American Pastoral (Amerikanisches Idyll) von Ewan McGregor. USA, 2016. Ewan McGregor, Jennifer Connelly, Dakota Fanning, Molly Parker, Uzo Aduba, Rupert Evans, Peter Riegert, Valorie Curry, David Strathairn
Eigentlich heißt er Seymour und stammt aus einer jüdischen Familie von der Ostküste, doch aufgrund seiner stattlichen Statur, der strohblonden Haare und des blendenden Aussehens nennen ihn alle „Swede“, der Schwede, und er ist wohl das, was man einen echten Vorzeigeamerikaner nennen könnte: Ein smarter Collegeboy, angehender Marine (leider kam kein Kriegseinsatz mehr zustande…), danach umschwärmter Baseballstar, danach glänzender Geschäftsmann, der die Handschuhmanufaktur seines Vaters voranbringt, sich dann auch noch Miss New Jersey angelt und mit ihr eine hübsche blonde Tochter namens Merry hat. Doch diese Tochter stottert, und irgendwie ist dies ein Signal dafür, dass Swedes Welt auf Dauer nicht so heil und strahlend bleiben wird. Als die Familie den 50ern entwächst und in die 60er eintaucht, muss sie erfahren, dass sich Glück und Erfolg nicht planen lassen. Die 60er stehen für Vietnam, Bürgerrechtsbewegungen, Rassenunruhen, prügelnde National Guard, Lyndon B. Johnson und anderes Ungemach. An der schicken, bürgerlichen Ostküste versucht man, so weiterzuleben, als sei nichts gewesen, doch gerade für Swede und seine Gattin Dwan wird dieser törichte Plan nicht aufgehen. Denn Merry wird nicht das glattgebügelte, adrette Püppchen, das den Eltern vielleicht vorschwebt, Merry politisiert und radikalisiert sich urplötzlich, opponiert gegen das sogenannte Establishment, vor allem Dwan wird mit Hass und Verachtung gestraft, während das Vater-Tochter-Verhältnis wenigstens noch halbwegs intakt bleibt. Swede steht nun zwischen den beiden Frauen und muss sich nebenbei noch mit den Folgen der Unruhen auseinandersetzen, die nun auch in Newark ausbrechen und auch seine Firma betreffen. Zwar ist er sehr stolz darauf, überwiegend Schwarze zu fairen Bedingungen zu beschäftigen, doch rettet ihn das nicht vor dem Zorn der Demonstranten. Dann explodiert eine Tankstelle, ein Mann stirbt und Merrys verschwindet, wird als Hauptverdächtige landesweit gesucht. Monatelang keine Nachricht, dann taucht eine merkwürdige junge Frau auf, die Swede angeblich zu Merry führen will, dann aber scheinbar ganz andere Absichten verfolgt. Swede findet seine Tochter nach Jahren schließlich doch, einsam und total verwahrlost, Anhängerin einer obskuren indischen Sekte, ohne Ziel und Plan. Sie weiß nur, dass sie nicht wieder nach Hause will und wehrt Swedes verzweifelte Angebote und Bitten ab, taucht aber dennoch überraschend auf dem Friedhof anlässlich seiner Beerdigung auf. Erzählt wird die ganze Geschichte von einem alten Schulkameraden, der sie wiederum auf einem Ehemaligentreffen von Swedes Bruder hört.
