Lost River von Ryan Gosling. USA, 2014. Christina Hendricks, Iain de Caestecker, Saoirse Ronan, Matt Smith, Ben Mendelsohn, Eva Mendes, Reda Kateb, Barbara Steele

   Wenn man’s wohlwollend sehen will, könnte man sagen, dass dies ein echt kurzweiliger Film ist – gerade wenn man denkt, jau, jetzt kann‘s eigentlich losgehen, isser schon vorbei, sind satte hundert Minuten vergangen! Die fühlen sich zugegeben nicht so an. Ich jedenfalls saß da und dachte, wie, das war‘s schon??? Und das bleibt am Schluss wohl am ehesten übrig, eine leichte Ratlosigkeit, eine leichte Leere, das Gefühl, dass sich hier irgendwie gar keine richtige Story entwickelt hat. Und bei Tageslicht besehen ist das auch so. Ryan Gosling schaufelt in diesem seinem Regiedebut zwar jede Menge suggestive heiße Luft um die Ecke, aber auf den sprichwörtlichen Punkt kommt er nicht so recht.

   Wir sehen eine postindustrielle urbane Wüste, halb verfallen, halb in Ruinen, halb schon wieder von der wuchernden Natur zurück erobert. Die meisten Bewohner haben die Gegend Richtung Süden verlassen, ein paar sind geblieben und erfreuen sich nun der tyrannischen Herrschaft von Mr. Bully der zusammen mit seinen Schergen die Herrschaft über die Stadt an sich gerissen hat und diese mit allen Mitteln behauptet. Wer es beispielsweise wagt, sich an den verbliebenen Kupferresten in Häusern und Fabriken zu vergreifen, die man noch zu Geld machen könnte, kriegt mächtig Stress, so wie Bones, der sich immer wieder auf den Weg macht, um dann auf dem Schrottplatz ein paar Dollars einzutauschen, um seiner Ma und seinem kleinen Bruder unter die Arme zu greifen. Die drei leben ohne Vater in ihrem alten Haus, das ständig vom Abriss bedroht ist, und in ihrer Verzweiflung nimmt Mama Billy einen reichlich dubiosen Job von einem noch dubioseren Typ an – sie soll in einer verruchten Vergnügungsstätte makabre Stunts aufführen, in erster Linie aber soll sie dem besagten Herrn wohl zu Diensten sein. Bones entdeckt auf der Flucht vor Bullys Leuten eine überwachsene Straße, die direkt in einen Stausee zu führen scheint, und hört von seiner Freundin Rat die Geschichte des Fluchs von Lost River, der einst zur Energie- und Trinkwassergewinnung angestaut wurde und dabei mehrere Dörfer in sich begrub, unter anderem auch einen Dinosaurierpark. Seither liegt ein Fluch auf dem See, und die Legende besagt nun, dass dieser Fluch gebrochen werden kann, wenn man eines der Urzeitwesen aus den Tiefen des Wassers wieder an die Oberfläche holen kann. Wir wissen schon, worauf das Ganze hinauslaufen wird und was Bones tun muss, um sich und die anderen von Bullys Brutalterror zu befreien und auch seine Ma aus den Fängen des Nachtclubs zu retten.

   Spätestens wenn er mit diesem Fluch um die Ecke kommt, verspielt Gosling einen Teil des Kredits, den er zuvor mit viel Eifer und Mühe erwirtschaftet hat. Er tritt ganz ungeniert in David Lynchs Fußstapfen, serviert uns ein abseitiges Gruselkabinett randvoll mit merkwürdigen, bedrohlichen, jenseitigen und allgemein schrillen Gestalten, etabliert eine überaus ominöse, mysteriöse Atmosphäre, die allerhand erwarten lässt, und dann verpufft das Ganze in einer recht banalen Seifenblase, die sich in Wohlgefallen auflöst, sobald Bones einen Saurierkopf unten im Wasser absägen und nach oben befördern kann. Das heißt, dass Gosling eigentlich gar keine Geschichte erzählt, er schafft ein paar Schauplätze und Konfliktfelder, doch dann vergisst er, eine Entwicklung voranzubringen, so etwa wie Spannung oder eine Dramaturgie. Kurz nach der Exposition ist praktisch Schluss, und die eigentlich so gekonnt aufgebaute Erwartung fällt einfach ins Leere, nur dass Gosling ganz im Unterschied zu Lynch am Schluss alles in Wohlgefallen auflöst und wenig Fragen offen lässt.

 

   Künstlerisch ist das ziemlich gut anzusehen, dunkle, dichte, zähe Bilder, psychedelisch und fiebrig, eine postapokalyptische Szenerie aus Gewalt und Gesetzlosigkeit, die Schauspieler passen ausgezeichnet dazu, und so wie ihre Charaktere angelegt sind, fühlt man sich eher an eine Graphic Novel als Ursprungstext erinnert. Doch die attraktive Oberfläche wird nicht gedeckt von den inhaltlichen Qualitäten, denn da hapert‘s für meine Begriffe ziemlich, weshalb dieses Debut unter dem Strich eine recht unausgegorene Sache ist. Falls Gosling noch einen Versuch hat, sollte er vielleicht in Erwägung ziehen, einen professionellen Schreiber zu engagieren. Falls… (2.6.)