The girl on the train von Tate Taylor. USA, 2016. Emily Blunt, Rebecca Ferguson, Haley Bennett, Justin Theroux, Luke Evans, Edgar Ramirez, Allison Janney, Lisa Kudrow

   Ein Mann und drei Frauen: Die erste, Rachel, ist mit ihm verheiratet. Mit der zweiten, Ann, betrügt er die erste und gründet eine Familie. Die dritte, Megan, stellt er als Nanny ein und vögelt sie gern auch nebenbei. Die erste, mittlerweile eine ziemlich kaputte Alkoholikerin, stellt ihm weiterhin nach. Die zweite ist ihm eine gute Ehefrau, weiß aber genau, dass er einer dieser Männer ist, die ihren Schwanz einfach nicht in der Hose lassen können. Die dritte, die selbst in ihrer Ehe nicht sonderlich zufrieden ist und ihrerseits seit längerem versucht, ihren Therapeuten zu verführen, wird schwanger und stellt ihm in Aussicht, möglicherweise Vater des Kindes zu sein. Schließlich wird die dritte Opfer eines Gewaltverbrechens, und es vergeht eine Menge Zeit mit Verdächtigungen, Missverständnissen und Intrigen, bis die Identität des Mörders feststeht und die erste und die zweite Frau ihn gemeinsam richten.

   Ein Psychothriller aus dem Staate New York (der Roman spielt, wie ich las, in London, macht aber eigentlich nichts), der eigentlich ziemlich vielversprechend losgeht, in dem er uns den Auftakt der Story aus drei verschiedenen Perspektiven vorstellt, nämlich der der drei Frauen. Leider wird dieses Konzept alsbald aufgegeben zugunsten einer konventionelleren, gradlinigeren Erzählweise. Zusätzlich führt er mit der Hauptfigur Rachel eine äußerst wackelige, sozusagen unzuverlässige Protagonistin ein, deren Wahrnehmung und Erinnerung maßgeblich getrübt wird durch ihren massiven Alkoholkonsum, und die uns auf diese Weise auf die eine oder andere falsche Fährte führt – nicht nur uns, um genau zu sein, sondern auch ihre Mitmenschen gleich dazu. Wir sehen eine dünnhäutige Neurotikerin, die täglich im Pendelzug nach nirgendwo sitzt, obwohl sie, wie wir später erfahren, längst schon ihren Job verloren hat, und die schließlich vom Zug aus Dinge sieht, die sie in ihrem fiebrigen, chronisch alkoholisierten Kopf zu einer Geschichte konstruiert. Diese Geschichte enthält einen grundlegenden, fatalen Irrtum, weil Rachel genau wie die anderen beiden Frauen den einen Mann auf ein Podest stellt, und erst spät, sehr spät, erkennt, dass er dort wirklich nicht hingehört. Eine äußerst reizvolle Ausgangssituation, die dann auch im Laufe der Zeit mehr oder weniger hergegeben wird, weil es offenbar wichtig ist, dass wir die volle, objektive Wahrheit erfahren, und nicht etwa im Unklaren gelassen werden, was wirklich geschah – man stelle sich da mal vor, also nee, das geht nicht in Hollywood. Dennoch funktioniert dieser Trick noch eher, weil wir immerhin bis relativ spät im Film die eine oder andere Überraschung serviert bekommen, obwohl ich persönlich nicht sagen würde, dass die Entlarvung des Täters eine solche Überraschung ist, denn die zeichnet sich doch recht früh ab.

 

   Alles in allem würde ich „The girl on the train“ eher in die Reihe der gefälligen Routineprodukte stellen, die definitiv das Potential für sehr viel mehr in sich bergen, letztlich aber vor allem daran scheitern, dass ihr Regisseur eher zu den Biedermännern gehört, was er ja auch in Filmen wie „The Help“ oder „Get on up“ nachhaltig unter Beweis gestellt hat. Er traut sich nicht, die Perspektivwechsel zwischen den drei Frauen beizubehalten, ebenso wenig traut er sich, die unzuverlässige Perspektive Rachels einfach mal unzensiert stehen zu lassen, was bedeutet hätte, dass wir Zuschauer ein bisschen mehr zu tun gekriegt hätten. Geht eben auch nicht in Hollywood. Das Ganze ist leidlich spannend und leidlich unterhaltsam, leider aber auch nicht mehr. Schade ist das in erster Linie im Hinblick auf die Besetzung, denn die ist erstklassig, vor allem Emily Blunt liefert eine grandiose Vorstellung ab, die wirklich einen etwas mutigeren Film verdient gehabt hätte, der sich eben tiefer in die Psyche der Figuren vorwagt, so wie Blunt es vormacht mit ihrem einfühlsamen, bewegenden Porträt einer Frau, die ebenso verzweifelt wie vergeblich mit ihren Dämonen kämpft, und so lange auf verlorenem Posten steht, bis sie endlich den richtigen Dämon ausgemacht hat. Ihr gelingt es durchaus, uns ein Stück weit hineinzuziehen in das vertrackte, ziemlich pathologische Beziehungsgeflecht in dieser Kleinstadt, nur finden ihre Bemühungen wie schon gesagt zu wenig Nachhall bei Buch und Regie, die strikt an Konventionen festhalten, statt sich, wie es der Vorlage offenbar angemessen gewesen wäre, gerade davon zu lösen und dem Drama eine eigenwilligere, eindrucksvollere Form zu geben. Ein neues Beispiel aus der scheinbar endlosen Serie „Die Schauspielerin ist besser als der restliche Film“, und von dieser Sorte hat gute Frau Blunt schon deutlich zu viele gemacht. (29.10.)