McGregors erste Regiearbeit funktioniert auf der Ebene des Familiendramas ganz gut. Dank stimmungsvoller Bilder und wirklich ausgezeichneter Schauspieler gelingt das Porträt des typischen suburbanen Amerikas der 50er und 60er – sauber, zielstrebig, standesbewusst. Man trifft sich mit Freunden und Nachbarn zum Barbecue, ist zufrieden mit den korrekten, liberalen politischen Ansichten, und ist irgendwie auch vage gegen den Krieg in Vietnam, der den großen Vorteil hat, dass er im Wesentlichen weit weg ist. Swede, der einst begehrte High-School-Boy sucht sich eine ebenbürtige, in mancher Hinsicht aber auch deutlich überlegene Frau, die das Vorurteil, er habe sie nur ihres tollen Aussehens wegen gewählt, bald hinter sich lässt und nachdrücklich zeigt, dass sie ihre ganz eigenen Vorstellungen und Visionen von ihrem zuhause, ihrer Familie und ihrer Zukunft hat. Swedes Dad, ein schwieriger, sperriger, gnadenlos ehrlicher und undiplomatischer Kerl, kriegt eine Kostprobe ihrer Zähigkeit und weiß seine Schwiegertochter fortan zu schätzen. Und die Sprechstörung der kleinen süßen Merry scheint zunächst nur ein vorübergehender Defekt zu sein, den man mit Geduld und einer effektiven Therapie alsbald überwunden haben wird. McGregor schildert hier mit sehr viel Fingerspitzengefühl, wie die Idylle erste Haarrisse bekommt, die von allen bemerkt, aber übersehen und verdrängt werden, weil niemand an den Grundfesten dieser Idylle, der ultimativen amerikanischen Idylle, rütteln will. Dieses Element wird eindrucksvoll und überzeugend verarbeitet und mit einer effektvollen Mischung aus leiser Empathie und dramatischer Zuspitzung entwickelt. Dennoch bin ich mir nicht ganz sicher, ob dies wirklich eine gelungene Romanverfilmung im Sinne Philips Roths ist. In vielen Szenen funktioniert der Film sehr gut, in anderen fehlt ihm etwas, ohne dass ich genau festmachen könnte, was es ist – vielleicht ein wenig Kraft, ein wenig Mumm, ein wenig mehr Vision oder die Bereitschaft, mehr draus zu machen als einen gediegenen Literaturfilm. Denn so richtig weiter ist McGregor nicht gekommen, er hat das Potential des Romans nur ansatzweise ausgeschöpft, hat die Tiefe und Vielfalt der an sich enorm spannenden zeitgeschichtlichen und politischen Bezüge auf wenige Schlaglichter reduziert, ist halt sehr im Privaten verblieben und hat es sich außerdem erlaubt, die Figur des Swede so sehr in den Mittelpunkt zu rücken, dass so interessante Figuren wie Dwan zunehmend an den Rand gedrängt werden, was nicht nur wegen Jennifer Connellys eindrucksvoller Präsenz bedauerlich ist. Dwan repräsentiert schließlich auch eine Version des amerikanischen Traums, sozusagen die weibliche, und die ist nicht minder kontrovers und relevant und bekommt im Roman dementsprechend mehr Raum. McGregor selbst ist von Haus aus ein glänzender Schauspieler, den ich sehr gern sehe, doch kann ich persönlich ihn mir nur schlecht als strahlend-blonden US-Posterboy vorstellen, und er sieht auch nicht wirklich danach aus, auch nicht in jenen Szenen, da er noch jünger sein soll. Doch soll ja gerade seine Figur die Fallhöhe seiner Klasse demonstrieren, und da wäre eine entsprechende, dem Roman angemessene äußere Erscheinung schon hilfreich gewesen, auch im Dienste der angestrebten Satire.
Wie gesagt, die gepflegte Inszenierung und die starken Schauspieler bringen den Film insgesamt gut über die Runden, nur hatte ich bei mir zwischendurch häufiger den Eindruck, nicht besonders gefesselt zu sein, dem Geschehen nicht das erwartete Interesse entgegen zu bringen, und das bei einem Thema und vor allem einer Geschichtsperiode, die mich für gewöhnlich sehr ansprechen. McGregors Inszenierung fehlt einfach das gewisse Etwas, das dafür sorgt, dass ich mich auch viele Monate später noch an den Film erinnere. Was aus der zweiten Hälfte bleibt, ist höchstens die Trauer und Betroffenheit in jenen Szenen, da Swede seine Tochter wiederfindet und mit ihrer erbärmlichen Existenz konfrontiert wird. Aber da sind wir wieder beim Familiendrama, das, wie bereits oben gesagt, hier am besten funktioniert. (17.11.)