Frank Zappa – Eat that question von Thorsten Schütte BRD/Frankreich, 2016.

   Widmung am Schluss: Für Gail. Hmm… Info gleich zu Beginn: Unterstützt vom Zappa Family Trust. Hmmmm… Executive Producers: Gail and Ahmet Zappa. Hmmmmmm…. Da weiß man ja gleich ungefähr, was man zu sehen bekommt und vor allem, was man sehr wahrscheinlich nicht zu sehen bekommen wird. Ist dann wieder mal eine Frage der Erwartung, wie man diesen Film am Ende beurteilt. Ich persönlich war hoch erfreut, mal wieder was vom Fränk zu sehen und zu hören, noch dazu im Kino, man stelle sich das vor, kann aber nicht sagen, dass mir der Film irgendwas Neues mitgeteilt oder mich vielleicht durch eine neue Sichtweise auf den Mann überrascht oder mich sogar durch eine besonders provokative Präsentation angeregt hätte. All das ist nicht passiert, und es sieht für mich auch so aus, als habe Thorsten Schütte nichts davon im Sinn gehabt. Keinen chronologischen Ritt durch Zappas Karriere von 1966 bis 1993. Keine tieferschürfende Untersuchung seiner Musik. Keinen Blick auf den Ehemann und Familienvater. Erst recht natürlich keine kritische, differenzierte Bestandsaufnahme aus der Distanz, die der äußerst kontroversen, vielschichtigen Persönlichkeit des Herren angemessen gewesen wäre. Einfach nur das, was der durchschnittliche Dokumentarfilm heutzutage anbietet: Eine Menge nett montierter Schnipsel aus Interviews und Konzertszenen, die wenigstens grob die gesamte Strecke abdecken. Einige dieser Interviews bzw. Konzerte spielen sich in Europa ab (England, Frankreich, Schweden, der BRD), der überwiegende Teil aber natürlich in den USA, und das ist vielleicht der einzig sichtbare rote Faden in diesem ansonsten recht beliebig wirkenden Film, nämlich Zappas lebenslange Auseinandersetzung mit den Verhältnissen in den USA, und gleichsam dem schwierigen Verhältnis, das die USA zu ihm hatten. Als Genie gerühmt, als obszöner Freak gescholten, als Bürgerschreck verteufelt, als ernstzunehmender Künstler geachtet undsoweiter. Folglich kommen all die bekannten und relevanten Themen wieder zum Vorschein: Zappa und die Zensur, Zappa und die politischen Interessensgruppen, Zappa und die Musikindustrie, Zappa und die Drogen, Zappa und die Schulbildung, Zappas und die gesamte allgemeine kulturelle Grundhaltung, so wie er sie in den Staaten sieht und so wie sie ihn immer wieder anödet und zum Widerspruch reizt. Und da er immer jemand mit einer ausgeprägten Meinung und ebenso ausgeprägten rhetorischen wie intellektuellen Fähigkeiten war, geben seine Äußerungen eine Menge her, und sei es nur, dass sie zum Widerspruch reizen (mich persönlich nicht so sehr). So gesehen kann ich nicht mal sagen, dass der Film seicht ist, weil Zappa halt nicht seicht ist. Doch ein Film, dessen Motto „Zappa in his own words“ lautet, hat von vornherein ein Problem, nämlich dass er erstmal recht einseitig ist, zwangsläufig und selbst gewählt. Und dabei gibt es durchaus den einen oder anderen Moment, der geradezu zur Gegendarstellung herausfordert, wie zum Beispiel Fränks Auslassungen über seine besondere Weise, eine Band anzuführen. Das war immer ein heikles Thema, und es gibt etliche Auslassungen ehemaliger Musiker dazu, die muss ich mir hier während des Zuhörens halt dazu denken. Denn natürlich war Zappa neben allem anderen auch autoritär, egozentrisch, arrogant, was weiß ich was noch, nur ein Film mit dem Ansatz wie dieser hier wird diese Facetten tunlichst nicht direkt ansprechen. Es geht ja auch gar nicht darum, den Mann dreiundzwanzig Jahren nach seinem Tod irgendwie reinzureißen oder vom Sockel zu schubsen, es geht nur darum, was ich mit einer Dokumentation beabsichtige.

   Thorsten Schütte hatte wohl in erster Linie eine Hommage im Sinn, dagegen ist ja auch nichts zu sagen, und die hat Zappa mehr als verdient, keine Diskussion. So kommt er immer wieder zu Wort als der vitale, geistreiche, witzige, schlagfertige, endlos produktive und kreative, ironische, herausfordernde Künstler, der sich in einer Linie sieht mit Komponisten wie Varèse, Strawinsky und Webern, der Profi genug ist, sich im US-Fernsehen gut zu benehmen, in unzähligen Talkshows gute Miene zum einfältigen Spiel zu machen und selbst solchen Blödsinn wie „Was bin ich“ geduldig über sich ergehen zu lassen, weil das halt dazu gehört in diesem Land, der in den 90ern aktiv in die Politik eingreift und klar und deutlich Stellung zu Fragen der Zensur bezieht, und der sichtlich bewegt reagiert, als er eine Einladung in die erst kürzlich vom Kommunismus befreite Tschechei erhält und dort auf Leute trifft, denen seine Musik etwas ganz anderes bedeutet als den Plastic People daheim. Und der sich gegen Ende seines Lebens mehr und mehr der modernen klassischen Musik zuwendet, als er die unselige Synclavierphase endlich hinter sich gebracht hat. Nun gut, dann schau ich mir halt all diese Dinge an, die ich schon wusste, vielfach auch schon in anderen Dokus gesehen habe, und finde wenigstens gut, dass der Fränk hier endlich mal ausführlich und exklusiv zu Wort kommt – seine Musik kann ich mir eh besser auf CD anhören, das ist schon okay. Und ein paar deftige Ausfälle gegen solche Gurken wie Reagan oder Bush lasse ich mir ohnehin gern gefallen. Nicht auszudenken, was Zappa über einen wie Trump zu sagen hätte und vor allem natürlich über seine Landsleute, die ihn gewählt haben…

 

   Die ebenso streitbare wie geschäftstüchtige Gail ist nun mittlerweile auch verstorben, nun sind also die Kinder dran, den umfangreichen, offenbar unerschöpflichen Nachlass ihres Vaters zu verwalten und irgendwie würdig zu vermarkten. Man kann nur hoffen, dass das wirklich geschieht, und zwar nicht nur im Interesse von Zappas eigenem künstlerischen Ansehen, sondern auch im Interesse der Fans, die gern wirklich unveröffentlichte Aufnahme erwerben, aber keine clever aufbereiteten Neuverpackungen längst bekannter Sachen. Abgesehen von alledem, abgesehen auch davon, dass dieser Film mich wirklich nicht vom Hocker gerissen hat, ist und bleibt Frank Zappa meine erste große musikalische Liebe, und wie das so mit der ersten Liebe ist, behält sie stets einen besonderen Platz im Herzen, auch wenn das mit dem Dick und Dünn zwischendrin mal arg strapaziert wurde (ich sag nur Synclavier…). Ich gehöre wahrscheinlich genau zu den engstirnigen, kleingeistigen Pennern, über die Fränk sich hier mokiert, die nämlich immer noch sein Werk aus den 60ern über alles andere stellen und sich keine Mühe mit seinen späteren Sachen gegeben haben. Da mag sich der Mann im Grabe umdrehen, soviel er will, ich weiß schon, was ich am liebsten von ihm höre… (29.12.)