En duva satt på ett gren och funderade på tillvaron (Eine Taube sitzt auf einem Zweig und denkt über das Leben nach) von Roy Andersson. Schweden, 2014. Holger Andersson, Nisse Westblom, Charlotta Larsson, Viktor Gyllenberg, Lotti Törnros, Jonas Gerholm, Ola Stensson

   Roy Andersson, merkwürdigster aller merkwürdigen Kinophilosophen, hat wieder zugeschlagen. Man sieht es sofort: Kalkige traurige Clowns in fahlen Settings, stoische Miniaturen mit minimalem Innenleben, wenig Sprache, wenig, an das wir uns halten könnten. Eine doppelte Handvoll kürzerer Szenen, manchmal thematisch, personell oder örtlich vage miteinander verbunden, häufig aber eher nicht. Andersson selbst kündigt sein Werk im Vorspann als den Abschluss einer Trilogie zum Menschsein an, hat sich also einiges vorgenommen, der Mann. Was er liefert, ist ein sicherlich sehr eigenwilliges Kompendium absurder, komischer, melancholischer, manchmal auch irritierend makabrer oder grotesker Sequenzen über die condition humaine, so wie er sie sieht. Dieser Blick ist von zarter Traurigkeit, niemals herabwürdigend oder polemisch, sein Befund kann allerdings auch las recht bedrückend wahrgenommen werden. Immerhin verließen zwei Personen die Vorstellung mittendrin, und das geschieht nicht allzu häufig. Seine kalkigen Clowns sind einsame Gestalten in trister Umgebung, Kneipenhocker, die seit sechzig Jahren dort hocken, Wartende und niemals Abgeholte, abgewiesene Flamencolehrerinnen, zerstrittene Scherzartikelverkäufer mit Hang zur Depression, Berufswechsler, die mit ernstem Gesicht verkünden, wie glücklich sie seien. Das ist ja von jeher einer der Hauptgags Anderssons – die wortkargen Stoiker, die ohne eine Miene zu verziehen versichern, sie seien froh und erfüllt, obgleich rein gar nichts dafür spricht. In diesem dritten Film offenbaren Anderssons Untersuchungsobjekte durchaus auch destruktive, grausame Züge, unternehmen krude Versuche an Mensch und Tier, führen Krieg, bedrohen, prügeln und vertreiben. Nicht, dass sich der Ton des Films dadurch jemals ändern oder sich der Autor gar über irgendetwas ereifern würde, aber er stellt immerhin fest, dass der Mensch eine in jeder Hinsicht scher zu verstehende, in sich krass widersprüchliche Spezies ist, die komische Dinge tut, sich für komische Dinge interessiert, und trotz aller gegenteiliger Realitäten felsenfest davon überzeugt, immer nur vom eigenen Glück und dem Glück der Nächsten geleitet zu sein.

 

   Das klingt wie eine bösartige, zynische Satire, ist es aber in der Umsetzung irgendwie doch nicht, denn Anderssons bleibt kühl und lakonisch, reiht seine Versuchsanordnungen kommentar- und urteillos aneinander, betrachtet seine kalkigen Clowns eher wie der sprichwörtliche Insektenforscher, mal mit Bedauern, mal mit Befremden, mal mit ganz leichtem Mitgefühl.  Was die Gestaltung angeht, kann man mit Fug und Recht von einem geschlossenen Gesamtkunstwerk sprechen, und natürlich gebührt Andersson höchster Respekt für die unerbittliche Konsequenz, mit der er seinen Weg geht. Hier hat ein Filmemacher wirklich eine ganz eigene Vision, und zwar eine, die ziemlich weitab von jedem Mainstream liegt und die ihn auf jeden Fall als einen der markantesten und ungewöhnlichsten Filmemacher des letzten Jahrzehnts kennzeichnet. Sein Stil ist unverkennbar, unverwechselbar, ebenso seine Art von Humor und seine Art, den Mensch in seiner Umgebung zu zeigen. Vielleicht eine Art Beckett des Kinos, alles andere als gefällig und leicht zugänglich, und je nach Bereitschaft des Zuschauers, sich darauf einzulassen, wird man seine drei Filme („Songs from the 2nd floor“ und „Das jüngste Gewitter“ waren ja die beiden Vorgänger) als sehr tiefgründig oder auch als vollkommen banal empfinden. Genau wie Becketts Stücke und Schriften bilden sie zum einen eine äußert hermetische Welt ab, bieten andererseits aber ein breites Spektrum an Sicht- und Interpretationsmöglichkeiten, was eine sehr reizvolle und ungewöhnliche Kombination ist. Das finde ich durchaus bewundernswert. Wenn ich mich aber frage, ob mich dieser Film emotional besonders berührt hat, muss ich allerdings ehrlicherweise mit „nein“ antworten, denn außer gelegentlichem, leisen Gelächter erzeugt er doch wenige Reaktionen, zu fremd und schräg ist Anderssons Universum, zu wenige Anstrengungen unternimmt er, um uns Normalos dieses Universum näher zu bringen. Das gehört natürlich zu seiner Kunst, klar, es ist halt keine, die an die Emotionen appelliert. Singulär ist sie in jedem Fall. (5.1.)