Gleissendes Glück von Sven Taddicken. BRD, 2016. Martina Gedeck, Ulrich Tukur, Johannes Krisch
Hätt ich nicht rechtzeitig erfahren, dass dieser Film, auf dem Roman einer schottischen Autorin basiert, ich hätt glaube ich geschworen, dass es ein deutscher Roman ist, denn man kann ihn geradezu zwischen den Bildern erahnen, den typisch deutschen Hirnfick, das volle Programm, akademisch gespreiztes Wortgeklaube ohne Erdung und Leben drin. So ist leider auch der Film geworden, obwohl Sven Taddicken bisher eigentlich nur sehr lebendige Filme gemacht hat, und obwohl ihm mit Gedeck und Tukur zwei Darsteller zur Verfügung standen, die eigentlich auch fast alles zum Leben erwecken können – aber eben nur fast…
Eine Frau hat Gott verloren und ist in ihrer Ehe mit einem latent gewalttätigen Typen unter einer Art Glasglocke total erstarrt. Sie flüchtet sich in tägliche Routine, ansonsten herrschen Sprach- und Schlaflosigkeit. Sie erfährt von der Arbeit eines aktuell populären Psychologen, lernt ihn kennen, und die beiden starten eine vorsichtige, zunehmend intensive Beziehung, die durch seine pathologisch-pornographische Fixierung geprägt wird und in einer wilden Gewaltentladung ihres Ehemannes endet. Der ist danach tot, und für die Frau und den Psychologen ist möglicherweise der Weg zum Glück frei.
Ich persönlich kann aber nicht behaupten, dass mich diese Aussicht wirklich interessiert hat, kann ebenso gut gleich behaupten, dass mich an dem Film rein gar nichts interessiert hat. Soll heißen: Drehbuch und Regie haben es nicht geschafft, mich für irgendeinen Aspekt des Films zu interessieren. Weil es auch kaum etwas Greifbares gibt. Ein bisschen was zum Thema „Von Gott verlassen“ – wurde von Meister Bergman vor etlichen Jahrzehnten bereits erschöpfend bearbeitet -, ein bisschen was zum Thema „Was ist Glück“, doch wenn ich darüber nachzudenken anfange, was mir in diesem Film dazu angeboten wird, kann ich nichts Substantielles finden, nur ein paar klug klingende, letztlich aber (absichtlich?) total hohle Sprüche vom Herrn Professor, die mich zumindest nicht dazu animieren konnten, gedanklich mitzugehen. Seine eigene Sex- und Masturbationsmanie wird nie auch nur annähernd erforscht – muss ja nicht bis ins Detail erklärt werden, aber ich muss doch irgendwas damit anfangen können. Ihre zunehmende Neigung, zumindest ihre Neugier, ihm ein Stück weit zu folgen, wäre theoretisch vermutlich nachvollziehbar, doch entdecke ich hier nichts, was diese Neugier irgendwie rechtfertigen könnte. Weshalb sie dann doch wider besseres Wissen zweimal zu ihrem Mann zurückkehrt, nur um sich erneut und noch schlimmer misshandeln zu lassen, bleibt mir erst recht schleierhaft, es sei denn, ich will das hässliche Klischee vom weiblichen Masochismus strapazieren. Ach ja, und dann ist da noch der alte Mann mit Schafsherde und Apfelbaum, der eines Tages tödlich auf seine eigene Forke stürzt, der Frau aber später in ihren Fantasien wieder begegnet. Wer sich darauf einen Reim machen kann, bitte sehr…
Gekleidet ist das Ganze in gediegene Bilder (immerhin ein paar hübsche Postkarten aus Hamburg sind dabei) und gediegene Musik – alles strahlt edlen Tiefgang aus, literarisches Qualitätskino, sehr hermetisch, sehr reduziert auf wenige Hauptfiguren, passenderweise in Kapitel unterteilt, damit wir auch ja kapieren, dass hier nach Höherem gestrebt wird. Ulrich Tukur gibt den kultivierten, sanft geistigen Menschen, hat leider wenig Möglichkeiten, die Abgründe der Figur zu erforschen, hat keine andere Option, als sich dem sterilen Ton des gesamten Films anzupassen. Und Martina Gedeck schlafwandelt durchs Bild, durch fast jedes Bild tatsächlich, da sie fortwährend präsent ist und die Geschichte aus ihrer Perspektive erzählt wird. Ihre Mimik bleibt starr verschlossen, die Blicke irritiert, flackernd, alle Bewegungen somnolent, stilisiert, das Outfit scheint den 50er Jahren zu entspringen. Eine Figur, die für mein Empfinden so wenig im Hier und jetzt verankert ist, die mir so fremd und fern bleibt, dass ich leider überhaupt nicht imstande war, irgendeine Beziehung zu ihr aufzubauen. Falls dies so gewollt war, ist es dennoch fatal – das Geschehen läuft mechanisch in einiger Distanz ab, ich verfolge es ohne Anteilnahme, gelegentlich eher genervt ob der gestelzten Dialoge, gelegentlich mild betroffen, wenn die Frau mal wieder unter den Schlägen ihres Ehegatten zu Boden geht, doch ist dies ein purer Reflex, weil man auf solche Szenen halt immer so reagiert.
Bei einigen Dummköpfen steht das deutsche Kino ja immer noch im Verruf, verkopft und kühl zu sein. „Gleissendes Glück“ ist seit längerem mal wieder ein Film, der diesem Vorurteil leider Futter gibt. Ich glaube, dies ist vor allem der Grund dafür, dass ich ihn so ärgerlich finde – ansonsten werde ich ihn schnellstmöglich vergessen. (2.11.)