Ex Machina von Alex Garland. England, 2015. Domhnall Gleeson, Alicia Vikander, Oscar Isaac, Sonoya Mizuno

   Ein junger Programmierer gewinnt ein internes Preisausschreiben: Eine Woche in der entlegenen Behausung vom großen Boss, einem legendären Tüftler, der seit langem schon an der Entwicklung der ultimativen künstlichen Intelligenz bastelt. Der aktuelle Prototyp heißt Ava, und Nathan bittet Caleb nun, in einer Reihe von Testgesprächen zu ermitteln, ob Ava tatsächlich künstliche Intelligenz besitzt, oder ob das Modell noch weiter verbessert werden muss. Caleb fühlt sich sofort zu Ava hingezogen, erst recht, als sie ihn vor Nathan warnt und ihre Befürchtung äußert, er würde sie einfach abschalten, falls sich erweist, dass sie noch unvollkommen sei. Eine vierte Person befindet sich noch in dem Haus, Kyoko, eine Art Hausdienerin, die Nathan offenbar auch noch als Sexobjekt dient. Die Spannung zwischen den beiden Männern steigt in dem Maße, da Calebs Fluchtplan Gestalt annimmt. Natürlich kommt am Ende alles wieder mal ganz anders, denn: Vertraue niemals einer Frau, die dir schöne Augen macht – auch nicht, oder besser erst recht nicht, wenn sie nur ein Roboter ist!

   Und so enden unsere dummen schwanzgesteuerten Kerle: Der eine kriegt ein Messerchen in den Bauch, der andere wird in dem Hochsicherheitshaus eingesperrt ohne Chance, sich jemals zu befreien – und die Konkurrentin kriegt von Nathan vorher noch den halben Schädel weggehauen, macht ja nichts, ist ja auch nur ´ne Maschine, so regelt man das halt unter Mädels. Aber ganz im Ernst stößt der Film schon ein paar leicht provozierende Gedanken zum Thema Geschlechterrollen an, denn wenn man sich Nathans bisherige Sammlung in den Schränken so ansieht, ergibt sich eine doch sehr einseitige Funktionszuweisung, die etliche Fragen bezüglich der sogenannten Schönen Neuen Welt aufwirft, die hier von den Herren der Schöpfung ersehnt wird, und das hat auch mit Nathans Vorstellungen von künstlicher Intelligenz zu tun, die er zumindest bezogen auf „weibliche“ Roboter in recht enggesetzten Grenzen zu verstehen scheint. Kyoko ist noch nicht so weit, diese vorausgesetzte Ordnung zu hinterfragen, Ava hingegen geht einen Schritt weiter, manipuliert Caleb geschickt dorthin, wo sie ihn braucht und macht sich seine sichtliche Zuneigung zu ihr sehr kühl zunutze – oder wurde sie von Nathan am Ende genau dafür programmiert? Seine entgeisterte Reaktion, als er feststellt, dass Caleb ihn ausgetrickst hat und Ava tatsächlich frei ist, scheint in eine andere Richtung zu weisen, doch in dieser Geschichte darf man sich niemals sicher sein. Das Motiv des Geschöpfs, das aus seinem Käfig ausbricht, sich gegen den Schöpfer richtet und sich schließlich selbständig macht, ist sicherlich nicht neu, und insofern ist die Story recht vorhersehbar, aber wenn der Film gut gemacht ist, soll mich das nicht weiter stören. Und Alex Garland ist wirklich ein äußerst stark inszenierter Film gelungen, ein extrem effektvolle, suggestive Mischung aus Science Fiction, Erotik und Horror, schön schleichend und langsam aufgebaut als intensives, klaustrophobisches Kammerspiel zwischen der verlogen lockeren, bier- und wodkaseligen Männerkumpanei und den faszinierenden Begegnungen Calebs und Avas, die entscheidend sind für die weitere Entwicklung der Ereignisse und auch für die reizvolle Frage, wer hier eigentlich die Kontrolle hat – derjenige, der von sich glaubt, sie zu haben, der geniale Programmierer und Manipulator oder vielleicht doch seine jüngste Entwicklung, die sich gefährlich verselbständigt. So ist diese Story aus mehreren Komponenten zusammengesetzt, die der gelernte und versierte Autor Alex Garland gekonnt mal in die eine, mal in die andere Richtung ausschlagen lässt, je nachdem, wer oder was gerade gefragt ist. Ein bisschen Hybris, ein bisschen totalitäres Überwachungssystem, eine gehörige Dosis übersteigerten Sexismus‘, und letztlich dann doch wieder „nur“ eine Liebesgeschichte, die den Stein mal wieder ins Rollen bringt, denn wenn Caleb sich nicht in Ava verliebt hätte, wäre all dies niemals zustande gekommen, und um das vorauszusehen, muss man nicht besonders intelligent sein, man muss nur wissen, wie Jungs ticken, und das ist leider denkbar schlicht, und da machen Nathan und Caleb gar keine Ausnahme. Der eine leidet an Größenwahn und Allmachtphantasien und verliert zunehmend den Kontakt zur Wirklichkeit, weil er sich ganz einfach seine eigene konstruiert, der andere hat sich sofort in den schönen Roboter verguckt und vergisst zwischendurch ganz einfach, dass er es eben mit einer von Menschenhand erschaffenen Maschine zu tun hat und nicht mit einem Wesen aus Fleisch und Blut, auch wenn die Täuschung zugegeben äußerst verlockend ausgefallen ist. Abgesehen von der sexuellen Rivalität kreisen die beiden Herren um die strittige Frage, was man unter Intelligenz zu verstehen hat, ob man sich allein auf die Ratio stützen sollte, wenn es um die perfekte Kreation geht, oder ob doch eine gewisse unkalkulierbare, sozusagen menschliche Komponente hinzukommen muss. Ausgerechnet Mastermind Nathan favorisiert dies ganz offenbar, stichelt immer wieder gegen Calebs steifes Akademikergehabe, appelliert an seine Sinne, seine Affekte, seine Instinkte, zu denen der etwas unbeholfen und schüchtern wirkende Caleb nicht gerade den spontansten Zugang hat, während Nathans seinerseits sich vorzugsweise mit reichlich Alkohol enthemmt und mithilfe der perfekt gestylten Gespielin Dampf ablässt.

 

   Künstlerisch ist das sehr überzeugend gelöst, mit Bildern zwischen grandiosen Naturimpressionen und den kargen, fast abstrakten Innenräumen, effektvoller elektronsicher Musikuntermalung und vier Hauptdarstellern, die ihre Sache mehr als gut machen, wobei Alicia Vikander die deutlich komplexeste Rolle hat und sie mit Bravour meistert, weil sie die Grauzone zwischen Maschine und Mensch sichtbar, fühlbar macht, sich ganz subtil mal in auf diese, mal auf jene Seite bewegt, und letztlich uns Zuschauer genau so geschickt beeinflusst wie den guten Caleb. Genau wie er möchten auch wir gern glauben, sie habe im Grunde doch sehr menschliche Eigenschaften, genau wie er vermögen auch wir bis zuletzt nicht ganz zu erfassen, woraus ihre Initiative entspringt – ist es ausschließlich Nathans Programmierung oder zeigt sich hier doch eine eigenständige Intelligenz, die er immer zu schaffen angestrebt hatte? Spannendes, vieldeutiges Genrekino, exzellent gemacht und mit reizvollen Denkansätzen ausgestattet. Was will man mehr? (27.4.)