Irrational Man von Woody Allen. USA, 2015. Joaquin Phoenix, Emma Stone, Parker Posey, Jamie Blackley
Hier ist also Woodys Modell anno 2015, mal wieder was Kriminelles: Philosophiedozent mit diversen Seelenblähungen und Impotenz entdeckt den Sinn des Lebens neu, indem er einen fiesen Richter, der eine Mutter im Scheidungskrieg um ihre beiden Kinder bringen will, mit Zyankali meuchelt. Sein jäher Höhenflug (jetzt kriegt er ihn auch wieder hoch…) kommt ins Stocken, als die junge Geliebte (eine seiner Studentinnen natürlich) wenig Verständnis für seine verquasten theoretischen Begründungen hat, und als ein unschuldiger Mann festgenommen wird und verurteilt zu werden droht, stellt sie ihm ein Ultimatum. Er versucht, den Schwung des ersten Mordes in eine weitere Tat mitzunehmen, doch das Unternehmen am offenen Fahrstuhlschacht geht leider daneben…
Was Allen in „Match Point“ noch so fabelhaft gelang, ein bös abgründiges Spiel mit Moral und Amoral, zündet diesmal nicht so recht und beweist, wie extrem schwierig und delikat der Gang auf dem Drahtseil ist. Man benötigt vor allem einen Protagonisten, mit dem man trotz all seiner Verfehlungen, Irrwege und Verbrechen sympathisiert, mit dem man fiebert, zu dem man hält, dem man wünscht, aus allen kniffligen Situation heil herauszukommen. In „Match Point“ hat das wunderbar geklappt, hier nicht, weil erstens Joaquin Phoenix absolut kein Woody-Allen-Schauspieler ist, sondern viel zu schwer und dunkel und träge, und weil sein Abe Lucas zweitens auch keiner ist, der mein Herz sonderlich erwärmt hätte. Einer von vielen klugschwätzenden, egozentrischen, jammernden Intellektuellen, mit denen die Welt Woody Allens so übermäßig dicht bevölkert ist, die sich klasse dazu eignen, über sie zu lachen, die man aber eigentlich nicht so gern ernst nehmen müssen möchte.
Als Comedy ist dieser Film leider nicht sehr tauglich, dazu fehlt einfach der gewohnte Wortwitz, als ironisches, manchmal auch bissiges Moralstück im Prinzip schon, und zwischendurch finden sich auch einige sehr gekonnt inszenierte Passagen, die den hinterhältigen Sog der Hybris und des Verbrechens effektvoll einfangen, doch dem gegenüber gibt’s auch einige beträchtliche Leerstellen, vor allem in der Zeit nach dem Mord, wo die Dramaturgie mehr und mehr durchhängt, bis dann erst die Festnahme des Unschuldigen für dringend notwendigen neuen Sauerstoff sorgt. Die Liebesgeschichte zwischen Professor und Studentin ist klischeehaft bis dorthinaus, und wird leider auch nicht sonderlich inspiriert erzählt, obgleich Emma Stone wiederum eine ausgezeichnete Woody-Allen-Schauspielerin ist und sich leicht zum Stammpersonal mausern könnte. Die wenig originelle Dreiecksgeschichte im gepflegten Rhode-Island-Campusmilieu wird ergänzt durch eine Nebenbuhlerin in Gestalt von Parker Posey, die so eigenartig verkrampft und gehemmt spielt, als würde sie dauernd an der Kamera vorbei auf ihre Texttafel starren, was ich so bei Woody Allen überhaupt noch nicht erlebt habe. Emma Stones Freund wiederum ist ein völlig farbloser College Boy, soll heißen, es fehlt schlicht und einfach an starken Figuren in diesem Stück, meine Anteilnahme zumindest haben die Akteure nicht gehabt, mit Ausnahme der Studentin halt, und so funktioniert der Plot im ganzen nicht so wirklich. In „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ vor ewigen Jahren hat Woody Allen ja schon mal das Thema ein wenig durchgespielt, damals übrigens auch auf ziemlich holprige und wenig überzeugende Weise wie ich fand, und auch diesmal kann er dem Mord aus intellektuell-philosophischer Überlegenheit nicht sehr viel abgewinnen, weder in Richtung eines Dramas noch in Richtung einer Komödie. Irgendwo dazwischen bleibt dieser Film hängen, ich hab ihn lediglich als leidlich unterhaltsam angesehen, die bewährt gediegenen Postkarten von Darius Khondji sind eben nicht mehr als Postkarten, und, naja, jetzt heißt es also wieder warten auf den nächsten, der ja schon längst im Dreh befindlich oder bereits abgedreht ist. Angeblich sogar mit Bruce Willis, du lieber Himmel. Ich wollte eigentlich schon gar nicht mehr mitgehen dieses Jahr (was ja eigentlich ganz und gar undenkbar scheint), hab mich dann doch breitschlagen lassen, aber vielleicht ist so langsam der Punkt gekommen, da auch der ewige Woody mal ans Aufhören denken sollte. Die Zeit, wo ein Kinojahr ohne ihn ein unvollständiges war, ist jedenfalls Geschichte. (14.11.)