The Girl King von Mika Kaurismäki. Finnland/Kanada/Schweden/BRD, 2016. Malin Buska, Sarah Gadon, Michael Nyqvist, Lucas Bryant, Laura Birn, Hippolyte Giradot, Patrick Bauchau, Martina Gedeck, Peter Lohmeyer
Als Christina von Schweden durch den Kriegstod ihres Vaters Königin wurde, war sie gerade mal fünf Jahre alt, insofern ist der Filmtitel völlig zutreffend, wenigstens im Prinzip. Obwohl sich Kaurismäki um die Kinderjahre der Königin weniger kümmert als um jene Zeit, da sie als junge Erwachsene die Regentschaft von dem väterlichen Reichskanzler Oxenstierna übernimmt und als Regentin versucht, ihren eigenen Weg zu finden, gerade auch gegen die Widerstände der sie umgebenden mächtigen Herren aus Staat und Kirche. Sie weigert sich strikt, den vorgegebenen Pfad einzuschlagen, sprich zu heiraten und einen Thronfolger zu gebären. Stattdessen liebt sie die Hofdame Ebba, eine Liaison, die sich auf Dauer nicht verheimlichen lässt und Christinas Reputation bedenklich ins Wanken bringt. Zur Empörung der Militärs und protestantischen Würdenträger will sie den europäischen Glaubenskrieg beenden und sich lieber um Bildung und die Künste kümmern. Zu diesem Zwecke lädt sie den berühmten Philosophen René Descartes zu sich an den Hof, doch gelingt es ihr irgendwie nicht, ihm ihr Anliegen verständlich zu machen, und er stirbt auch nach kurzer Zeit. Die Katholiken werben um sie, wollen sie zur Konvertierung bewegen, und als ihr bei Hof alle Felle wegschwimmen, und die Liebe zu Ebba unterbunden wird, indem man diese kurzerhand verheiratet, setzt sie ihren Plan in die Tat um, setzt ihrem Cousin, den sie zuvor zu ihrem Sohn erklärt hat, die Krone auf und reist nach Rom, wird Katholikin und pflegt endlich das geistige Leben, nach dem sie sich immer gesehnt hatte.
Eine turbulente Lebensgeschichte fürwahr, die sich natürlich nicht ganz so leicht zu einem Kinofilm formen lässt, es sei denn, man will gleich eine Miniserie oder ähnliches auf die Leinwand bringen. Akis großer Bruder Mika hatte nun aber nur gut einhundert Minuten zur Verfügung, und da er dennoch den Ehrgeiz hatte, möglichst viele Themen anzuschneiden, kommt es wie es kommen musste – dies ist ein Film vieler Ansätze und vieler interessanter Motive, im Ganzen jedoch nicht ganz so überzeugend, denn er kann sich werde für einen Themenkomplex noch für eine künstlerische Marschrichtung entscheiden. Wir erleben mannigfaltige politische Machtintrigen auf kirchlicher und säkularer Ebene, wir erleben eine Art von Emanzipationsgeschichte, wir sehen ein Liebesmelodram, wir kriegen ein bisschen Philosophie mit, nichts davon aber wird’s so ausgeformt, dass ich vollends eingefangen wurde. Mal übt sich Kaurismäki in ziemlich konventionellen historischen Breitwandtableaus, dann gibt’s eine Prise Erotik, ein wenig Psychogramm, eine Zutat Historienkrimi, all dies über einen gewissen Zeitraum durchaus unterhaltsam, im Nachhinein betrachtet aber wenig sättigend und anregend. Liest man auch nur oberflächlich über Christina im Internet, begreift man sofort, dass dieser Film die meisten historischen Zusammenhänge und Hintergründe bestenfalls sehr verkürzt, extrem vieles gleich ganz weglässt oder so anreißt, dass man schon über einiges Wissen verfügen muss, um das Gezeigte richtig einzuordnen, was dem Film meiner Ansicht nach auch einiges von seiner Spannung nimmt. Selbstverständlich erwarte ich hier keine Geschichtsvorlesung, und mir ist vollkommen klar, dass ein solcher Film, zumal er sich gern auch an ein jüngeres Publikum wenden möchte, starke Konzessionen machen muss, um nicht als trockene Lektion abgewimmelt zu werden, doch kenne ich etliche Filme, die diesen Spagat überzeugender vollzogen haben. Kaurismäki war offensichtlich nicht an einem spröden Kammerspiel gelegen, aber auch nicht an einem banalen Kostümdrama à la Ruben Mamoulian. Also versucht er beide Elemente zu verbinden, vernachlässigt aber einen Leitfaden, eine durchgehende Idee, die dann wirklich konsequent durch die Jahre verfolgt wird. Manches ist nach wie vor bloße Kolportage, manches durchaus beschönigend (denn die gute Königin hat sich im eigenen Lande nicht immer nur mit Ruhm bekleckert), vieles wie erwähnt zu kurz und knapp, um nachhaltig zur Wirkung zu kommen.
Dabei hat Kaurismäki eine illustre Darstellerriege an Bord, die absolut das Zeug zu einem komplexen, hintergründigen und dennoch publikumswirksamen Historienfilm gehabt hätte. Malin Buska ist eine brillant sperrige, ruppige Christina, deren Androgynität ein wenig abgemildert wird, da ihre Liebe zu Ebba überaus deutlich ausgespielt wird. Sarah Gadon fasziniert wie immer mit ihrer entrückten Aura, und tolle Charakterköpfe wie Nyqvist, Giradot, Bauchau oder Gedeck und Lohmeyer sorgen für ein mehr als solides Fundament. Vielleicht hätte ein entschlossener Draufgänger wie Shekar Kapur, an dessen Elisabethfilme ich zwischendurch mal denken musste, mehr daraus gemacht, einfach weil er sich mehr getraut hat als Kaurismäki, der sich zwischen Kunst und Kommerz nicht so recht entscheiden kann.
Naja, hübsch anzusehen ist „The Girl King“ allemal, langweilig eigentlich zu keiner Zeit, doch so richtig fesselnd fand ich ihn auch nicht, irgendwas fehlt ihm. Ist halt keine Selbstverständlichkeit, selbst aus solch einer bewegten Biografie gleich auch einen hundertprozentig geglückten Film zu machen. (8.8.)