The Beatles: Eight days a week – The touring years von Ron Howard. England/ USA, 2016.
Ja, is schon witzig – lauter alte Säcke im Kino, die meisten noch viel älter als ich, der Saal gesteckt voll, einige haben die Beatles vielleicht noch selbst im Konzert gesehen, wer weiß. Bei aller Nostalgie steht natürlich eines fest: Wir können nicht zurück, so gern wir es wenigstens manchmal auch täten. Und wenigstens was die Musik angeht, tät ich‘s wirklich gern, würde mich ein einziges Mal zurückbeamen in jene magischen Jahre, da Musik eine Bedeutung hatte, eine Magie, eine Kraft, von der heute nicht mal mehr blasse Fünkchen zurückgeblieben sind. Damals war Musik Katalysator und Artikulation zugleich, sie trieb etwas voran, das nicht mehr aufzuhalten war, und gleichzeitig diente sie als Sprachrohr, drückte Befindlichkeiten aus, Sehnsüchte, all das, was heute vielleicht offen auf der Straße liegt, aber vor über fünfzig Jahren eben noch nicht. Wäre viel zu viel verlangt, diese Maßstäbe weiterhin gelten zu lassen, wäre total unfair, ist schon klar, aber gerade Bands wie die Beatles lassen mich gelegentlich bedauern, nicht zwanzig Jahre älter zu sein. Ich bin noch nicht mal sooo ein riesengroßer Beatlesfan, doch die verkörpern halt besonders diesen Aufbruch damals in den frühen 60ern, als sich eine Generation auf den Weg machte.
Ron Howards Dokumentarfilm, ganz im Stil moderner Schnipseltechnik gehalten, umreißt genau wie der Titel bereits zu erkennen gibt die Jahre zwischen 1962 und 66, als die Beatles noch Konzerte gaben. Die Anfänge in Liverpool und Hamburg, der Ausbruch der Beatlemania um 1963, die Eroberung der Neuen Welt im gleichen Jahr, die Triumphzüge rund um den Globus, die ersten Erschöpfungsanzeichen und schließlich das letzte Konzert vor fast genau fünfzig Jahren am 29. August 1966 in San Francisco. Als Bonus gibt’s dann noch ne halbe Stunde Originalaufnahmen aus dem Shea Stadium, NYC von 1965, als die Fab Four vor mehr als 56.000 Leuten auftraten, damals eine beispiellose Kulisse, und somit die Ära der Stadiontouren einläuteten. Dieser Konzertmitschnitt zeigt die Beatles einerseits in all ihrer mitreißenden Vitalität und Dynamik, die auch heute noch beeindruckt, zeigt andererseits aber eben auch, weshalb die vier der endlosen Tretmühle zunehmend überdrüssig wurden. Wir sehen und hören Tausende hysterischer Fans, hören sie vor allem, eine unablässige, undurchdringliche Wall of Sound, für die die damalige Tontechnik einfach noch nicht die passenden Antworten hatte. Heutzutage wäre jede Provinzband laut genug, um die Fans einfach plattzubügeln, damals fuhr man schon schwerste Geschütze auf, und dennoch wussten die Musiker selbst nur zu gut, dass sie kaum zu hören waren. Also absolvierten sie eine halbe Stunde, schrammelten ein paar Partyhits herunter, es war sowieso egal, ob sie gut oder schlecht spielten, niemand hörte es, niemanden interessierte es, alle waren vollauf damit beschäftigt, total auszurasten und sich die Lunge aus dem Hals zu kreischen. Die Liveplatten der Beatles, vielsagenderweise gibt’s davon eh nicht viele, sind dementsprechend kein wirkliches Vergnügen. Und da die Jungs spätestens ab 1965 ein verstärktes Interesse zeigten, ihre Musik ein wenig vielfältiger, komplexer, anspruchsvoller zu gestalten, musste ihr Drang nach öffentlichen Auftritten zwangsläufig stark abnehmen. Hinzu kamen der mörderische Stress nach vier Jahren pausenloser Touren und die nicht minder mörderische Vereinnahmung durch Medien und Fans in aller Welt. Diesen Parcours hatten sie Jahr für Jahr wacker und höflich absolviert, sehr wohl wissend, dass gerade ihr Image sie reich gemacht hatte, hatten zwei Filme gedreht, unzählige Interviews und Konzerte gegeben, und irgendwann stellten sie fest, dass sie auch noch ein Leben außerhalb hatten, und die Dinge begannen sich, gleichzeitig mit ihrer Musik, zu verändern.
Davon erzählt Howard nur noch ansatzweise, integriert gerade noch „Sergeant Pepper“ und ihrem letzten öffentlichen Auftritt auf dem Dach des Apple-Gebäudes in London 1969, konzentriert sich ansonsten sinnvollerweise auf die Zeit davor. So irre viel Neues hat er uns nicht zu sagen, aber immerhin montiert er sehr viel schönes Bildmaterial zu einer überaus unterhaltsamen und stimmungsvollen Collage, die wie gewohnt aufgelockert wird durch Interviews mit Zeitzeugen, auch mit den vier Beatles selbst. Da der Film in sehr enger Zusammenarbeit mit McCartney, Ringo und den Hinterbliebenen der beiden anderen entstand, kann man sich schon denken, dass er recht brav und oberflächlich bleibt, wenn es um die Fab Four selbst und ihre Beziehung zueinander geht. Da weicht er nicht vom ausgetretenen Pfad der offiziellen Geschichtsschreibung ab, aber das habe ich auch nicht erwartet. Viel mehr haben mich sowieso die Beiträge derjenigen interessiert, die damals jung waren, die dabei waren, die erlebt haben, welch ungeheuren, heute kaum noch nachvollziehbaren Eindruck die Beatles bei ihren Auftritten auf die Fans hatten, welche Bedeutung sie hatten, auch welchen kulturellen Einfluss, in welchem Maße sie für die Chance auf eine neue, integrative, offene Gesellschaft standen. Whoopie Goldberg erinnert sich an die Perspektive als schwarzes Mädchen, Sigourney Weaver und Elvis Costello steuern ihre Erinnerungen bei, und das ist schon alles ganz nett und auch sehr emotional, obwohl ich am liebsten mal einige von den Mädchen gehört hätte, die man so häufig in den alten Filmen sieht, die jungen Hardcorefans, die dutzendfach bewusstlos aus dem Stadion getragen werden mussten. Aber diese Promis machen sich natürlich besser, und das ist schon okay so. Ron Howard ist weißgott routiniert genug, um diese einzelnen Schnipsel gekonnt zu montieren, sodass ein zugleich nostalgischer und auch ausdrucksvoller Film entsteht, der schon einen Eindruck davon vermittelt, was die Beatles damals einerseits lostraten und andererseits infolge dessen selbst durchmachen mussten, und am Schluss ist es nur allzu verständlich, dass sie nach vier langen, erschöpfenden Jahren schließlich die Notbremse ziehen wollten, um sich von dort an eher ihrer künstlerischen Weiterentwicklung zu widmen – nicht auszudenken, was womöglich alles nicht geschehen wäre, wenn sie sich anders entschieden hätten… (19.9.)