordentlich als Designerin von Himmel und Erde aus, und Eas Apostel erfreuen sich des unerwartet neu geschenkten Lebens. Und die Polkappen schmelzen auch nicht mehr. Nur Gott hat etwas weniger Glück, er wird als Penner in einer Kirche aufgegriffen und nach Usbekistan ausgewiesen, wo er am Fließband Waschmaschinen zusammenkloppen muss. Mit anderen Worten, er ist echt scheiße drauf…
Man kann für diesen Film gar keine halbwegs sinnige Inhaltsangabe schreiben, man muss ihn ganz einfach sehen und genießen – vorausgesetzt, man ist was Scherze gegen Gott angeht, nicht gar zu zart besaitet. Nicht dass van Dormael hier schwere blasphemische Geschütze aufführe, ganz und gar nicht, sein Humor bleibt immer leicht und liebenswürdig, der Ton grundsätzlich sehr verspielt. Eine poetische, launige Fantasie zwischen Utopie und Ironie, eine zärtliche Reflexion über die merkwürdigen Wege der Liebe, ein reizvolles Gedankenspiel zum Thema Tod und was das Wissen um unseren Todestag mit uns machen könnte, und natürlich eine völlig auf den Kopf gestellte Schöpfungsgeschichte, die das Erhabene genüsslich direkt neben das Banale stellt und Ersteres dadurch gründlich auf den Boden holt. Gott ist genervt über all das feierliche Getue um seine Person, schlimmer noch, um die Person seines Sohnes, der für ihn nur ein Tagträumer ist, ein Drückeberger, der nichts zustande gebracht hat, außer sich an ein Lattenkreuz nageln zu lassen. Er distanziert sich von all den netten Dingen, die angeblich auf seinem Mist gewachsen sind und tut alles, um ein richtig ekliger Kerl zu sein (und Poelvoorde läuft natürlich zu absoluter Hochform auf). Wir sehen sowieso bald ein, dass Frauen die besseren Götter sind, die freundlicheren und sozialeren, die am Ende sogar die Welt schön knallbunt machen, während er noch immer wie ein Penner herumläuft.
Ich denke, jeder für sich hat die Möglichkeit, das aus dem Film zu destillieren, was ihm/ihr am meisten darin zusagt. Es gibt viel zu sehen, viel zu lachen, viel zu träumen, und auch viel zu denken. Man kann alles als leichtfüßiges Spiel sehen, man kann auch ernsthafte Ansätze sehen und annehmen. Ich habe mich sehr gefreut, dass van Dormael nach seinem fabelhaften „Toto der Held“ vor fast fünfundzwanzig Jahren endlich wieder an Stil und Geist dieses kleinen Meisterstücks anschließen kann, uns daran erinnert, welch wunderbar fantasievolle Kraft Kino haben kann, ohne dabei gleich oberlehrerhaft daher zu kommen oder pompös aufzutrumpfen. Außerdem erhalten wir endlich Gewissheit: Als der liebe Gott Belgien erschuf, übte er noch…(14.12.)