Jason Bourne von Paul Greengrass. USA, 2016. Matt Damon, Alicia Vikander, Tommy Lee Jones, Vincent Cassel, Riz Ahmed, Julia Stiles, Ato Essandoh, Scott Shepherd

   Nach dem kleinen Abstecher mit Jeremy Renner als Hauptperson Aaron Cross steigt nun als Mr. Bourne höchstpersönlich wieder in den Ring, und folgerichtig haben Mr. Greengrass und Mr. Damon wieder das Ruder übernommen. Ob das Franchise tatsächlich eine fünfte Fortsetzung nötig hat, ist eine Frage, die ich pauschal immer erstmal mit „nein“ beantworten würde, aber das gilt für jedes Franchise und das auch nicht erst seit Film Nummer vier oder so. Die ersten vier Bourne-Filme haben auf jeden Fall immer das eine gehalten, was sie versprachen, nämlich Hochgeschwindigkeitskino mit allem, was heute so dazu gehört, und speziell Greengrass und sein kongenialer Kameramann Barry Ackroyd (mit dem er schon „Flug 93“, „Green Zone“ und „Captain Phillips“ gemacht hat) haben sich als absolute Experten für hochgradig intensives, verdichtetes, rasantes Filmwerk bewährt. Den beiden Damen in meiner Begleitung war’s eine deutliche Spur zu rasant, sie beklagten besonders den hektischen, unübersichtlichen Auftakt mit den vielen Schauplatzwechseln und dem Gefühl allgemeiner Desorientiertheit. Naja, genau das gehört ja wohl dazu, quasi als Stilmittel, und ich für meinen Teil kein Problem damit.

   Ein Problem hatte ich eher mit oben bereits gestellter Frage nach Sinn und Zweck eines fünften Bourne-Films im Prinzip. Inhaltlich oder wenn so will substantiell gesehen ist dies ohne Frage der am wenigsten überzeugende der Serie, vorausgesetzt, man erwartet stets und ständig Neuerungen, Weiterentwicklung. Damit warten die Macher diesmal in der Tat kaum auf – Bourne taucht nach langen Jahren eher unfreiwillig aus der Versenkung auf, weil ihn seine alte Widersacherin/Gefährtin Nicky aufscheucht, und wieder versuchen alte CIA-Kader, sich seiner zu entledigen, weil er einfach zu viel unbequemes und kompromittierendes Wissen über ältere und neuere Operationen hat. Zu den neueren Operationen gehört jetzt auch die Zuschaltung eines global operierenden, extrem populären Kommunikationsdienstes, den sich die CIA für ihre Überwachungspläne zunutze machen will. Das klingt wahrlich nicht neu. Die Agency selbst aber hat sich mittlerweile gespalten, es gibt Nachrücker, jüngere Leute, die nicht mehr automatisch auf die althergebrachte Ausschaltungsmechanik setzen wollen, sondern sich eher bemühen, einen wie Bourne wieder in die eigenen Reihen zu integrieren. Die ehrgeizige Agentin Lee sieht sich also in ständiger Opposition zu ihrem alten Chef Dewey, der einen fiesen Killer alias Vincent Cassel herumlaufen und alles totmachen  lässt, was sich ihm in den Weg stellt, unter anderem besagte Nicky. Bourne ist jetzt natürlich richtig angefixt, und er will vor allem herausfinden, was es mit seinem Vater auf sich hat, der plötzlich in seinen fragmentarischen Erinnerungen auftaucht und offenbar irgendeine Verbindung zur Operation Treadstone hat, für die er einst rekrutiert wurde. Alles wie gesagt nicht neu und auch nicht besonders aufregend, auch die bei Greengrass sonst häufig anzutreffenden politischen Untertöne fehlen eigentlich völlig, es sei denn, man wertet die Darstellung der üblichen dreckigen CIA-Aktionen schon als politisches Statement.

 

   Aber gut, die Qualitäten müssen also auf anderem Gebiet liegen, und da hat „Jason Bourne“ meiner Meinung nach durchaus seine Momente. Die furios montierten Actionszenen sind schon eine Show, und wie Greengrass und Ackroyd es immer wieder gelingt, die atemlose, panikartige Unübersichtlichkeit der Verfolgungssituationen physisch erfahrbar zu machen, finde ich einmal mehr ziemlich beeindruckend. Ob in Athen, Berlin, London oder Las Vegas, ob in geschlossenen Räumen, auf Hausdächern oder unten in den Straßen, stets herrscht allerhöchste Intensitätsstufe, und gerade weil man zwischendurch fast ständig das Gefühl bekommt, total den Überblick verloren zu haben, finde ich diese Sequenzen extrem gelungen und nach wie vor klar vom Standard abgehoben. Zudem ist die Besetzung wieder sehr attraktiv, vor allem Vincent Cassel als ergrauter, gnadenloser Finsterling und die magnetische Alicia Vikander in einer bis zuletzt angenehm ambivalenten Rolle sind eine sehr effektvolle Ergänzung zu Matt Damons Jason Bourne, der selbst mit zunehmendem Alter an Ausstrahlung gewinnt, auch wenn man ihm hier ein bisschen mehr Futter gewünscht hätte. Zugegeben, dem Drehbuchautor Paul Greengrass ist diesmal nicht soviel eingefallen, wie man es sonst von ihm kennt, das Herumstochern in der Vergangenheit samt versuchter Aufarbeitung der Vaterrolle bleibt vage und wenig ergiebig und markiert keinen erkennbaren Fortschritt zu den vorangegangenen Teilen, der Regisseur Paul Greengrass aber kann noch immer auf seine offenkundige Liebe zu hochtourigem Kino zurückgreifen, ein Kino, das keine derben Machoallüren braucht und auch nicht den ganzen chauvinistischen Bullshit, den uns das US-Actiondepartment oft anbietet. Dieser Mangel an Pathos und plakativem Gesülz zeichnet das Kino von Greengrass ja sowieso aus, und gerade in diesem gern von Patrioten besetzten Genre macht sich das besonders positiv bemerkbar. Ich habe mich volle zwei Stunden lang bestens unterhalten, habe gerade auch die etwas ruhigeren Momente zwischendurch geschätzt, und denke, wenn es überhaupt ein Franchise gibt, das noch eine weitere Fortsetzung rechtfertigt, dann möglicherweise die Bourne-Reihe, und wenn der Greengrass beim nächsten Mal wieder ein bisschen mehr Substanz ins Buch investiert und nicht nur in die Kinetik, dann will ich ihm auch nicht gram sein. (17.8.)