Flaskepost fra P (Erlösung) von Hans Petter Moland. Dänemark/Schweden/BRD, 2016. Nikolaj Lie Kaas, Fares Fares, Pål Sverre Valheim Hagen, Jakob Ulrik Lohmann, Amanda Collin, Johanne Louise Schmidt, Signe A. Mannov, Søren Pilmark, Jakob Oftebro
Beim ersten Carl-Mørck-Film übten sie noch (wenngleich auf durchaus annehmbarem Niveau!), beim zweiten gelang den Autoren/Produzentern/Regisseuren der Serie ein Quantensprung nach vorn, und nun sieht man beim dritten, dass die Weichen ganz offensichtlich richtig gestellt wurden, denn qualitativ knüpft Erlösung“ nahtlos an den Vorgänger an. Wie man zu Jussi Adler-Olsens Roman im Grundsatz steht, ist eine andere Frage, da lässt sich in jedem Fall über die extrem konstruierten, realitätsfernen Plots diskutieren (ich jedenfalls hab meine Schwierigkeiten damit), doch eines kann man ihm nicht nachsagen, nämlich dass er nicht imstande ist, starke Spannung zu erzeugen. Diesem kunstvoll fabrizierten Sog konnte der erste Film „Erbarmen“ bedingt durch seine kurze Laufzeit noch nicht ganz gerecht werden, doch danach haben die Macher eine halbe Stunde draufgeschlagen, und diese Investition hat sich extrem gelohnt. „Erlösung“, eine weitere aberwitzige Rachegeschichte, diesmal vor dem Hintergrund religiösen Wahns, ist ein richtig toller, vor allem enorm spannender Film, der von seiner dichten, intensiv dunklen Atmosphäre lebt, und diese langsam aber sicher aufbaut, sehr effektvoll steigert und bis zuletzt durchhält.
Unser grimmiger, hart am Rande des Autismus balancierender Protagonist, der gerade erst eine Hölle hinter sich hat und daran sichtlich laboriert, wird nun mit einer weiteren Hölle konfrontiert, die seinen ohnehin kaum vorhandenen Glauben an die Menschheit nicht eben beflügelt. Die Hölle ist diesmal im engsten Familienkreis angesiedelt und wird uns anhand einiger sehr einprägsamer Szenen vorgeführt. Rigorose religiöse Randgruppen draußen auf dem Land, die eher an die USA denken lassen als an ein aufgeklärtes modernes Land, eine Erziehung, die irgendwo vor zweihundert Jahren stehengeblieben ist, absolute Autorität, keine eigene Entfaltungsmöglichkeit. Eltern, die sich nicht an die Polizei wenden, zum einen aus Angst, zum anderen aus einem programmatischen Misstrauen gegenüber allen weltlichen Systemen, hermetisch abgeschirmte, sektenartige Strukturen, innerhalb derer der grausame Rächer, der sich für ein Kind Satans hält, leichtes Spiel hat und über Jahre immer wieder Geschwisterpaare entführt. Adler-Olsen hat eine ebenso vielerprobte wie klischeehafte Verbindung von Kindheitstrauma zu präzis geplanten und durchgeführten Verbrechen etabliert, und im Film dauert es einige Zeit, bis diese Verbindung deutlich wird, obwohl wir den Täter eigentlich von Anfang an kennen. Das ist aber kein Problem, sondern eher ein gewolltes Stilmittel, typisch für die Romane – die Tätersuche ist nicht entscheidend, entscheidend ist zum einen der psychologische Hintergrund, zum anderen der Wettlauf mit der Zeit, der diesmal wieder auf die Spitze getrieben wird und vor allem Carl Mørck indirekt dazu bringt, sich doch zu einem Glauben zu bekennen. Ausgerechnet der Sohn Satans konfrontiert ihn damit: Wer sich so für das Leben anderer Menschen einsetzt, wer so verbissen nach ihnen sucht, der kann unmöglich glaubhaft machen, er glaube an nichts und niemanden.
Pål Sverre Valheim Hagen bietet ein fröstelndes, eindrucksvolles Porträt des psychotischen Satanisten, dessen grauenvolle Kindheit eine schöne Ambivalenz erzeugt, denn so abstoßend seine Untaten auch sein mögen, diese Szenen veranlassen uns dann fast schon wieder zu Mitgefühl. Ihm gegenüber steht Nikolaj Lie Kaas als Carl Mørk, dem er in diesem dritten Film nicht so viele neue Aspekte hinzufügen kann wie im zweiten. Es gibt einige Diskussion mit dem aufgebrachten Assad, der erstens Carls intolerante Haltung nicht hinnehmen will und zweitens nicht dessen Behauptung, er glaube an gar nichts. Hier könnten die Filme auf Dauer noch ein wenig zulegen, zumal die Romane vielfach gerade dafür kritisiert wurden, dass sie nämlich zu viel Gewicht auf die persönliche Ebene legten und zu wenig auf die kriminalistische. Ich persönlich habe kein Problem damit, umso weniger, als Carl und Assad ein wirklich hinreißendes Duo sind (schön ergänzt durch die schräge Rose), und Lie Kaas und Fares Fares sie auch hinreißend interpretieren. Wäre also ganz angebracht, an dieser Stelle noch ein bisschen mehr Fleisch an die Knochen zu tun.
Abgesehen davon ist dies perfektes, brillant gestaltetes und gespieltes Spannungskino made in Scandinavia, das sich durchaus nicht hinter den besten Wallanderfilmen (denen mit Rolf Lassgård meine ich natürlich) oder der Millenniumtrilogie zu verstecken braucht. Das gute ist: Es gibt erstmal noch drei weitere Carl-Mørck-Romane, die auf ihre Verfilmung warten, und ich hoffe doch sehr, dass genau das auch passieren wird. (23.6.)