Miss Peregrine's Home for Peculiar Children (Die Insel der besonderen Kinder) von Tim Burton. England/USA, 2016. Asa Butterfield, Ella Purnell, Eva Green, Samuel L. Jackson, Terence Stamp, Chris O’Dowd, Judi Dench, Allison Janney, Rupert Everett, Finlay MacMillan, Lauren McCrostie, Pixie Davies, Georgia Pemberton, Milo Parker

   Der gute Mister Burton geht stramm auf die sechzig zu, bleibt aber dennoch jedermanns liebstes großes Kind, jedenfalls was die Kinowelt betrifft. Seine schrulligen, versponnenen, abwechselnd etwas düsteren oder auch kindlicheren Fantasien eignen sich vortrefflich für einen schönen, stimmungsvollen Sonntagnachmittag im Herbst, und so erscheint auch „Miss Peregrine“ heute als der ideale Zeitvertreib. Ich kenne nun nicht alle seine Filme, ein knappes Dutzend aber schon, und ich würde sagen, sein neuester rangiert auf jeden Fall im oberen Viertel, weil es ihm diesmal wieder ausgesprochen gut gelungen ist, visuelle Imagination mit skurrilen, mal auch etwas dunkleren Untertönen zu fabrizieren, familiengerecht aufzubereiten und zwar so, dass auch die Großen durchaus auf ihre Kosten kommen. Popcornkino in Reinkultur, was ich diesmal aber nicht abwertend meine.

   Wir lernen Jake kennen, Hänfling, Außenseiter, Nerd, den klassischen Helden solcher Geschichten, weil er eben anfangs gar kein Held ist, sondern sich erst beweisen, entpuppen, entfalten muss und durch die ihm auferlegten Prüfungen genau jene Eigenschaften in sich abrufen kann, die ihn dann doch zum Helden machen. Und der natürlich über maßgebliche Fähigkeiten verfügt, von denen er selbst noch gar nichts wusste, von denen auch Mom & Dad noch nichts wussten (aber die sind ja bekanntlich immer dumm und einfältig), von denen nur der Opa wusste, denn der hat die gleichen Gaben und außerdem eine mehr als bewegte Vergangenheit, die er in Form wüst fabulierter Einschlafgeschichten verpackt und die Mom & Dad noch nie ernst genommen haben (aber die sind ja bekanntlich…siehe oben). Doch zwischen Enkel und Opa gibt es eine tiefere Beziehung, und genau die ist es auch, die die ganze Story schließlich in Gang bringt, eine Story, die im von Nazis besetzten Polen ihren Ausgangspunkt genommen haben mag, die sich dann später im neuen Jahrtausend von Florida bis nach Wales spannt und die Jake mittels einer Zeitschleife zurück ins Kriegsjahr 43 katapultiert. Dort lernt er Menschen mit besonderen Fähigkeiten kennen, zu denen er, wie er dann bald erfahren wird, auch gehört und zu denen sein Opa ebenfalls gehörte. Und er lernt die Bösen kennen, die Hollows, die die an sich verschroben friedliche Welt der Besonderen bedrohen und Jake dazu bringen, das Besondere in sich selbst zu aktivieren. Und am Schluss herzt er ein nettes blondes Mädchen und zieht mit den anderen Kindern auf einem alten Schiff von dannen, liebevoll bewacht von Miss Peregrine, die wahlweise als Falke über ihnen kreist.

 

   Verschiedene Assoziationen drängen sich natürlich auf – ich hab zwischendurch an „Pan‘s Labyrinth“ gedacht, manchmal auch an „Das Waisenhaus“, und ohne Harry Potter kommt heute eh kein zeitgemäßer Fantasyfilm mehr aus. Das macht aber gar nichts, denn Burton ist ein so großartiger Fabulierer, dass er auch gut zwei Stunden leicht und locker mit Geschichten unterschiedlichster Färbung füllt. Optisch souverän (über die Tricktechnik muss man heutzutage eigentlich nichts mehr sagen, finde ich, da sollte Perfektion vorausgesetzt werden können), dramaturgisch flott und dicht, schauspielerisch ausgezeichnet. Die Kids sind sämtlich prima, Samuel L. Jackson wirft sich mit sichtlichem Vergnügen in seine Bösewichtrolle, und die hinreißende Eva Green, die geradezu fürs Fantasygenre geboren zu sein scheint, sieht zwar wie immer aus wie eine Hexe, darf diesmal aber die Gute sein und hinter ihrem gewohnten Gothic-Look tatsächlich so etwas wie mütterliche Regungen offenbaren. Der Film ist wunderbar unterhaltsam, mal etwas leichter, mal auch ein wenig beschwert, und man muss schon darauf schauen, für welche Zielgruppe er unter anderem gemacht wurde. Ansonsten hätte ich mir nämlich gewünscht, er hätte die eine inhaltlich interessante Steilvorlage besser ausgenutzt, und die Vergangenheit des Großvaters eingehender beleuchtet, denn seine schlimmen Erfahrungen mit den deutschen Besatzern hätten gut und gern verlinkt werden können mit dem, was er und sein Enkel später mit den Hollows und anderen Finsterlingen erleben. Falls eine solche Verbindung beabsichtigt war, oder falls sie vielleicht in der Romanvorlage eine prominentere Rolle spielt, so lässt sich auf jeden Fall feststellen, dass Burton sich nicht so recht auf dieses Terrain traut, oder aber der Zielgruppe nicht zumuten will, sich damit auseinander zu setzen. Dies soll immerhin ein Spaßfilm mit Gruselfaktor sein, aber keineswegs schwere Kost. Obwohl, wenn ich schon del Toros Film oben erwähne – der hat doch wohl gezeigt, dass man die beiden Ebenen perfekt zusammenbringen kann, und ganz so finster muss man es ja auch nicht immer machen. Egal, Burton hat sich für die Variante „leichte Muse“ entschieden, und er hat es richtig gut gemacht, und mehr hatte ich ehrlich gesagt auch gar nicht erwartet. (30.10.)