While we’re young (Gefühlt Mitte Zwanzig) von Noah Baumbach. USA, 2015. Ben Stiller, Naomi Watts, Adam Driver, Amanda Seyfried, Charles Grodin, Brady Corbet, Maria Dizzia, Adam Horovitz

   Stadtneurotiker, also ich meine die wirklich echten Stadtneurotiker, gehören natürlich nach New York. Intellektuelle in allen möglichen Krisen gehören auch nach New York. Noah Baumbach tummelt sich also im Woody-Allen-Land, und man meint die Hommage an den alten Meister auch an jeder Straßenecke wahrnehmen zu können. Die Hommage an die Stadt und ihre Leute sowieso, die hübschen Bilder, die erlesene Musik und dann das gewohnte Personal aus Kunstschaffenden in jeder Form, alt und jung, etabliert und aufstrebend, angesagt und weniger erfolgreich, die flotten Dialoge und das wortreiche unentwegte Kreisen um die ganz großen Themen – jedenfalls soweit es die New Yorker Kulturschickeria betrifft.

   Josh und Cornelia sind Mitte Vierzig, kinderlos (eher unfreiwillig), er ist ein Hochschuldozent und Filmemacher in der Schaffenskrise, sie die Tochter eines sehr renommierten Dokumentarfilmemachers, der seinen übermächtigen Schatten auch stets und ständig auf den zaudernden Schwiegersohn fallen lässt. Nach zwanzig Jahren Ehe hat sich zwischen den beiden eine gewisse Routine etabliert, die von den großen Gefühlen der ersten Jahre nicht mehr viel erahnen lässt, mit der beide aber scheinbar ganz gut leben. Sie lernen das junge Paar Jamie und Darby kennen, als Jamie in Joshs Vorlesung seine Bewunderung für dessen bislang einzigen Film äußert. Anfangs eher widerwillig lassen sich Josh und Cornelia von den beiden jungen Leuten vereinnahmen und erleben eine regelrechte Frischzellenkur, kommen in Kontakt zum neuen hippen Lifestyle und entdecken sich auch als Paar neu. Weil Jamie aber ebenso smart wie zielstrebig ist und genau weiß, wo er andocken muss, um voranzukommen, gerät Josh allmählich ins Hintertreffen, und bald ist die generationsübergreifende Harmonie vorbei. Gleichzeitig schreitet die Entzweiung mit einem befreundeten, gleichaltrigen Ehepaar dramatisch voran, weil die nach der Geburt ihres ersten und lang ersehnten Babys plötzlich in eine ganz andere Sphäre abdriften und für das kinderlose Paar keine Zeit mehr haben. Am Schluss sind Josh und Cornelia nach einigen grotesken Eskapaden wieder zusammen, und vielleicht haben sie den Umweg gebraucht, um erneut zu begreifen, was sie an einander haben. Und sie sitzen im Flugzeug nach Port-au-Prince, wo sie ein Baby adoptieren werden, damit sie endlich auch zur großen Gemeinschaft aller Eltern zählen dürfen. Allein der allerletzte Blick auf ein fettes kleines Gameboy spielendes Monstrum trübt ihre Vorfreude ein klein wenig…

   Baumbachs Film hat die Stärken aller Filme dieser Art, sofern man dies ganz spezielle Milieu grundsätzlich wertschätzt: Ein paar gekonnt gezeichnete Hauptfiguren, ebenso gekonnt geschliffene Dialogsätze, die oben angesprochene erlesene Bild-Musik-Kombination, und eine ansprechende Vermischung von satirischem Humor und ernsthafteren Motiven. Joshs Midlifecrisis steht im Mittelpunkt, seine Stagnation als Künstler und auch als Mensch, die er mit allen Mitteln zu überwinden versucht, erst recht im Kielwasser des zwanzig Jahre jüngeren Jamie, der sich leicht und locker durch alle Situationen laviert und am Schluss als berechnender, recht skrupelloser Plagiator dasteht, der es mit der Wahrheit nicht gar so genau nimmt, was für einen Dokumentarfilmer natürlich die große Todsünde überhaupt ist. Joshs moralische Entrüstung wirkt ein wenig einfältig, genau wie Jamies Unschuldspose zynisch wirkt, und so kriegt die ganze Kulturszene schon ein bisschen ihr Fett ab, aber nicht zu sehr. Baumbach ist bestenfalls ironisch und gibt sich auch nicht mit allen Protagonisten gleich viel Mühe. Während Stiller und Watts ihre Figuren durchaus etwas in die Tiefe entwickeln können, bleiben die beiden Jungen ein wenig kalt und oberflächlich, wirkt ihr Porträt überraschend lieblos und letztlich auch etwas verurteilend. Joshs beharrliches Strampeln um Integrität und seine Werte prägt den Film und seinen Ton im Ganzen, sein Anrennen gegen die hohe Mauer, die ihm der blasierte Schwiegerpapa hingebaut hat, seine rührend unbeholfenen Bemühungen, wieder jung zu sein, sein grässlich männliches Selbstmitleid, sein ebenso männlicher Egoismus, aber auch sein Witz und sein Scharfsinn. Naomi Watts als Cornelia bleibt trotz einiger wunderbarer Momente eher im Hintergrund (was mir persönlich sehr leid getan hat), und Amanda Seyfried wird gleichsam zur Staffage reduziert (was mich persönlich weniger gestört hat…) – das passt auch ins Bild, denn diese Intellektuellenfilme sind zumeist Männersachen, mit allem, was dazugehört. Immerhin gibt es genügend Szenen, die uns signalisieren, dass Baumbach das ganze Geschehen nicht allzu ernst nimmt, obwohl ich auch feststellen musste, dass sein Wortwitz ganz deutlich hinter dem von Woody Allen zurücksteht.

 

   Im Vergleich zum Weltgeschehen sind die Wehwehchen dieser Herrschaften Peanuts, gar keine Frage, aber die eine oder andere witzige Betrachtung der unterschiedlichen Generationen, ihrer Werte, Gewohnheiten und Überzeugungen kommt schon dabei rum. Baumbach steht wie schon gesagt den Vierzigern sehr viel näher als den Zwanzigern, mit denen er emotional gesehen scheinbar wenig anzufangen weiß, aber er ist autonom genug, um sich keiner Gruppe anzubiedern, auch dem Publikum nicht, er bleibt wie gewohnt ein wenig sperrig und eigenwillig. Er macht keine Filme, mit denen ich augenblicklich warm werde, und „Der Tintenfisch und der Wal“ hat mir unterm Strich auch deutlich besser gefallen, mit diesem hier ist es mir etwa wie mit „Frances Ha“ gegangen, ganz nett und geistreich das alles, aber nichts, was mir wirklich nahe geht. (17.8.)