A bigger splash von Luca Guadagnino. Italien/Frankreich, 2015. Tilda Swinton, Matthias Schoenaerts, Ralph Fiennes, Dakota Johnson, Corrado Guzzanti, Lily McMenamy, Aurore Clément

   Sex und Rivalität, darum ging’s schon in dem “Swimming Pool”, den Jacques Deray vor annähernd fuffzig Jahren mit damaliger Traumbesetzung (Schneider, Delon, Ronet, Birkin) an der Côte d’Azur drehte, und um Sex und Rivalität geht’s logischerweise auch in diesem Remake, das die Story auf eine südlich entlegene italienische Insel namens Pantelleria verlegt, die Handlung und die Essenz aber durchweg beibehält, und jetzt will ich mir natürlich möglichst schnell nochmal das alte Schätzchen zu Gemüte führen, um zu vergleichen, welcher der beiden Swimming Pools es besser gemacht hat.

   Guadagnino wird in jedem Fall ein sehr gewichtiges Wörtchen mitzureden haben, denn sein Film ist fabelhaft gelungen – sexy, morbide, böse, schwitzig und überaus sarkastisch. Auf eine Weise sicherlich auch berechenbar, doch das macht in diesem Fall einen nicht geringen Teil des Vergnügens aus. Man ahnt was kommt, selbst wenn man den alten Film nicht kennt, doch irgendwie freut man sich auch drauf, genießt es geradezu, denn schließlich sind wir alle fiese kleine Schweine, oder etwas nicht…

   Marianne und Paul haben sich auf die Insel zurückgezogen, fernab des großen Trubels. Sie ist eine berühmte Rocksängerin und wäre fast zugrunde gegangen am Ruhm und den Drogen und vor allem ihrem Lover und Produzenten Harry, einem rücksichtslosen Egomanen, der sie immer nur weiter trieb, bis schließlich ihre Stimme buchstäblich verschwand, und der junge Fotograf Paul gerade rechtzeitig kam, um sie zu retten. Nun genießen sie die Ruhe unter träger südlicher Sonne, werden dann aber empfindlich gestört, als eben jener Harry sie aufstöbert und mitsamt seiner angeblich zweiundzwanzigjährigen Tochter Penelope aufkreuzt und sich auf Mariannes Einladung auch noch in ihrem Hause breitmacht. Er und Paul sind denkbar verschieden, doch nicht deswegen entstehen sofort Spannungen zwischen den beiden Männern, deren eigentliches Objekt natürlich Marianne ist. Harry hat es auf sie abgesehen, will sich nicht geschlagen geben, Paul will sie weiterhin vor seinem großmäuligen, destruktiven Zugriff bewahren. Sie scheint ihrerseits aber auch noch nicht so ganz fertig mit dem Ex zu sein, und so ergibt es sich, dass sich die Paare eines Tages trennen – Marianne gondelt mit Harry auf shopping tour über die Insel, Paul und Penelope unternehmen eine Tour zur Küste, und es geschieht, was geschehen musste – Harry macht Marianne stürmische Avancen, die sie erst in allerletzter Sekunde zurückweisen kann, und Paul erliegt der Sexfalle der blonden, giftig verführerischen Penelope, die natürlich mitnichten volljährig ist. In der folgenden Nacht kommt es im Garten zu einem von Harry provozierten und forcierten Kampf der beiden Männer, der im Swimming Pool und mit Harrys Tod endet. Der ermittelnde Capitano ist zwar argwöhnisch, doch letztlich überwiegt seine Bewunderung für Marianne, und so lässt er sich lediglich eine ihrer CDs signieren und zieht strahlend von dannen.

