The Visit von M. Night Shyamalan. USA, 2015. Olivia DeJonge, Ed Oxenbould, Deanna Dunagan, Peter McRobbie, Kathryn Hahn
Nachdem der Herr Shyamalan eigentlich nur noch krauses Zeug gemacht hat, und ich schon längst nichts mehr von ihm erwartete, überrascht er mich nun aufs schönste mit diesem feinen fiesen Gruselfilm und kriegt es sogar hin, auf den sonst bei ihm üblichen Schluss-„Gag“ zu verzichten, sprich er schafft es ein einziges Mal, sich nicht selbst zu sabotieren. Und ob man’s glaubt oder nicht – das ist ein Unterschied ums Ganze. Diesmal werde ich abwechselnd amüsiert und ordentlich erschreckt, aber Story und Regie bleiben bis zuletzt kohärent und verderben mir nicht den Spaß durch eine dämliche Pointe.
Eine Art Horrormärchen mit Rapeinlagen, könnte man sagen. Ein Geschwisterpaar wird von der Mama zu Oma und Opa geschickt, damit sie und ihr Lover mal ne Woche auf Kreuzfahrt gehen können. Zwar hat sie sich von ihren Eltern vor vielen Jahren im bitteren Streit getrennt, doch vertraut sie ihnen ihre beiden Racker ohne Bedenken an. Seeehr leichtsinnig, wie man sehen wird. Die anfängliche Befürchtung, die beiden seien im Lauf der Jahre einfach etwa tüdelig oder sonderbar geworden, entpuppt sich bald als fatale Fehleinschätzung, und was anfangs für Verwirrung oder ungute Gefühle sorgte, endet in blankem Grauen, dem die Kids selbst nur unter Anwendung roher Gewalt entkommen können. Immerhin kann die Mama ihrer Tochter abschließend eine dringliche Botschaft zum Thema Zorn und Vergebung vermitteln, und Sohnemann baut den ganzen Stress in einem schick improvisierten Rap ab.
Bestechend ist vor allem, wie locker der Wechsel zwischen witzigen und furchteinflößenden Momenten vollzogen wird. Zu Beginn sehen wir eine ganz normale Familie von heute, leicht chaotisch, leicht beschädigt, aber mit Lebensmut und eine intakten Binnenstruktur. Mama ist Verkäuferin bei Wal-Mart und die Kids gehen zur Schule. Rebecca, die ältere der beiden, filmt gern, weswegen die Geschichte vorwiegend im digitalen Wackelstil erzählt wird („found footage“ oder so…), Tyler macht auf dicke Hose und rappt wie gesagt. Beide haben die jähe Trennung vom Vater auf jeweils unterschiedliche Weise nicht verkraftet – Rebecca ist zornig und unversöhnlich (deswegen die finale Predigt der Mama, die nämlich mit ihren Eltern das gleiche erlebt hat und es nun bereut), Tyler hat einen Waschzwang und Hygienetick entwickelt, der auch nicht so recht zu seinem coolen Image passen will, und mit dieser Disposition treffen sie im ländlichen Pennsylvania auf ihre scheinbar schrulligen, von typischen Altersmacken gezeichneten Großeltern. Oma geistert nachts ab 21.30 durchs Haus, weshalb dieser Zeitpunkt zum großen Befremden der Kids die abendliche Deadline bildet, Opa bunkert seine vollgekackten Windeln im Schuppen, weil ihm die Inkontinenz peinlich ist. Die eigentümlichen Vorkommnisse häufen sich, die Regeln der Eskalation werden sorgsam befolgt, und irgendwann ist Schluss mit lustig, spätestens als Mama kapiert, dass Oma und Opa gar nicht Oma und Opa sind, sondern zwei höchst gefährliche Psychiatrieinsassen, die die echten Oma und Opa im Keller verscharrt haben und nun an deren statt einen auf heile Welt machen. Und dann wird’s doch arg schaurig, jedenfalls für ungeübte Horrorgucker wie unsereinen, mit einem haarsträubenden und sauspannenden Finale, das dann fast schon unerwartet doch noch einen versöhnlichen Ausklang findet. Die Kids sind heftig gezeichnet, doch haben sie gelernt, haben Grenzen überwunden und vielleicht auch für die Zukunft an Erkenntnis dazu gewonnen. Dieser Punkt war Mister Shyamalan offenbar sehr wichtig, weshalb er ihn zum Schluss auch noch mal ein bisschen hinten drangeklatscht hat. Ich hätt drauf verzichten können…
Aber sonst ist das schon stark gemacht, sehr effektvoll aufgebaut und inszeniert, launig gespielt, und vor allem Oma und Opa sind ziemlich furchteinflößend, wenn’s erstmal zur Sache geht. Ich hab für meinen Teil noch keinen so gelungenen Film von Mister Shyamalan gesehen. Nur die Freigabe ab 12 finde ich interessant – also ich als Zwölfjähriger wäre gestorben beim Zuschauen, aber was weiß ich schon von den Kids heutzutage? Und das Kriterium für die FSK ist ebenso schlicht wie oberflächlich: Wenn nicht soviel Blut fließt, können‘s auch die Kleineren schon vertragen. Wie dämlich ist das denn…? (3.11.)