The imitation game von Morten Tyldum. England, 2014. Benedict Cumberbatch, Keira Knightley, Matthew Goode, Mark Strong, Allen Leech, Matthew Beard, Rory Kinnear, Charles Dance

   Eine wahre Geschichte: Nachdem England den Nazis den Krieg erklärte hatte, suchte man eilig einige kluge Köpfe zusammen, um in der südenglischen Militärdienststelle Bletchley Park die berühmt-berüchtigte Verschlüsselungsmaschine der Nazis, die Enigma, zu knacken. Von dem Erfolg der Operation, so suggerierte man den Beteiligten, hing maßgeblich der Verlauf des Krieges ab. Unter diesen klugen Köpfen der klügste war Alan Turing, ein eigenwilliger Mathematiker, genialer Tüftler, aufgrund seiner kruden Sozialmanieren allerdings auch ein hoffnungsloser Außenseiter. Und homosexuell, was damals in Britannien noch strafbar war und ihm schließlich auch zum Verhängnis werden sollte. Turing übernimmt recht herrisch das Kommando, reduziert die Gruppe auf insgesamt fünf Leute und arbeitet fieberhaft monatelang an der Entwicklung einer eigenen Maschine, denn seiner Ansicht nach konnte nur eine Maschine die andere dechiffrieren. Damit machte er sich natürlich vorwiegend Feinde, und weder die Scheinverlobung mit Joan, dem einzigen weiblichen Mitglied der Crew, noch ein dubioser Deal mit einem sowjetischen Spion konnten auf Dauer seine Homosexualität verbergen. Die fünf kriegen schließlich vom Militär ein knappes Ultimatum, ackern unter Hochdruck, und durch eine geniale Eingebung gelingt es Turing, seine bis dato viel zu langsam arbeitende Maschine so zu beschleunigen, dass der täglich geänderte Nazicode binnen kurzem entschlüsselt werden kann. Konsequent setzt er durch, dass die Entdeckung nicht sofort eingesetzt wird, und so werden noch viele hundert Menschenleben geopfert, um die Nazis nicht misstrauisch zu machen. Dennoch wird seiner Arbeit kriegsentscheidende Bedeutung zugeschrieben, nämlich die maßgebliche Verkürzung des Krieges und damit die Rettung von vielen Millionen. Leider nützt ihm das nichts- nach dem Krieg tauchen die Mitglieder ab, ihre Wege trennen sich, ihre Arbeit bleibt strikt geheim, und als Turing Anfang der 50er verhaftet wird und seine Geschichte erzählt, können seine Verdienste ihn nicht vor dem grausamen Schicksal der chemischen Zwangskastration bewahren. Mit knapp über 40 begeht er Selbstmord und wird erst viele Jahrzehnte später gnädigerweise rehabilitiert.

 

   Ein durchaus spannendes, flüssig gefilmtes und natürlich hervorragend gespieltes Historiendrama, über dessen faktische Ungenauigkeiten ich gern hinwegsähe, doch schon nach kurzem Betrachten im Nachhinein spürte ich eine leise Enttäuschung, gerade angesichts des starken Themas. Der Film ist einfach zu bieder, zu gefällig und kann sich selbst nicht auf einen Schwerpunkt einigen. Einige Szenen aus Turings Jugendzeit mitsamt einer unglücklich verlaufenden ersten Liebe zu einem Mitschüler in der Schule deuten den Versuch an, tiefer in seine verquere Persönlichkeit einsteigen zu wollen. Merkwürdigerweise lassen die Szenen aus der Gegenwart, also 1939 bis 45, in dieser Richtung sehr viel zu wünschen übrig, denn die sind viel mehr mit dem Kampf gegen den Enigmacode befasst. Dazu gibt’s noch ein bisschen halbherzigen Zeitkolorit, ein paar flüchtig skizzierte zwischenmenschliche Beziehungen und einige Beispiele für Turings ungeschickte bis desaströse Umgangsformen. All dies ist ganz gut anzusehen und erzeugt durchaus Interesse und Anteilnahme, für meinen Geschmack aber ist das Drehbuch an einigen sehr entscheidenden Stellen viel zu unscharf. Ohne sich in zu viele ermüdende technische Details zu ergehen, hätte es unbedingt zumindest eine Vorstellung von Enigmas Funktionsweise geben müssen und dementsprechend auch von Turings Maschine. Wir verstehen überhaupt nicht, welche Idee dahinter steckt, worin genau Turings Arbeit und Genialität eigentlich bestand, erfahren auch nicht, was die anderen aus der Gruppe dazu beitrugen, sodass auf diesem Gebiet sehr viel Spannung verloren geht. Plötzlich steht das Ungetüm da und knattert vor sich hin, doch ich zumindest hätte sehr gern mehr darüber erfahren. Die Behauptung, die Entschlüsselung des Codes habe den Krieg entscheidend gewendet, hätte ich gern an einigen Beispielen konkretisiert gehabt, einfach aus Interesse und weil es die Bedeutung der ganzen Operation ein wenig anschaulicher gemacht hätte. Und die eine knappe Szene aus der Nachkriegzeit, in der Joan ihren alten Freund noch einmal besucht und ein zitterndes, neurotisches, depressives Wrack vorfindet, reicht vorn und hinten nicht aus, um eine Vorstellung davon zu geben, wie unfassbar brutal und restriktiv die britische Justiz bis in die 60er mit Schwulen umging und wie katastrophal die Auswirkung dieser Gesinnung auf Turing und sein Leben war. Die Infos im Abspann ersetzen keineswegs die Leerstellen im Drehbuch, Alan Turings Geschichte wird in keiner Weise abgerundet oder irgendwie angemessen zu Ende erzählt. Sowohl Drehbuch als auch Regie entpuppen sich hier als recht oberflächlich, so als wollten sie uns arme Zuschauer nicht mit zu vielen unnötigen Details belasten – eine fatale Fehleinschätzung, denn eine solche Geschichte verlangt geradezu nach Details, dort findet sich der Stoff für das Drama, die Tragödie. Eine ganze Handvoll hochklassiger britischer Charakterköpfe tut ihr Bestes,  um den Figuren Präsenz und Leben einzuhauchen, und das schaffen sie auch ganz gut, vor allem Cumberbatch darf natürlich glänzen als unzugänglicher, sperriger Antiheld, der seine letzten Jahre offensichtlich einsam in Erinnerung an den verstorbenen Jugendfreund verbrachte, der uns aber aufgrund des allzu hastigen und flüchtigen Drehbuchs mehr und mehr entgleitet. So funktioniert das Ding nicht richtig als Charakterstudie, aber auch nicht richtig als Militär- oder Technikthriller, weil in allen Bereichen irgendwie was fehlt. Dabei bildet die Geschichte selbst doch schon eine hundertprozentige Vorlage, verbindet einen dramatischen Wettlauf mit der Zeit mit eindrucksvollen Einzelschicksalen. Dass dann nicht mehr als ein solider Unterhaltungsfilm dabei herausgekommen ist, wird nur der Kinogänger nicht bedauern, der grundsätzlich mit soliden Unterhaltungsfilmen zufrieden ist. Zu denen gehöre ich aber nicht. (4.2.)