En man som heter Ove (Ein Mann namens Ove) von Hannes Holm. Schweden, 2015. Rolf Lassgård, Bahar Pars, Filip Berg, Ida Engvoll, Tobias Almborg, Catharina Larsson, Börje Lundberg, Klas Wiljergård, Johan Widerberg

   Seit seine Sonja an Krebs gestorben ist, hat das Leben für Ove keinen Wert mehr. Ein grummeliger Misanthrop und Pedant, Siedlungswart comme il faut, der jeden Morgen seine Runde dreht und jede Zuwiderhandlung gegen die strengen Regeln notiert: Schiefparker, Gehwegverschmutzer, Tornichtverschließer, Garagentoroffenlasser, Hundehalter, Katzenhalter, Kinderhalter, Autofahrer, Motorradfahrer, Fahrradfahrer, kurz all jene, die für Unordnung,  Krach und Dreck stehen – zumindest in seinem peinlich sortierten Universum. Und seit sein ehemals bester Freund (zu allem Überfluss noch Volvofahrer!) gegen ihn geputscht und den Vorstand der Eigentümergemeinschaft an sich gerissen hat, ist er nicht mal mehr eine Respektsperson, einfach nur ein griesgrämiger alter Knacker, den keiner mehr so recht ernst nimmt. Er möchte sterben, hängt dreimal schon am Strick, hat einmal schon die Abgase ins Auto geleitet und sich schlafen gelegt – und jedesmal wird er gestört. Vorzugsweise von der neuen Nachbarin, einer temperamentvollen Dame aus Persien, die mit Ehemann, zwei Kindern und einem dritten im Bauch neben ihm einzieht und sein Leben gehörig aufmischt, ihn sogar dazu bringt, überhaupt wieder zu leben und den Gedanken ans Sterben vorübergehend zu vergessen. Ironischerweise stirbt er dann aber doch, und zwar ausgerechnet an einem zu großen Herzen und ist endlich dort, wo er schon längst sein wollte, nämlich wieder bei seiner Sonja…

 

   In langen Rückblenden wird Oves Geschichte erzählt, erst die des Jungen Ove und seines Vaters, ihre unbeholfene Männerbeziehung, der jähe Unfalltod des Vaters, dann die Begegnung mit Sonja, einem Wesen aus einer völlig fremden Märchenwelt, die den stockigen, introvertierten Saabfanatiker mit viel Geduld und unerschütterlichem Optimismus zu einem richtigen Menschen macht, bis dann ein Busunfall im Spanienurlaub ein Ende all ihrer Lebens- und Familienträume bedeutet. Nicht aber für die Kämpferin Sonja, die im Rollstuhl ihr Studium abschließt und gegen viele Widerstände eine Anstellung als Lehrerin findet, bis dann der Krebs sie endgültig dahinrafft. All diese Szenen zeigen einen Mann, der für sich selbst genommen relativ wenig eigenständige Ressourcen hat, der allein das Interesse für Autos hat und damals schon seine deutliche Neigung zur Pingeligkeit, und der dringend eine Frau wie Sonja braucht, die ihn überhaupt erst ans Leben heranführt. Folgerichtig versinkt er nach ihrem Tod in ein Vakuum, das ihm wenig Lebensinhalt lässt mit Ausnahme des stärker werdenden Wunsches, wieder bei ihr zu sein. Seine tägliche Zwiesprache auf dem Friedhof verstärkt den Eindruck eines Mannes, der dem Leben nichts mehr abgewinnen kann, jedenfalls nicht im positiven Sinne, und der höchstens durch seinen unstillbaren Kontrollzwang angetrieben wird. Rolf Lassård macht daraus ein sehr feinfühliges, sehr differenziertes Porträt, das konsequent dem Hang zu allzu penetranter Gefühligkeit widersteht, was im Übrigen für den Film insgesamt gilt. Natürlich ist die Konstellation prädestiniert für gewöhnliches Wohlfühlkino, natürlich ist der Verlauf der Geschichte mehr als vorhersehbar (hier hätte sich das Drehbuch ein wenig mehr Mühe geben können), doch gibt es immer wieder schön schwarzhumorige Momente, die angenehm subversiv wirken, und es gibt vor allem die Figur der Parvaneh, die eben viel mehr ist als die liebe Quotenimmigrantin, die man in solchen Filmen gern vorzeigt, die eine ganz eigensinnige, sperrige, temperamentvolle und auch total unsentimentale Frau ist, die aus Ove noch nicht mal einen besseren Menschen machen, die ihn bloß ein bisschen in den Hintern treten will und ihn sonst auch ganz praktisch als Babysitter oder Handwerker benötigt. Wie Ove selbst während des Fahrunterrichts anmerkt, ist sie mit Sicherheit jemand, der sehr viel mehr hinter sich hat als all die Wohlstandsschweden um sie herum, nur im Unterschied zu all den Wohlstandsschweden macht sie davon kein großes Gewese, jammert nicht laufend über ihre kleinen Beschwerden oder grübelt über ihre Befindlichkeit. Sie ist ein sehr diesseitiger Mensch, einer, der einfach im Hier und Jetzt lebt, was sie dann schon grundlegend von Ove abgrenzt. Bahar Pars ist eine kongeniale Partnerin für Lassgård, die beiden gestalten ihre gemeinsamen Szenen besonders schön, es macht einfach Spaß, ihnen zuzuschauen. Es macht überhaupt Spaß, den Film anzuschauen, denn obwohl er sich mehr oder weniger auf vertrautem Terrain bewegt, ist er doch sehr gekonnt inszeniert und gespielt und hat wie erwähnt jene Momente, die dann doch verhindern, das sich allzu träge Behaglichkeit breit macht. Diese Momente balancieren gelegentlich auf einem äußerst schmalen Grat, vor allem wenn es um Oves wiederholte Suizidoperationen geht, doch findet er dann doch immer den richtigen Ton, der nie den Verdacht erweckt, hier mache jemand billige Scherze über Selbstmörder. Leben und Tod, Glück und Unglück liegen halt stets nahe beieinander, davon weiß auch diese Geschichte reichlich zu erzählen, und sie tut es auf äußerst unterhaltsame, mal melancholische, mal nachdenkliche, mal auch sehr komische Weise. (12.4.)