Maggie’s Plan von Rebecca Miller. USA, 2015. Greta Gerwig, Ethan Hawke, Julianne Moore, Bill Hader, Maya Rudolph, Travis Fimmel, Mina Sundvall
Mit der Greta Gerwig aus dem allgemein hymnisch belobigten “Frances Ha” bin ich ja nicht so ganz warm geworden, aber diesmal, bei „Maggies Plan“, da hat’s geklappt. Ein hinreißend charmanter New-York-Film in klassischer, bester Tradition, und natürlich denkt man sofort an Woody Allen, und hätte die Greta nicht bereits in einem seiner Filme gespielt (nicht mal einem New-York-Film im übrigen), so müsste man sagen, dass sie die Woody-Allen-Schauspielerin schlechthin zu sein scheint, jedenfalls was das neue Jahrtausend angeht. Zwischendurch dacht ich mal so bei mir, dass dies vielleicht der schönste Woody-Allen-Film sein könnte, den Woody nicht selbst gedreht hat, vielleicht nicht ganz so schnell und pointiert in den Dialogen, dafür aber mit viel New Yorker Gefühl, tollen Schauspielern und einer Geschichte, die ebenso fürs Boulevardkino taugen könnte, die aber mit so viel schönem Understatement rübergebracht wird, dass der Film nie in Gefahr gerät, sich allzu sehr seichten Gewässern anzunähern.
Eine ebenso verpeilte wie total liebenswürdige junge Stadtneurotikerin ist also unterwegs in dicken Strumpfhosen und schrägem Strickzeug und wünscht sich nichts sehnlicher als ein Kind. Da kein Mann in erreichbarer Nähe scheint, hat sie sich zur Befruchtung via Samenspende entschlossen, und just als sie dem struppigen Gurkenhändler Guy eine Ladung des kostbaren Elixirs entlockt und sich die Spritze bereits eingeführt hat, platzt John in ihr Leben, ein Kollege an der Columbia, ungefähr genauso verpeilt wie sie, den sie flüchtig kennengelernt hat, weil er (was auch sonst) mit seinem Roman nicht weiterkommt und sie sich als Testleserin angeboten hat. John ist nicht glücklich in seiner Ehe mit der strengen Georgette und sucht etwas Abwechslung und eine neue Zuflucht. Die beiden landen im Bett und schwuppdiwupp entsteht eine neue Familie, die jedoch nach einigen Jahren deutliche Risse zeigt. John ist der typische egozentrische intellektuelle Narziss, total auf sich fixiert, während Maggie alles schmeißen muss, Lebensunterhalt, Haushalt, Familie. Schließlich hat sie die Nase voll, und da sie absolut gegen Verschwendung ist, möchte sie John seiner Exfrau ab liebsten zurückgeben, zumal sie gemerkt hat, dass die beiden, die auch zwei Kinder miteinander haben, noch viel verbindet. Georgette lehnt zunächst entrüstet ab, überdenkt das Angebot aber nochmal und ändert ihre Meinung schließlich. Ein paar ebenso umständliche wie skurrile Intrigen werden gesponnen, und gerade als beide Frauen am Ziel angelangt zu sein scheinen, entfährt Maggies bestem Kumpel im Suff eine unbedachte Bemerkung, John riecht Lunte und zieht sich schwer gekränkt zurück. Schließlich aber kommt doch noch alles gut raus, John und seine alte Familie finden wieder zusammen, Maggie zieht ihre Tochter allein groß, und ganz am Schluss fragen wir uns, ob nicht vielleicht doch der Gurkenkönig der biologische Papa der kleinen Lily sein könnte…
