Taxi von Kerstin Ahlrichs. BRD, 2015. Rosalie Thomass, Peter Dinklage, Stipe Erceg, Özgür Karadeniz, Robert Stadlober, Tobias Schenke, Antoine Monot jr., Armin Rohde, Leslie Malton

   Nach dem (stark autobiographischen) Roman von Karin Duve, die auch gleich das Drehbuch verfasst hat, und das ist gut so, so weiß man wenigstens, dass jede Änderung, Kürzung oder was auch immer voll aufs Konto der Autorin geht, und alles, worauf sie Wert gelegt hat, so weit wie möglich im Film wieder vorkommt.

   Alex hat die Versicherungslehre geschmissen und fährt lieber Taxi. Ihr Bruder trägt Pullunder ohne Arm und mit V-Ausschnitt (wir befinden uns mitten in den 80ern!) und sagt ihr klipp und klar, dass er später nicht für sie aufkommt, die Mama ist auch nicht amüsiert, und Alex selbst weiß genau, dass dies keine Lösung auf Dauer ist. Sie fängt als Fahrerin für Mergolan an, möchte am liebsten nur nachts fahren und lernt so die Stadt und ihre Leute von einer neuen Seite kennen. Sie fängt was mit ihrem Kollegen Dietrich an und fängt auch was mit Marc an, aber das stört sie nicht weiter, denn eine richtige Beziehung will sie sowieso nicht. Da hat sie aber die Rechnung ohne die Herren gemacht und muss bald feststellen, dass ein Leben ganz ohne Verpflichtungen und Verantwortung, so wie sie es sich vielleicht vorgestellt hatte, nicht realistisch ist. Also übernimmt sie Verantwortung, sucht sich eine eigene Wohnung und nabelt sich vom öden Elternhaus ab, beschert ihrem Chef den gewünschten Totalschaden (weil er daran am meisten verdienen kann), schickt den selbstverliebten Dietrich in die Wüste, wo er hingehört, sagt den Kollegen, was für Arschlöcher sie sind, und wird sich wohl zu Marc bekennen, der durch all das Hin und Her nie ganz aufgegeben hat.

   Das ist zunächst mal ein Hamburgfilm, und damit hat er bei mir schon halb gewonnen. Eine in dieser Form seit langem nicht gesehene, klassische Hommage an eine tolle Stadt (ja genau, die tollste, die’s hierzulande gibt, egal, was die Berlinanhänger glauben!), die Straßen, die Plätze, die Kneipen, die Clubs, die Hinterhöfe, den Hafen, die Brücken, die Leute und ihre Sprache rau aber herzlich, alles atmet die geliebte Atmosphäre der Hansestadt, und dafür bin ich schon mal ehrlich dankbar. Sowieso ist dies ein äußerst schöner Film, eine richtige Nachtschatten-Großstadtballade mit viel herbem Witz und Charme, gerade so kratzbürstig wie die Hauptfigur, die Rosalie Thomass mit vollem Gusto rüberbringt, mal rotzig und bockig, mal verletzlich und zärtlich, höchst selten lächelnd, immer misstrauisch und auf Abwehr, dass ihr auch ja niemand zu nahe kommt. Im Grunde ist sie mit einigen echten Frauenthemen unterwegs, nur würde man hier nicht gerade von einem feministischen Pamphlet sprechen, aber gerade solche Filme (oder auch Bücher selbstverständlich), die das nicht an die große Glocke hängen, transportieren manchmal viel mehr Substanz als die ausgewiesenen Gesinnungsstücke. Auch in dieser Hinsicht kommt mir „Taxi“ sehr angenehm vor, geradezu bescheiden, ganz und gar nicht beseelt von einem großen Anliegen oder einer Botschaft, erst mal nur eine recht persönliche Geschichte einer jungen Frau, die im Moment nicht so recht weiß, was und wohin, und die ihre Ratlosigkeit, Unsicherheit und Unzufriedenheit gern an ihrer Umwelt auslässt (wer täte das nicht). Sie guckt sich das Taxifahren aus, gerade so, als wolle sie sich selbst beweisen, dass sie auch in einer typischen Männerdomäne zurechtkommt, und das kriegt sie auch ganz gut hin, obwohl es ihr wahrlich nicht leicht gemacht wird, denn manch ein Kollege führt sich wie ein hundertprozentiger Machoarsch auf und hilft Alex nicht gerade dabei, insgesamt ein wenig lockerer und geduldiger zu werden. Einzig Marc fordert sie menschlich mehr als sie zunächst erlauben will. Marc, das ist genau der fiese Intrigenzwerg aus „Game of Thrones“, aber der ist diesmal ganz handzahm und meint es sogar richtig ernst mit Alex, die zunächst nur auf Sex ohne Verpflichtung aus ist und ihm das auch klipp und klar darlegt, bis er ihr schließlich erklärt, dass er so nicht mehr mit sich umspringen lässt und sie sich gefälligst entweder ganz zu ihm bekennt oder die beiden es besser bleiben lassen. Dieses Ringen pro und contra feste Bindung steht ein wenig im Zentrum, drumherum gibt’s aber genug amüsante Schauplätze, um die Geschichte höchst unterhaltsam ablaufen zu lassen. Armin Rohde ist immer mal wieder als sternhagelvoller Fahrgast mit einem übergroßen Vorrat an Lebensweisheiten dabei, Alex‘ Chef rückt ihr mitsamt Weltschmerz und Finanznot auf die Pelle, ein Affe, mit dem sie kurzentschlossen durchbrennt, verursacht einen Totalschaden, der besagtem Chef aus besagter Finanznot hilft, und wenn mich nicht alles täuscht, sieht und hört man zwischendurch auch mal die unverkenmnbar verrauchte Stimme der Münsteraner Staatsanwältin…

 

   Insgesamt eine ganz prima Sache, witzig, tough, sehr geradeaus und leicht hanseatisch unterkühlt, vortrefflich gespielt und angenehm zurückhaltend im Selbstanspruch. Ein bisschen so wie einige gute Milieufilme aus den 80ern, also in diesem Fall genau der richtigen Zeit. Aber trotzdem, die 80er – die Musik war scheiße, die Frisuren waren scheiße, die Klamotten waren scheiße. Wie schön, dass sie vorüber sind… (25.8.)