   In rund zwei Stunden entsteht so eine Psychokiste, aus der es kein friedvolles Entkommen zu geben scheint. Von Anfang an ist die Viererkonstellation so aufgeladen mit Misstrauen und Spannungen, dass eine rein physische Lösung unausweichlich ist. Treibende Kraft ist stets Harry, eine extrovertierte Nervensäge, anstößig, aufdringlich, überschwänglich, ausgestattet mit einer sprachlos machenden Gleichgültigkeit für Situationen und Anstand. Paul bewegt sich irgendwo am entgegengesetzten Ende der Skala, ein ganz ruhiger Vertreter, der den ganzen Horror einfach nur in Frieden hinter sich bringen will. Zwischen ihnen oszillieren die Frauen, gewohnt unberechenbar, widersprüchlich, launisch. Marianne bekennt sich zwar mehrmals sehr energisch zu Paul und ihrer Entscheidung, Harry und den Showbusiness zu verlassen, doch sendet sie auch andere Signale aus, scheint sie sich noch immer zu Harry hingezogen zu fühlen. Penelope changiert zwischen sprödem, gelangweiltem Girlie und berechnendem Sexpot, gerade wie sie’s braucht, und sie ist sich ihrer Ausstrahlung sicher genug, was Paul angeht, nur braucht es etwas Arbeit ihrerseits, um ihn dann doch rumzukriegen. Aufgestockt wird dieses erotische Kammerspiel durch ein paar Nebenfiguren, die einerseits Harrys Jetsetwelt entsprungen sind und andererseits höchst konkret im Hier und Jetzt verortet sind. Die Lage der Insel weit südlich vor Sardinien prädestiniert sie als regelmäßige Ablaufstelle für Flüchtlinge aus Afrika, und so spielen sich auch auf Pantelleria verschiedene Dramen ab, total am Rande der Handlung und nur durch mündliche Überlieferung bekannt gegeben, aber dennoch irgendwie immer im Dunstkreis unseres Bewusstseins. Eine gewisse Beklemmung legt sich über den Ort, über seine Hitze, seine Ödnis, die ausgebrannte Landschaft, die etwas tristen Ortschaften. Nebenan auf Lampedusa spielt sich weitaus Dramatischeres ab, doch immerhin ist unser Capitano so gestresst, dass er sich nicht um diese vier Ausländer kümmern kann, die hier in irgendeine Leidenschaftsaffäre verstrickt zu sein scheinen.

 

   Guadagnino hat all dies als ein ebenso launisches wie atmosphärisch dichtes und bissiges Thrillerdrama inszeniert, das zunächst weitgehend die erotischen Konflikte zu beackern scheint, um dann doch noch auf die erwartete Bahn abzubiegen. Harry fordert den eigentlich gar nicht zum Kampf bereiten und gewillten Paul so lange heraus, reißt ihn geradezu mit in den Pool, attackiert ihn dort immer weiter, bis das Unheil seinen Lauf nimmt. Es scheint fast, als habe er seinen eigenen Tod provoziert, um Paul ein einziges Mal aus seiner Reserve zu locken, um ihn letztlich doch ins Unrecht zu setzen, jenen lieben, noblen Kerl, dem er zuvor nichts anhaben konnte. Seine Empörung darüber, dass Paul möglicherweise seine Penelope gevögelt hat, ist pure Heuchelei, zumal sein Verhalten dem Mädchen gegenüber zuvor mehr als ambivalent war, und sie ihn wiederum mit ziemlicher Gleichgültigkeit behandelte. Sie endet übrigens als heulendes kleines Mädchen, das von der empörten Marianne noch Schimpfe kriegt und dann ins Flugzeug gesetzt wird, zurück zur Mama, die mit ihr offenbar auch nicht fertig wird und sie deshalb jeden Sommer irgendwohin abschiebt. Fast ist es ein wenig schade, dass sich der Film nicht noch mehr mit diesem netten Früchtchen beschäftigt. Buch und Regie haben jedenfalls einen äußerst unterhaltsamen Film ausgeheckt, haben immer wieder überraschende Brüche parat, driften mal ins Psychedelische ab, mal ins Groteske, lassen Harry einen irren Stunt zu „Emotional Rescue“ abziehen oder überraschend am Schluss damit, dass im Soundtrack auf einmal Popol Vuhs „Aguirre“ erklingt, ein Stück, das ganz konkret und definitiv zu einem anderen Film gehört und das auch sofort die entsprechenden Assoziationen erweckt, weshalb ich es auf vergnügliche Art schwierig fand, diese aktuellen Bilder mit der Musik in Einklang zu bringen. Solche Unberechenbarkeiten sind hier an der Tagesordnung, und das macht viel Spaß. Am meisten Spaß machen die vier Hauptakteure, die sämtlich grandios sind, vor allem aber Fiennes und Swinton. Swinton, die fast ganz ohne Stimme spielt, nur mit ihrer schieren Präsenz, mit Mimik und Körpersprache, und die das ganz wunderbar macht, so gut eigentlich, wie ich sie selten gesehen habe. Und Fiennes habe ich überhaupt noch nie so temperamentvoll gesehen, der platzt buchstäblich aus allen Nähten, und legt sich dermaßen ins Zeug, dass es eine Show für sich ist. So hat also Derays alter Film ein in jeder Hinsicht knackiges Update bekommen, und ich freu mich schon darauf, die beiden direkt vergleichen zu können. (17.5.)