Fasandræberne (Schändung – Die Fasanentöter) von Mikkel Nørgaard. Dänemark/Schweden/BRD, 2014. Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Danica Curcic, Pilou Asbæk, David Dencik, Johanne Louise Schmidt, Beate Bille, Peter Christoffersen, Søren Pilmark

   “Erbarmen”, die erste Verfilmung der Carl-Mørck-Serie von Jussi Adler Olsen zog vor zwei Jahren nicht zu Unrecht einigen Missmut auf sich, unternahm sie doch den von vornherein ungünstigen Versuch, einen umfangreichen Roman auf mundgerechte neunzig Minuten einzudampfen. Herausgekommen ist seinerzeit ein zwar spannender und guter, aber in einiger Hinsicht auch unbefriedigender Film, jedenfalls einer, der viele der Adler-Olsen-Fans enttäuschte. Zu denen gehöre ich zwar nicht so unbedingt, finde aber auch, dass die Macher mit dem zweiten Film „Schändung“ einem großen Schritt nach vorn und eigentlich fast alles richtig gemacht haben. Nikolaj Arcel und Mikkel Nørgaard zeichnen erneut für das Gesamtkonzept verantwortlich, und als hätten sie sich die Kritik von 2013 zu Herzen genommen, haben sie glatt eine halbe Stunde draufgepackt und so dafür gesorgt, dass die Essenz des Romans, sprich die Entwicklung der Handlung und der beteiligten Personen, sehr viel gewissenhafter und adäquater fürs Kino umgesetzt werden konnte. Herausgekommen ist dabei zweifellos einer der besten Skandinavienkrimis der letzten Jahre, qualitativ in vieler Hinsicht anknüpfend an die Millenniumfilme nach Stieg Larsson und die besten der TV-Serien und vor allem ein sehr vielversprechender Wegweiser für die weiteren geplanten Folgen, die hoffentlich noch gedreht werden. Nun, so scheint es, ist die endgültige Form gefunden, gute zwei Stunden sind einfach notwendig, um die für Adler Olsen typische Handlungsführung und die sorgsame Eskalation der Spannung halbwegs nachvollziehbar werden zu lassen, und da die dunkle, fiebrige Bildsprache bereits im ersten Film etabliert war und hier eins zu eins übernommen wurde, ebenso wie das tolle Darstellerteam Nikolaj Lie Kaas und Fares Fares, bildet „Schändung“ einen schönen Prototyp für das (hoffentlich) kommende.

   Mit Stieg Larsson verbindet den Roman eine ebenso polemische wie krasse Attacke auf eine rücksichtslose, brutale, geradezu sadistische Eliteklasse, die sich auf dem Internat die Hörner abstößt, um dann im späteren Berufsleben die erworbenen „Meriten“ gewinnbringend einzusetzen. Eine kleine Gruppe von Schülern begeht an den freien Sonntagen grausame Überfälle, die schließlich in einen Doppelmord an einem Zwillingspaar münden. Die beteiligten Jungs sind Söhne aus gutem Hause, und schnell ist ein Sündenbock gefunden, der mit Unterstützung des flugs bestellten Nobelanwalts eine lächerlich geringe Strafe absitzt und danach reich entschädigt weiterleben darf. Ein Gruppenmitglied jedoch, die schwangere Kimmie, die zuvor maßgeblich an der ständigen, zumeist drogenstimulierten Steigerung von Sex und Gewalt beteiligt gewesen war, ist schockiert von der furchtbaren Untat, hat plötzlich genug, steigt aus wird fortan verfolgt. Sie lebt zwanzig Jahre lang auf der Straße, zusammen mit ihrem nach schlimmer Misshandlung durch die Gruppe totgeborenen Baby, und erst als das Sonderdezernat Q auf den Fall stößt, gerät sie erneut ins Visier sowohl der Polizei als auch der „Freunde“ von einst.

   Es hat nicht sehr viel Sinn, die Geschichte nach ihrem Plausibilitätsgehalt zu befragen. Jussi Adler Olsen schreibt äußerst konstruierte Romane, die oft ein kunstvoll gesponnenes Netz aus Motiven und Bezügen zwischen einst und heute entstehen lassen, und natürlich fragt man sich jedesmal, wie es geschehen kann, dass bei den damaligen Ermittlungen dermaßen viele Details übersehen wurden, in die sich Mørck und sein Kollege Assad nun verbeißen, und wie nach Jahrzehnten noch so viel neues, bislang unberücksichtigtes Material zusammengetragen werden kann. Man muss diese Prämisse einfach schlucken, weil offenbar sämtliche Romane darauf basieren, und es liegt ja auch ein beträchtlicher Faszinationsgehalt in dieser Aufarbeitung lang zurückliegender Tragödien und Verbrechen – siehe auch Stieg Larssons erstes Buch aus seiner Trilogie. Auch zeichnen sich einige der Charaktere nicht gerade durch differenzierte Schattierungen aus – die Täter sind Monstren, finstere Dämonen, nicht selten psychisch schwer gestört, die vor allem noch immer aktiv sind, sonst könnten sie kaum gestellt werden. Und mit Kimmie hat Adler Olsen wohl seine persönliche Version einer Lisbeth Salander entwickelt, einen grimmigen, sehr schlagkräftigen Racheengel, der seinen Weg bis zum bitteren Ende geht, nur anders als Lisbeth selbst mit dem Leben bereits abgeschlossen hat. Dem brummigen, in menschlichen Dingen bestenfalls unbeholfenen und meist schlicht unausstehlichen Mørck kommen wir leider nicht viel näher, so wie es ihm nicht gelingt, seinem Stiefsohn näher zu kommen und wie es auch dem stets bemühten Assad und der neu hinzugekommenen Assistentin Rose nicht gelingt, ihrem Chef näherzukommen. Das wird sich vielleicht erst ganz allmählich im Lauf der Zeit ergeben.

 

   „Schändung“ jedenfalls ist erstklassiges Spannungskino, das jedenfalls bei mir absolut keine Wünsche offen gelassen hat – fabelhaft gespielt, eindrucksvoll fotografiert und perfekt getimt, dicht, intensiv, überaus düster, von Anfang an unter Spannung stehend, die sich dann kontinuierlich steigert. Ein besseres Programm für einen trüben Sonntagnachmittag kann ich mir kaum denken, und diesmal ist auch die Fallhöhe zum abendlichen „Tatort“ sehr deutlich… (1.2.)