Der Film hat alles, was man an typischen New-York-Filmen halt so mag, auch wenn sie eben immer nur einen klitzekleinen Teil der Realität abbilden, oder besser gesagt, eine fast hermetische Welt merkwürdiger Intellektueller erschaffen, die mit der Wirklichkeit womöglich rein gar nichts zu tun hat. Siehe Woody Allen. Doch gibt die Stadt der Story ein unverwechselbares Flair, die im globalen Zusammenhang lachhaft banalen Problemchen der geplagten Feingeister werden mit der gebotenen Ironie präsentiert, und Drehbuch und Regie einigen sich auf ein beschwingtes Tempo, ohne dabei jemals in platten Klamauk zu verfallen. Die Komik ist schon ein bisschen spitzzüngig, doch ernsthaft verletzt wird niemand, diese Leute leben ganz für sich und tun niemandem sonst weh. Hier eine arge Schreibblockade, dort eine weitere Trennung, hier wieder ein Forschungsprojekt über ein abenteuerlich absurdes Thema, alles das hat irgendwie nicht viel mit dem wahren Leben zu tun, schafft aber ein angenehm abgehobenes Klima, in dem sich solche Komödien gut ansiedeln lassen. Von wirklicher Existenznot oder all den anderen Dingen, die eine Stadt wie New York mit Sicherheit beschäftigen, ist hier weit und breit nichts zu sehen, diese Filme erheben allerdings auch gar nicht erst den Anspruch, soziologisch ausgewogen, politisch tiefschürfend, dokumentarisch genau zu sein. Auf diese Prämisse muss man sich immer einlassen, aber ich glaube, dass dies für fast alle Sorten Komödie gilt. Ich für meinen Teil konnte das bei Woody Allen fast immer, und dieser Film von Rebecca Miller macht es mir leicht, weil er halt so viel Witz und Charme hat. Greta Gerwig ist einfach die optimale Besetzung, die Rolle der Maggie scheint perfekt auf sie zugeschneidert worden zu sein. Eine Frau mit Quäkerwurzeln, die fest daran glaubt, dass sich alles im Leben planen lässt und die jeden neuen Plan nur mit den allerbesten Absichten schmiedet. Manchmal wirkt sie ein wenig verwirrt und verloren, im Innern jedoch hat sie eine große Stärke, eine gewisse Unbeirrbarkeit, die es ihr letztlich ermöglichen, (fast) all ihre Pläne auch umzusetzen, unter welchen Umständen auch immer. Leicht ist das durchaus nicht – Georgette muss ihr früher oder später klarmachen, dass die Dynamik, die sie selbst in Gang setzt, als sie John wieder in Richtung seiner Exfrau anstupst, ein Eigenleben entwickelt, das sich ihrer Kontrolle entzieht. Dann zieht sie sich mit ihrer Lily ins wohlige Heim zurück und wartet, was geschieht. Sie ist so frei von jeder Bösartigkeit, Aggressivität oder auch nur Eitelkeit, dass man sie einfach mögen muss, auch wenn sie mitunter schon Schaden anrichtet bei denen, die sie in ihre Pläne verstrickt – auch darauf müssen die anderen sie hinweisen, dass ihre Aktion Konsequenzen haben, mit denen alle leben müssen. So schleicht sich schon der eine oder andere stille Moment in die Geschichte, und Rebecca Miller zeigt auch kein Interesse daran, den Lauf der Dinge künstlich zu beschleunigen, denn das würde einfach nicht zu Maggie passen. Sie haut die Bonmots nicht im Minutentakt raus, sie ist alles andere als eine coole, weltmännische Großstadtpflanze, und doch steht sie auf ihre unscheinbare Art im Zentrum der Ereignisse, ohne diese in jedem Moment auch nur überblicken zu können.
„Maggies Plan“ ist kein Film, der unentwegt dröhnendes Gelächter erzeugt, aber er findet nach etwa zehn, fünfzehn Minuten seinen Rhythmus und hat von dort an bei mir jedenfalls für fast ununterbrochene Heiterkeit und gute Laune gesorgt. Und die markerschütternde Akustikversion von „Dancing in the dark“, die hier dargeboten wird, die muss man einfach erlebt haben… (9.8.)